Ausgebremst

Arbeitskampf Die zunehmende Öffnung der Taxi-Branche für gierige Plattformen treibt zahlreiche Existenzen in den Ruin
Ausgabe 28/2020
Protest von Taxifahrer*innen gegen steigende Benzinpreise in Berlin 2008
Protest von Taxifahrer*innen gegen steigende Benzinpreise in Berlin 2008

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Vor ein paar Wochen war ich in Berlin mit dem Taxi unterwegs und die Fahrerin erzählte mir, wie schlecht es bei ihr laufe. Erst sei wegen Corona gar keiner mehr gefahren; aber auch seit der Shutdown beendet ist, sei die Zahl der Fahrten nicht groß angestiegen. Sie teilt sich das Taxi mit ihrem Sohn. Sie fährt tagsüber, er nachts, sie sehen sich deshalb kaum. Seit Corona haben beide noch einen zweiten Job angenommen. Sie fahren Pakete für Zalando aus, die noch am selben Tag ankommen müssen (so lautet das Versprechen der Bestellplattform). Das klappt mehr schlecht als recht, weil man viel länger braucht, als Zalando annimmt. Wie es für sie weitergeht, wusste sie nicht. „Ob Frau Merkel auch mal uns rettet?“, fragte sie mich und mir fiel dazu nur ein: „Ich hoffe ja, aber ich befürchte, es kommt anders.“

Damals ahnten weder die Taxifahrerin noch ich, dass die Rettung der Selbstständigen nicht nur schnell ein abgeschriebenes Thema sein würde; es war auch nicht absehbar, dass die Bundesregierung den bisher regulierten Taximarkt zugunsten von Tech-Plattformen wie Uber liberalisieren und damit die Existenzgrundlage der Taxifahrer*innen noch weiter zerstören würde. Ohne großen Aufschrei einigte sich die Bundesregierung Anfang Juni auf eine Novelle des Personenbeförderungsgesetzes. Das bedeutet, das sogenannte Pooling-Angebote von Fahrdiensten, bei denen sich mehrere Kunden ein Fahrzeug teilen, dauerhaft erlaubt werden. Das Bundesverkehrsministerium – bekannt dafür, sich gerne von großen Konzernen beraten zu lassen – soll einen Gesetzesentwurf schreiben.

Warum die Regierung das macht? Um mehr Konkurrenz zu ermöglichen, sagt einer von der CSU. Weil die massive Lobbyarbeit endlich Früchte trägt, sagt mir ein Berliner Anti-Uber-Aktivist. Und er fügt hinzu: „Eigentlich ist das Korruption, wie viel Geld Uber auf EU- und Bundesebene ausgibt, um Politiker*innen zu beeinflussen.“ Die CSU wollte die Liberalisierung übrigens schon länger, nur die SPD hatte letztes Jahr noch vollmundig behauptet, dass das mit ihr nicht zu machen sei. Naja, man kennt’s ja auch nicht wirklich anders von ihr.

Bisher waren Taxifahrer*innen aus anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA, beeindruckt, dass Uber und andere Gig-Economy-Fahrdienste es hierzulande so schwer hatten. Doch damit ist wahrscheinlich jetzt Schluss, denn auch die Tarifbindungen für das Taxigewerbe sollen fallen. Stattdessen plant die Bundesregierung einen „Tarifkorridor mit Höchst- und Mindestpreisen“ oder „Tarife ohne Zeitfaktor“. Übersetzt in Arbeiter*innenrechte heißt das: Man darf sich gegenseitig unterbieten, jeder steht zu jedem in Konkurrenz. Verlierer*innen: die Taxifahrer*innen. Gewinner*innen: die schlanken Plattformen wie Uber, die es sich mit Investoren im Rücken leisten können, die Preise so lange zu drücken, bis sie weitestgehend allein übrig bleiben.

Letztlich wären aber alle Fahrer*innen die Verlier*innen. Ein Blick in die USA zeigt, wohin der Weg führt, wenn man Unternehmen wie Uber nicht reguliert. Uber ist eine der rücksichtslosesten Plattformen. Das Unternehmen bietet nichts außer der Vermittlung von Fahrten über die App, die Fahrer*innen bekommen einen Hungerlohn, müssen ihr eigenes Auto kaufen und mitbringen, kommen oftmals selbst mit 12-Stunden-Schichten nicht an den Mindestlohn heran. Dagegen formiert sich den USA seit ein paar Jahren beeindruckender Protest: In New York legten die Taxifahrer*innen schon ein paar Mal die Stadt lahm, in Kalifornien gehen die Gig Workers Rising immer wieder zu Tausenden auf die Straße. Ich wünsche den deutschen Taxifahrer*innen genauso viel Kampfgeist, vor allem aber, dass es gar nicht erst so weit kommt!

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