Die Leichtigkeit des Flirts bei Twitter

Netzgeschichten Ohne Profil, ohne Beziehungsstatus, ohne direkten Kontakt: Wer flirten will, markiert den anderen mit einem Stern. Nur Küssen wird online schwierig

So klingt Online-Liebe: „Digitales Eheglück: Twitter behauptet, dass meine Frau ‚similar to me‘ ist“, schreibt Lars Brücher unter seinem Twitter-Profil „themroc“. Wer passt zu mir? Diese Frage sollen nicht nur Single-Börsen im Internet beantworten. Auch Twitter stellt seinen Nutzern in der rechten Randspalte Empfehlungen vor – aber kostenlos und ohne dass die User vorher endlose Persönlichkeitstests ausfüllen müssten. Auf die Verlobung oder Heirat zweier Follower zielt dieses Feature jedoch offiziell nicht.

Twitter ist mittlerweile der Geheimtipp unter den Flirt-Plattformen im Netz. Wer mit anderen digital liebäugeln möchte, kann sein Profil in ein Textfeld von nur 140 Zeichen eintragen: Man wird nicht aufgefordert, Beziehungs­status oder sexuelle Orientierung anzugeben, und es gibt auch keinen Button fürs Gruscheln, also die direkte Kontaktaufnahme mit anderen. Für das Twitter-Flirt-­Feature wurde einfach die Favoriten-Markierung zweckentfremdet: Der Dienst favstar.fm listet auf, welche Tweets von welchen Nutzern mit einem Stern markiert wurden, also welche Tweets beispielsweise als besonders klug oder humorvoll gelobt werden.

Einen bestimmten User besonders oft zu „faven“ wird im deutschsprachigen Web als „Fickwunschverdacht“ gehandelt. Doch „Flirtwunschverdacht“ passt in vielen Fällen besser auf das Austauschen von Sternen, @-Replys, Nachrichten und Tweets. Denn bei Twitter geht es nicht um den schnellen Sex, sondern um Annäherung. Der Dienst, der aufgrund seines Nachrichtenstroms als Symbol für die Schnelligkeit im Netz steht, ist auch ein Ort zum Verweilen und Stöbern. Dort treffen sich Menschen, die eine Liebe zur Sprache, zum Wortwitz und zur Pointe pflegen. Und schließlich auch zueinander.

Digitale Balz

Single-Börsen sind dagegen befreit von der Leichtigkeit des Flirts. Die kostenpflichtige Konstruktion einer Netz­persönlichkeit als „Marriage Material“ steht oft am Ende einer erfolglosen Suche in der sogenannten echten Welt. Auf Webseiten wie elitepartner.de suchen Singles weniger das Glück als die ökonomische Zweckgemeinschaft. Twitter jedoch ist für seine regelmäßigen Nutzer zum Teil des echten Lebens geworden, der Dienst kann für Flirt, Gefühle und Herzklopfen sorgen. Über Gedankenfetzen, Status-Updates, spontan getippte Sätze oder unbedachtes Fluchen bahnt sich ein zartes Kennenlernen seinen Weg. So wie man morgens den Blick von dem Mann in der U-Bahn nicht wenden kann, liest man auf Twitter, durch den Filter der digitalen Zuneigung, Sätze eines Nutzers, von ­denen man nicht lassen will. Hier matcht kein Dienst die Paare anhand ihres Neurosegrades, den ein Algo­rithmus ermittelt hat. Sondern der Mensch denkt noch selbst und verliebt sich fast so wie auf einem analogen Sommerfest: unerwartet, zufällig und erst auf den zweiten Klick.

Die öffentliche Balz der Twitter-Nutzerschaft erfreut den heimlichen Gala-Leser im Digital Native. Auch im Netz muss man sich allerdings ein Herz fassen, wenn es um mehr gehen soll als Klicks auf Facebook-Likes und Favoriten- Sterne. „Anruf, SMS, DM, Mail, An­stupsen? Dafür bin ich nicht betrunken genug“, beschreibt @Bosch sein Dilemma. Falls es aber doch zur Abrundung des Flirts kommt, möchte auch der Nerd niemals eine Online-Anwendung: Der erste Kuss eines Twitter-Pärchens verrät mehr, als 140 Zeichen es können.

Teresa Bücker flirtet und zwitschert unter @fraeulein_tessa auf Twitter

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