Die letzte Chance

Ehrgeiz und Befindlichkeit Stoiber hofft auf Merkels Schwäche und schließt das Amt des Bundespräsidenten für sich nicht aus

Dass sind die Momente, in denen der bayerische Ministerpräsident lächelt, voller Freude. Denn die ungeliebte CDU-Chefin Angela Merkel hat mal wieder eine Schlappe einstecken müssen und watet nun durch ein Tal der Unzufriedenheit und Abneigung, weil sie den Rechtsaußen Martin Hohmann aus der Bundestagsfraktion ausschließen ließ.

Die Formation der Anti-Merkelianer wird deutlicher und lauter. Noch kurz vor der Abstimmung in der CDU/CSU-Fraktion schaltete sie Anzeigen unter der Überschrift: "Kritische Solidarität mit Martin Hohmann" in den großen überregionalen Blättern. Sie forderten von Stoiber und der Parteivorsitzenden, auf den Rauswurf zu verzichten. Undemokratisch sei das, was sich in der Union abspiele, hieß es. Freilich richtete sich der Unmut in erster Linie gegen Merkel. Sie gilt in dem männerbündlerischen Verein ohnehin als zu weich und zu wenig konservativ (Freitag, 26/ 2003). Nur dem Druck des Zentralrates der Juden habe die Vorsitzende nachgegeben und sei schließlich gegen den hessischen Christdemokraten Hohmann vorgegangen. Wieder mal "beweist sie ihre Führungsschwäche", raunten Mitglieder der CSU-Landesgruppe, die nur mit langen Gesprächen durch den Landesgruppenchef Michael Glos ruhig gehalten werden konnten. Eine "Getriebene" sei Merkel, sagte Norbert Geis (CSU) und sprach damit aus, was viele seiner Kollegen dachten. In der geheimen Abstimmung dürften zahlreiche der 28 Voten für den Verbleib Hohmanns und damit gegen Merkel aus den Reihen der bayerischen Parlamentarier gekommen sein. Endlich gibt es die Chance, "eine Watschn" zu geben, sagt ein Christsozialer. Glos kommentiert den Vorgang nicht. Er weiß, wie unpopulär die Frau bei den Unionsmännern ist. Und in diesen Tagen gärt es hier und dort an der Basis. Viele fühlen sich von Merkel regelrecht verraten.

Gerade diese Schwäche könnte nun dem einstigen Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber hilfreich sein. Ihm lastet die Partei den Ausschluss Hohmanns nicht so sehr an, da er nicht im Bundestag sitzt. Zudem steht der Bayer seit Jahren für das nationalkonservative Selbstverständnis der Union. Für das Kruzifix und gegen Kopftücher sei er, ließ der Ministerpräsident kürzlich seine Anhängerschaft wieder wissen. Ihm glaubt man es. Gebannt wartet Stoiber nun den bevorstehenden CDU-Parteitag ab. Dort könnte der Umgang mit Hohmann nochmals breit diskutiert und Merkel dann möglicherweise abgestraft werden. Dies käme Stoiber nicht ungelegen. Bei einer Wiederwahl mit schlechtem Ergebnis stünde seine Rivalin ohne viel Rückhalt da und wäre über kurz oder lang ihren "Freunden" Koch und Stoiber ausgeliefert. Vor allem Stoiber rechnet derzeit mit Chancen auf eine erneute Spitzenposition bei Neuwahlen. Darauf deutet seine Kabinettsumstellung in München hin. Als Nachfolger für sein Amt des Landesherrn hat er bereits Erwin Huber, den Staatskanzleichef, erkoren. Der erhielt vor kurzem zusätzliche Kompetenzen und hat die Zuständigkeit für den Bundesrat übernommen, in dem er eine Schlüsselrolle bei den begonnenen Verhandlungen im Vermittlungsausschuss spielt. "Wenn Stoiber heute nach Berlin gehen wollte, wäre in Bayern schon alles geregelt", sagen Beobachter.

Stoiber will abwarten, ob Rot-Grün die kommenden Wochen übersteht, denn im Dezember muss im Bundestag erneut über Teile der Arbeitsmarkt- und Sozialreformen abgestimmt werden, die - in verschärfter Form - vom Vermittlungsausschuss zurückkehren.

Sollte Schröder die nächsten Monate überstehen, dann hält sich der CSU-Chef eine weitere Option offen, um doch noch den krönenden Abschluss seiner Karriere zu begehen: das Amt des Bundespräsidenten. In aller Stille verschob man die Entscheidung über die Kandidatenfrage aufs kommende Jahr. Stoiber, der selbst einzusehen scheint, dass er 2006 nicht mehr Kanzler wird, könnte so als erster christsozialer Bundespräsident in die Geschichte eingehen.


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