Die Männerbeauftragte

Regierung Köhler-Glaube. Was auch immer die neue Familienministerin ist: sie ist nicht ihre Vorgängerin.

Die neue Familienministerin fasziniert die Medien. Ulf Poschardt deutete sie neulich in der Welt als herausragendes Mitglied der Generation Golf, welche zunehmend die Politik bestimme. Der Stern wiederum zeichnete sie in einem raumgreifenden Porträt als seltenen Typus der sympathischen Karrieristin. Wie auch immer: Kristina Köhler ist nicht zuletzt das völlige Gegenteil ihrer Vorgängerin, Ursula von der Leyen. Erst 32 Jahre alt, unverheiratet und kinderlos, scheint sie für die Abschaffung ihres eigenen Arbeitsbereichs ebenso gut geeignet zu sein wie der FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel. Prompt sprachen ihr nach der Amtsübernahme konservative Christdemokraten und hauptberufliche Männer die Kompetenz ab: 53 Prozent der männlichen Wähler bezweifelten, ob eine so junge Frau für dieses Amt geeignet sei, und Wertkonservative monierten, sie sei noch immer nicht unter Haube. In letzterem Punkt zeigt sich Köhler inzwischen kompromissbereit: Man liest, dass sie im Februar ihren Lebensgefährten heiraten will, der Staatssekretär im Bundesinnenministerium ist.

Auch sonst ist Köhler bemüht, jeden Verdacht auszuräumen, sie sei eine unsichere Kantonistin. Während Ursula von der Leyen ihre politische Aufgabe eher darin gesehen hat, die ohnehin stattfindenden gesellschaftlichen Transforma­tionsprozesse, wie die formale Gleichberechtigung der Geschlechter und den Zerfall der bürgerlichen Kleinfamilie, durch Betreuungsprogramme abzufedern, repräsentiert Köhler eine junge Generation, die auf beängstigende Weise biederer ist als ihre Eltern, Generation Golf eben.

Kompetenzmangelkompensation

Dies gilt nicht nur optisch – unter Modeaspekten war von der Leyen zweifellos die angenehmere Wahl – sondern auch inhaltlich. So möchte Köhler die Programme gegen Rechtsextremismus, für deren sozialpädagogische Unterfütterung ihr Ministerium zuständig ist, durch Programme gegen Linksextremismus ergänzt wissen. Der innenpolitische Experte des CSU, Hans-Dieter Uhl, zeigte sich sofort begeistert und sprach der jungen Frau genau jene Erfahrung zu, an der zuvor gezweifelt worden war: „Kristina Köhler hat sich seit Jahren als Fachpolitikerin sehr genau mit diesen Gewaltgruppen beschäftigt. Sie weiß, wovon sie redet.“

Auch sonst wird Köhler immer dann besondere Kompetenz bescheinigt, wenn sie besonderen Unsinn redet. So hat sie jüngst als förderungswürdige Randgruppe das männliche Geschlecht ausgemacht. Der Welt erzählte sie, die „Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ sei „zu einseitig auf Mütter fokussiert“. Außerdem hat sie ein Referat zur „Jungen-Förderung“ einrichten lassen, weil Jungen „schlechtere Noten“ bekämen als Mädchen und den Hauptteil der „Risiko-Schüler“ ausmachten. „Das hat auch etwas damit zu tun, dass es in der Kindertagesstätte und in der Grundschule kaum männliche Erzieher und Lehrer gibt.“

Was ist also zu tun? Soll eine „Männerförderung“ für „weibliche“ Berufsfelder eingerichtet werden? Oder will man Forschungsprogramme zum Thema „Mädchengewalt gegen Jungen“ finanzieren? Vielleicht erinnert man sich vorher doch noch an einige Selbstverständlichkeiten. Zum Beispiel daran, dass die Präsenz von Frauen in Erziehungsberufen auf ein frauenfeindliches Geschlechtermodell zurückgeht. Dass die Bezahlung in „weiblichen“ Berufen meist schlechter ist als in „männlichen“. Dass Väter oft genug einfach deshalb keinen Erziehungsurlaub nehmen, weil sie sich nicht den ganzen Tag lang mit den Kindern herumschlagen wollen. Und dass „Risiko-Schüler“ im Schulalltag eher Täter als Opfer sind. Sollte Köhler das nicht von selbst einleuchten, kann sie ihre Vorgängerin um Rat fragen. Zumindest als Männerbeauftragte hat die sich nämlich nie verstanden.

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