Die Moral zum Töten

Tatort: Sonntagabend Im Lena-Odenthal-20-Jahre-Jubiläums-Tatort mit dem Titel „Vermisst“ aus Ludwigshafen mangelt's nicht an gutem Essen. Allenfalls an einer besseren Umsetzung des Themas

Geburtstage, wer kennt sie nicht: Wieder ist ein Lebensjahr vorbei, man sitzt an seinem Arbeitsplatz, den man schon über Jahre hat, und nicht ein Kollege oder Freund gratuliert. Ihnen ist es noch nicht passiert, dass nur der Handyanbieter sich meldet? Nun, mir auch nicht. Eigentlich sollte es ja eine große Überraschung werden für unsere Frau Kommissarin. Leider hatte aber Lena Odenthal Wichtigeres zu tun. Nach einem mysteriösen Anruf einer Dame, die sich spontan bei der Kripo meldet und anscheinend wichtige Informationen im Fall Ritterling hat, kehrt Frau Odenthal sofort und alleine zum Treffpunkt, der im Gespräch genannt wurde. Doch etwas zu spät, denn die junge Frau ist bereits ermordet worden. Passend zum am 4. Oktober zu Ende gegangenen Oktoberfest wird die Leiche in der abendlichen Biergartenatmosphären Ludwigshafens gefunden. Klar, dass unsere Kommissarin den nun schon zwölf Jahre alten Fall Ritterling wieder aufrollt.

Ja, es wird viel gekocht in diesem Tatort. Es werden selbst Ermittlungen im Einkaufsmarkt zwischen Katzenfutter und verpackten Nudeln geführt. Besonders Nick Ritterling, gespielt von Thomas Sarbacher, der in seiner Rolle als alter Knacki durchaus überzeugt, bekocht die Kommissarin mit Garnelen, Trüffeln, Jakobsmuscheln oder Mousse au chocolat. Bei diesem gourmethaften Schmaus werden natürlich die Ermittlungen weitergeführt. Selbst als Lena Odenthal sich sicher sein kann, dass Ritterling der Mörder ist, genießt sie mit ihm noch Speis und Trank. Folglich muss das Essen wohl unvorstellbar gut geschmeckt haben.

Der Fall beinhaltet in seiner durchaus komplex erscheinenden Struktur ein zeitloses, aber nicht gerade neues Thema: die Frage nach individueller Gerechtigkeit. Herr Ritterling saß zwölf Jahre lang im Knast für einen Mord, den er nie begangen hat. Jetzt dürstet ihn nach Rache - mit der Überzeugung, er hätte ein Freischein zum Mord, für den er ja schon gesessen hat. Diese doch etwas altertümlich erscheinende Denkweise wird Ritterling aber zum Verhängnis. Man merkt sehr deutlich, dass er sich keiner Schuld bewusst ist. Das Thema an sich ist durchaus nicht schlecht gewählt, sonst wäre es wohl auch nicht so häufig philosophisch überdacht worden. Auge um Auge, Zahn um Zahn. "Faust auf Faust, hart ganz hart", sang in den achtziger Jahren schon Klaus Lage zum Schimanski-Krimi.

Allerdings fand ich dieses durchaus interessante Thema nicht gut umgesetzt. Allein wie Ritterling alles klarstellt. Da die Leiche einer angefahrenen jungen Dame, Michaela Bäuerle, welche zufällig wohl Ähnlichkeiten mit seiner Frau hatte, dazu führt, dass Ritterling in den Knast kommt. Außerdem finde ich es schade, dass der Fall nur dadurch gelöst werden konnte, weil eine verwahrloste Junkiefrau mit einer geklauten Kreditkarte Massen von Parfüm kaufen will. Ich fragte mich, wo sie das ganze Zeug loswerden will: Wer kauft schon gerne teures Parfüm bei einem Junkie. Sie sah mir auch nicht danach aus, als wenn Sie das Zeug über E-bay verkaufen wollte. Nun ja, vielleicht war das alles auch nur für den Eigenkonsum bestimmt, wir werden das wohl nie erfahren.

Am besten ist die Klingel von unserem Mörder, Nick Ritterling. Zack! Man konnte kaum richtig hinschauen, schon war sie im Wasser verschwunden unsere Kommissarin Lena Odentahl. Da half auch nicht das etwas zaghaft erscheinende „Lena“ vom Kollegen Kopper. Der Kommentar des Herrn Kopper, der mich wegen Aussprache und Inhalt wirklich unterhalten hat: „DJ Sunny, sacht die Michaela, war ne Sofanudel." Dem ist wohl nix mehr hinzuzufügen.

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