Inzwischen haben es wohl alle gemerkt: Mit Claudia Neumann hat das ZDF eine weibliche Live-Kommentatorin für Nationalspiele im Reporterteam. Nicht erstmals, denn sie kommentierte bereits 2016 Spiele der Herrenfußball-EM. Trotzdem ist die Empörung so groß, dass auch die Twitter-Welt jenseits des Fußballs davon Wind bekommt: Timelines und Kommentarspalten schwellen mit frauenfeindlichen Wutausbrüchen an. So stark, dass das ZDF während der Arbeit der Reporterin extra mehr Social-Media-Redakteure zur Moderation vor die Computer setzen musste – man war vorbereitet. Schließlich zeigte der Sender zwei Nutzer für ihre Hass-Posts an, wohl um ein Zeichen zu setzen, strafrechtlich relevant dürfte weit mehr Material sein.
Forderungen anderer Zuschauer, Neumann jetzt erst recht das Finale kommentieren zu lassen – gewissermaßen als Erziehungsmaßnahme –, erteilte der Sender jedoch eine Absage: „Wir wollen und werden keine Geschlechterdiskussion führen“, erklärte Thomas Fuhrmann, Sportchef beim Zweiten. Es gelte der Leistungsgedanke, und außerdem habe man „unter den Reportern natürlich auch eine gewisse Rangfolge“. Zwei Wochen zuvor hatte Fuhrmann gegenüber der Süddeutschen noch erklärt, das Finale sei bislang nicht gesetzt. Es wird nun von Béla Réthy kommentiert.
Rechtes Bauklötzewerfen
„Geht länger zur Schule!“, kommentierte Neumann selbst die sexistischen Anfeindungen in einem Interview mit der Zeit: „Bildet euch weiter, erweitert euren Bewusstseinshorizont, dann lernt man auch, andere Haltungen zu tolerieren.“ Schreckt das ZDF nun davor zurück, Versäumnisse von Eltern und Lehrern auszubügeln, oder darf man der Beteuerung glauben, es gelte nur Qualität? Klar ist, dass ein nicht unerheblicher Teil der Menschen in diesem Land (und nicht nur hier) auf jeden Versuch, ihm die mangelnde Erziehung hinterherzutragen, reagiert wie ein Kind in der Trotzphase: von Bauklötzchenwurf bis zur Gründung einer völkischen Partei, die die wissenschaftliche Lehre über Geschlechterverhältnisse als „Genderwahn“ abtut.
Ein User kommentierte in einem Forum einer größeren Wochenzeitung jüngst zur Causa Neumann: „Wo kommen wir denn bitte hin, wenn man Frauen, in welcher Position auch immer, nicht mehr kritisieren darf, weil einem sofort Sexismus vorgeworfen wird?“ Zack, Täter in Opfer verkehrt. Denn die Frage lautet doch: Wo kommen wir denn bitte hin, wenn Frauen, in welcher Position auch immer, sofort sexistisch angegriffen werden? Natürlich darf man Menschen für ihre Arbeit kritisieren. Wenn man das aber innerhalb eines sexistischen Shitstorms tut, findet diese Kritik nicht in einem neutralen Raum statt. Und das liegt nicht an denen, die den sexistischen Shitstorm kritisieren, sondern an denen, die ihn lostreten.
Doch was sind das eigentlich für Leute, die ihn initiieren? Wer ist für Posts wie „Neumann sollte lieber beim ZDF den Flur wischen“ bis hin zu Vergewaltigungsandrohungen verantwortlich? Laut einer aktuellen Civey-Studie beurteilen immerhin über zwei Drittel der Menschen im Land weibliche Kommentatorinnen bei Fußballspielen als positiv, nur 12,4 Prozent negativ, davon ganze fünf Prozent „sehr negativ“. Wir haben es also mit einer krassen Minderheit zu tun, die es jedoch vermag, wesentlich größer zu erscheinen, als sie ist.
Mit perfektem Timing haben das Institute for Strategic Dialogue und der Verein „ichbinhier“ nun eine aktuelle Studie zum Phänomen des Internet-Hasses vorgelegt. Darin heißt es, dass etwa im vergangenen Januar nur 0,02 Prozent der monatlichen Facebooknutzer für 50 Prozent der Likes bei Hasskommentaren verantwortlich waren. Durch die Klicks auf die „Gefällt mir“-Angabe werden Beiträge in der Kommentarspalte nach oben gespült, erscheinen relevanter und werden dadurch fast als „Volkes Stimme“ wahrgenommen.
Zuletzt ist die schiere Anzahl der Hassbeiträge zudem massiv angewachsen, während die Anzahl der dafür verantwortlichen Nutzer konstant geblieben ist, wie FORSA herausfand. Selber Hasskommentare zu verfassen, das geben noch immer nur ein Prozent der Nutzer an. Besonders viele Liker stammen, laut der ersten Studie, aus Sympathisantenkreisen der AfD, sehr aktive Konten aus denen der Identitären Bewegung (IB). Der Facebookseite der IB nahestehende Konten traten dabei konstant koordiniert auf, das heißt: Ein Shitstorm ergibt sich nicht einfach aus lauter WM-Zuschauern, die eine Frau – aus frauenfeindlichen oder aus legitimen Gründen sei jetzt einmal dahingestellt – kritisieren, sondern kann das Ergebnis eines geplanten, koordinierten IB-Anschlags auf eine Frau im Netz sein.
Laute Frauen: nervig!
Ob dies bei Neumann der Fall war, ist bislang nicht geklärt. Zumindest der Verdacht liegt nahe, dass auch hier aktivistisch koordinierter Hass aus der rechtsradikalen Blase dafür gesorgt hat, dass wir überhaupt darüber diskutieren, ob eine Frau im Jahr 2018 ein Herrenfußballspiel des Nationalteams kommentieren darf. Und dass bei Spiegel Online entsprechend ein Sprachforscher und Arzt erklären darf, dass es „einige als nervig empfinden können“, wenn Frauen rufen, da diese „höher und schriller“ klängen. Das wusste übrigens auch das Wahlkampfteam von Hillary Clinton, das die gescheiterte Präsidentschaftskandidatin darauf getrimmt hatte, gegen Donald Trump niemals ebenso laut zurückzuplärren. Ihr wäre negativ ausgelegt worden, was wir, sozialpsychologisch gesprochen, ihm ohne Weiteres zugestehen.
Die rechtsradikalen Trolle greifen insofern nur auf, was tief unterhalb des Lacks der Zivilisation in uns allen schlummert: ein leichter Hang, Frauen eigentlich so richtig nervig zu finden, erst recht, wenn sie den Mund aufmachen. Der oben zitierte User, der rechtmäßige Kritik an Neumann zu Unrecht als sexistisch denunziert fand, könnte durch die koordinierte Arbeit rechter Internet-Trolle in seiner Meinung bestärkt worden sein: Ganz normale Leute wie er dürfen Frauen gar nicht mehr kritisieren, ohne sofort als Frauenhasser durchs Dorf gejagt zu werden.
Warum wird leiseste Kritik am Geäußerten, die möglichen Sexismus anspricht, sofort als Zensur, als Verstoß gegen die Meinungsfreiheit empfunden – und gerade nicht als Inanspruchnahme eben dieser Freiheit? Zur rechten Gefühlswelt gehört das Empfinden, von unberechtigt Mächtigeren am laufenden Band über den Tisch gezogen zu werden. Wer als unberechtigt mächtig gilt, variiert je nach Thema. Häufig werden darunter jedoch Juden, Frauen, Homosexuelle, Transgender, Muslime oder Linke gefasst. Treten sie ohne die nötige Demut auf, schürt das Empörung. Im Juli 2018 zieht man mit so einer Haltung in der Sonntagsfrage mit der SPD gleichauf.
Neumann ist also mit jenen antifeministischen Mechanismen im Netz konfrontiert, denen sich viele Frauen gegenübersehen, die dort selbstbewusst auftreten. Ihr kommt jedoch noch etwas anderes in die Quere: die Nation. Denn wenn die WM ein großes Schaulaufen der Nationen ist, dann müssen – in den Augen konservativer männlicher Fußballfans – auch die Frauen auf ihre Position.
In der russischen Version von Facebook, „V-Kontakte“, diskutieren Männer aktuell über die Sexualmoral der Russinnen. Diese zeigten sich nuttig im Internet mit ausländischen Fußballfans, schliefen lieber mit ihnen, statt mit Russen Kinder zu zeugen – und seien eben: eine Schande für die Nation. Gucken die Nachbarn zu, müssen die eigenen Frauen einerseits attraktiver als die des Nachbarn sein, andererseits auch treuer – kein Zweifel soll aufkommen, wer männlicher ist und die geileren Frauen im Bett hat. Die von Männern dominierte AfD wirbt zur Fußball-WM der Herren ausgerechnet mit einem blauhaarigen Manga-Mädchen mit großen Brüsten, schmaler Taille und AfD-Pfeil als Haarklammer.
Neumanns Problem: Die Nation ist männlich, sie kann also nicht von einer Frau repräsentiert werden. Das gilt zuerst natürlich für die neue Rechte, die in der AfD und in der US-amerikanischen „Alt Right“ das Verhältnis von Nation, Mann und Frau längst offen diskutiert. Dabei nehmen Frauen eine verzwickte Doppelstellung ein: Einerseits sind sie wegen ihrer Gebährfähigkeit unumgänglich, wenn die Nation sich genetisch erhalten will. Andererseits sind sie der Nation dauerhaft ein Feind im Innern, weil sie sich von traurigen Kinderaugen zur Wahl von Einwanderung befürwortenden Parteien verlocken lassen. Sie sind zu weich und zu gefühlig, um die echten Anliegen der Nation zu vertreten, so der Diskurs. Erwähnt wird auch die Gefahr, dass Frauen, sollte das Land von feindlichen Truppen besetzt werden, sich sexuell auf den Besatzer einlassen, weil sie dessen Stärke sofort als erotisches Kapital anerkennen. Aber: Sie können nichts dafür, das ist eben ihre Natur.
Doch auch außerhalb der neuen Rechten spielt das Geschlecht der Nation eine Rolle. Vor zwei Jahren attestierte Tilmann Krause, leitender Feuilletonredakteur der Welt und damit des Rechtsextremismus unverdächtig, in seiner Kolumne: „Uns fehlt das erotische Verhältnis zur Nation.“ Denn: ImGegensatz zu Frankreich sähen sich die Deutschen als männlich. Krause ist Literaturkritiker und Frankreichkenner, wir können es ihm ruhig glauben. Er nimmt uns auf einen Spaziergang durch Berlin mit, vorbei an Statuen deutscher Nationalgestalten. Natürlich schiele man da zu den Franzosen (sic!), die für ihre Marianne „jeweils die schönste Frau einer Generation ausgesucht“ hätten. Überall weibliche Übergestalten, während man sich in Deutschland in den männlichen Wilhelms und Friedrichs gespiegelt habe. Fleisch und Haut, voller Busen, roter Mund, solche Sachen – alles bei den Franzosen. Die Deutschen: eine verkrampfte Nation. Nur beim Fußball könnten sie sich selbst feiern, so Krause, aber: „wieder eine rein männliche Angelegenheit.“
Das gute französische Krisenmanagement schließlich, so Krause, muss mit dem Geschlecht der Nation zu tun haben: „Wenn man bedenkt, wie fantasievoll sich Frankreich gerade im Angesicht seiner Krisen immer wieder selbst inszeniert, seinen Glauben an sich, sein Vertrauen auf die eigene Kraft: Dann kann man sich schon die Frage stellen, ob das nicht auch damit zu tun hat, dass es in der Lage ist, die eigene Nation als Lustobjekt zu betrachten.“ Nun, wer ist in der Lage, eine vermeintlich weibliche Nation als Lustobjekt zu betrachten? Wer sucht die Marianne aus, wer hat ein erotisches Verhältnis zu all diesen Frauen und wer ist dann eigentlich „die Nation“?
Neumann muss sich nicht nur der Herausforderung stellen, eine Fußball-WM der Herren live zu kommentieren. Sie kommentiert dabei auch gegen die Geschlechterbilder einer Nation an.
Kommentare 26
Guter Artikel. Danke! Viele klarsichtige Einschätzungen der rechten national-patriarchalen Attitüde.
Nur der Schluss fällt etwas ab. Brigitte Bardot oder Sophie Marceau als National-"Marianne". Weibliche Symbolfiguren und schon ist das Nationale erotisch? In der Logik müsste man dann den deutschen Nationalismus latent homoerotisch nennen. Weht da ein Hauch von Heteronormativität durch die Kritik des nationalen Patriarchats?
"Zumindest der Verdacht liegt nahe, dass auch hier aktivistisch koordinierter Hass aus der rechtsradikalen Blase dafür gesorgt hat, dass wir überhaupt darüber diskutieren, ob eine Frau im Jahr 2018 ein Herrenfußballspiel des Nationalteams kommentieren darf."
Entsprechend wenig Allgemeines gibt es dazu zu sagen.
Was die Nation ist, wie sie fühlt und sich versteht, darauf haben Linke leider keinen Einfluss, denn sie lehnen dieses Wir-Konstrukt ab.
Die Nation ist, wer an sie glaubt. Die Nation ist, wem man sie überlässt.
ein erotisches verhältnis zur nation? och nö. demokratisch legitimiert würde diese komponente der deutschlandliebe dann womöglich til schweiger und heidi klum zu ihren ikonen erheben. da erinnere ich mich doch lieber der einschlägigen worte von gustav heinemann: ich liebe keine staaten, ich liebe meine frau. chacun à son goût...
Es ist vermutlich ein uralter Traum, der von sehr vielen Menschen geteilt wird, die Kontrolle darüber zu haben, wie mensch von anderen Menschen wahrgenommen wird, der Traum, sich sicher sein zu können, dass andere Menschen einen selbst wohlwollend und insgesamt "positiv" empfinden. Aber es scheint unserer Zeit vorbehalten zu sein, die individuelle Unfähigkeit, das Gegenteil auszuhalten, durch soziale Maßnahmen kompensieren zu wollen, die Änderung der psychischen Haltung durch erzwungene Bekenntnis zu einer erwünschten Haltung herbeiführen zu wollen. Oder ist das nur eine aktuelle Spielart des altbekannten religiös-ideologischen Spiels, demzufolge Bekenntnis Sein ersetzt, sofern sie nur durchgehalten wird?
Nehmen wir an der Stelle einfach mal das halbvolle Glas: den Umstand, dass es eine kleine (vermutlich sogar sehr kleine) Minderheit ist, die aktiv und gezielt Hass im Netz einspeist. Das ist erst mal zwar noch keine Gegenhilfe gegen die riesengroße reaktionäre Backlash-Cloud, die sich in der deutschen Gesellschaft (und den Gesellschaften des Westens insgesamt) aufgebaut hat und deren prozentualen Anteil man im weitesten Sinn zwischen 20 und 30 Prozent veranschlagen kann. Es unterstützt allerdings die Beobachtung, dass die Hetze – salopp formuliert: das rechtsradikale »Radioprogramm« – von einem vergleichsweise kleinen Kern kommt.
Dieser – vergleichsweise kleine und grob über den Daumen gepeilt vielleicht 100.000, wahrscheinlich weitaus weniger Individuen umfassende – Kern mag sich wiederum in sich aufgliedern: in rechte Überzeugungstäter mit Intelligenz und Planungskompetenz, notorische Querulanten, sonstige Zukurzgekommene bis hin zu Netztrollen, die Hass als »Game« betreiben sowie einen Kern handfester Psychopathen, dem man auch sonst nicht unbedingt auf der Straße begegnen möchte.
Falls diese Rechnung auch nur im Groben stimmt, dürfte es für Linke bzw. die Zivilgesellschaft nicht ganz unmöglich sein, diese Hasswelle von ihrem äußersten (beiderseits der klar kriminellen Grenzlinie agierenden) Punkt her aufzurollen und die – gemäßigten – Mitläufer peu à peu davon zu überzeugen, dass sie letztlich das Umfeld abgeben für Hater und Gewalttäter der untersten Sorte. Ich gebe zu, dass ich schwer einschätzen kann, wie weit die gesellschaftliche Verrohung bereits fortgeschritten ist und Mordaufrufe gegen eine Sportjournalistin (allein wegen ihres Geschlechts) in diesem Milieu bereits goutiert werden. Sofern diese Form Net-Backlash jedoch in kampagnenartiger Form angegangen werden soll, würde ich die Feststellung in den Mittelpunkt stellen, dass es sich hier letzten Endes um nichts anderes als – unter der Tarnkappe der Netz-Anonymität agierende – Lynchmobs handelt. Das Agieren ist das Gleiche, die Botschaft des Hasses, der Bedrohung und der Zerstörung ist die Gleiche – entsprechend sollten auch die Entscheidungsfragen sowie die eventuell zu tragenden Konsequenzen die Gleichen sein.
schlechter Artikel..:-) Frauen spielen Fußball, Frauen kommentieren.
Sollen sie. Nur spielen Frauen eine andere Art von Fußball. Diese Art ist zu akzeptieren, zu repektieren. Ich möchte aber einen Kommentar zum Fußball, den Männer spielen, von jemanden, der die Art dieses Fußball in sich hat., den Männer spielen. Von mir aus darf die Frau da am Mikrophon zu der Art Fußball was sagen...einen Beinschuss darf ich der immer noch verpassen. Das ist Emanzipation.
Man sind wir doof in Europa mittlerweile. Jeder mit seiner Kompetenz in den Dingen , wo er welche hat und die ihm zu recht zugepsrochen werden müssen. Aber jeder auf seine Art. Das ist Kommunikation auf hogh level und nicht auf der dämlichen Ebene: na ja, jeder darf was sagen..:-)
Die Hasskommentare und Pöbeleien sind ein Teil, ein sehr unangenehmer Teil der Realität - insbesondere, soweit es um Sexismus geht, der männlichen Realität. Dinge, die früher an den sprichwörtlichen Stammtischen geblieben wären, sind jetzt eben "öffentlich". zur realität gehört jedoch auch, dass, soweit es um männliche Äußerungen geht, NUR diese Pöbeleien mediale Aufmerksamkeit finden. Dass sich die große Überzahl der Männer, wenn überhaupt, neutral bis anerkennend äußert, findet keinen Widerhall. interessant ist immer nur der Skandal.
Du hast nen Fußball in dir?! Ich nicht, ich hab an der Stelle Magen und Eingeweide. Ich schätze, das macht mich mit Claudia Neumann vergleichbar. - Und weiter oben, da, wo bei mir das Gehirn ist, hast du dann wohl die Trillerpfeife eines männlichen Schiri, wa?
"Weht da ein Hauch von Heteronormativität durch die Kritik des nationalen Patriarchats?"
Nee, einfach eine Beschreibung des Vorhandenen. "Zufällig" sind das auch noch die Mehrheitsverhältnisse. Die lassen sich natürlich jetzt wieder tiefsinnig hinterfragen.
Bedauerlicherweise ist Claudia Neumann als Kommentatorin ebenso nervtötend wie Bela Rethy, Tom Bartels , ach, ausnahmslos alle männliche Kollegen. Bei der Audio Deskription wird zwar viel mehr gequasselt, aber da dort (fast) jeder Ballkontakt geschildert wird, bleibt kaum Zeit für abseitige, nicht zum Spiel gehörende Betrachtungen über Spieler, die Fußballwelt und wie sie sein sollte.
Mal am Rande: als ich in den 1970ern in Hamburg wohnte, habe ich internationalen Fußball vorzugsweise im DDR-Fernsehen gesehen., weil sachlicher kommentiert.
"Weht da ein Hauch von Heteronormativität durch die Kritik des nationalen Patriarchats?"
Aber ja. Nunja, immer langsam - erstmal die Nation als weibliche erotisch werden lassen und dann weitersehen, wie sich die übrigen 60+ Geschlechter einbinden lassen.
Im Ernst: Das Nationale erotisieren? Historisch ist das ja nicht ganz aus der Luft gegriffen; schon die ollen Griechen mit ihrer Athene ... Naja, und einer deutschen Verkrampft- und Verbissenheit wird ja gerne die vermeintliche Leichtigkeit gerade der Franzosen oder auch mediterraner Nationen gegenübergestellt. Naja, das sind so Klischees ... Ich traue "der Nation" ohnehin nicht über den Weg und finde sie als Konzept mehr als verzichtbar. Wie auch immer es gerne aufgeladen wird. Da kann sich etwa eine Thea Dorn noch so sehr an der Nation als "einziger Garant" einer freiheitlichen Grundordnung mit mediterraner Winzerkultur besaufen. Nationalität ist und war schon immer schädlicher, als sie gut sein konnte.
Welche gemeinschaftsbeschreibenden Begriffe sind denn überhaupt noch frei von unterstellter Fremdenfeindlichkeit, Engstirnigkeit, ewig Gestrige und dergleichen mehr.
Zwar meine ich auch, dass auf den Begriff Nation verzichtet werden kann (weil es eh in den Industrieländern die Bedeutung verloren hat), aber was tritt an dessen Stelle, um folgendes auszudrücken: Abstammung, gemeinsame Sprache, Kultur, auch Religion, Wohngebiet, territoriale Grenzen oder auch nur die politische Bezeichnung als Staat.
Wie drückt sich nun aus, was die Zusammengehörigkeit beschreibt? Etwa das Bekenntnis zum GG als Ersatz für das, was ehemals als gefühltes, verbindendes vorhanden war?
Nicht nur löst sich auf, was bisher als Konstanten die Welt strukturierte, sondern auch die Begriffe, die bisher dazu dienten, das Bekannte zu formulieren, verlieren an Eindeutigkeit; wenn auch der Begriff Nation früher schon mehr als nur erklärend war, sondern auch anderen Zwecken diente.
Was bleibt also noch als Übergreifendes, das sich nicht unter der Vorgabe des Multikulturalismus auflöst? Vorgabe deshalb, weil andernfalls die Integrationsfrage auf dem Tisch liegt. Darunter ließe sich nun wiederum vieles fassen, vor allem das, was schon längst vorher die Konturen verloren hat und da beißt sich die Katze in den Schwanz.
>> Ich traue "der Nation" ohnehin nicht über den Weg und finde sie als Konzept mehr als verzichtbar.<<
Die meisten „Nationen“ sind ja untrennbar mit dem Leichengeruch des Krieges verbunden. Dachten wir vor 50 Jahren noch, es gäbe eine „jugoslawische Nation“, so ist das heute ein Gebiet mit mehreren „Nationen“.
Wobei die „Mazedonische Nation“ von „griechischen Nation“ erst anerkannt wird, seit sie bereit ist sich in „Nordmazedonien“ umzubenennen.
Ausserdem bleibt ja stets im Unklaren, was so eine „Nation“ eigentlich ist. Mit Sprachgebieten ist das jedenfalls nicht gleichzusetzen (wenn auch oft halbwegs übereinstimmend): Zum Beispiel wird die Sprachgruppe der Sorben der „deutschen Nation“ zugerechnet. Wodurch die sorbische Sprache zur unbedeutenden Sekundärsprache absank, wie das Gälische in Schottland.
Meistens wird „Nation“ mit „Staat“ gleichgesetzt. Und der hat eine Armee, sogar der Herzog von Luxemburg ist Oberbefehlshaber von 1100 Soldaten. Also: Nation = Kriegertruppe? Ja, denn das militärlose Fürstentum Liechtenstein wird wohl kaum jemand als „Nation“ bezeichnen.
Man könnte statt "Staat" auch einfach sagen: „Verwaltungsgebiet“, um den Schwulst ein bisschen rauszunehmen.
Ich will dann gern auf meiner Fernbedienung eine [-Stadiontaste-]... um Claudia Rety oder Béla Neumann einfach stumm zu schalten. Dann hätten wir uns auch die Antirussischen Platzhalter aus der ZDF-Betriebsanleitung erspart.
Schwacher Beitrag und typisch für die minderbemittelten Erzähler von den Sachen, die meinen, sie müssten eine Deutungshoheit über die Dinge erlangen, sie aber weder Ahnung noch ein Gespür für haben. Z.B. Fußball und das, was der macht ..:-)
Wer hat übrigends was dagegen, dass die Dame da im Fernsehen Frauenfußball kompetent kommentiert ?
"Im Ernst"... - Meine Statements sind oft auch nicht ganz so ernst gemeint. :-)
Tilman Krause - und die Autorin scheint daran kaum Anstoß zu nehmen - setzt "Erotisieren" mit "Verweiblichen" gleich. Das ist ja auch dermaßen patriarchal normal, dass einem das oft gar nicht auffällt. Bei Geschlechtergerechtigkeit müsste aber auch "Vermännlichung" als eine Variante von Erotisierung begriffen werden.
In einer patriarchal-heteronormativen "Leitkultur", wie wir sie hier nun mal haben, in der die heterosexuelle Männlichkeit die Normen setzt, heißt Erotisierung mittels Weiblichkeit heterosexuelle Erotisierung, mit männlichen Symbolfiguren folgerichtig homosexuelle. Und wenn man dann die weiblich sprich heterosexuell erotisierte Nationalität gegenüber der homoerotisch männlich symbolisierten für die bessere hält, wie das der "Frankreich-Kenner" T. Krause vorgeblich tut, könnte (!) dies eben einen "Hauch von Heteronormativität" bedeuten.
In dem von Jana Klein erwähnten Welt-Artikel redet der offen schwul lebende, aber nicht immer offen schwul publizierende Tilman Krause bewundernd von den "vollen Busen und roten Mündern" der französischen Mariannen-Darstellern Brigitte Bardot, Laetitia Casta usw.. Sein ästhetisches Interesse an diesen Insignien der Erotisierung korrespondiert einvernehmlich mit dem sexuellen der hetero-männlichen Majorität der Leserschaft der "Welt".
im zu-stand der nationalen RESIG-NATION
hat der bolz-platz an reiz: verloren.
doch andere spiel-felder sind wieder-zu-ent-decken!
auch die intimeren, direkteren, mit haut-zu-haut-kicks.
nun...dazu fällt mir nur diese passende Replik ein :
https://www.chefkoch.de/rezepte/1871901304171160/Gruene-Bohnen-mit-Rindfleisch-und-Tomatensauce.html
wo doch alles so schön nach dem Geschmack :-) der Schreiberin zusammengemischt wird.
:-)
"Meistens wird „Nation“ mit „Staat“ gleichgesetzt."
Tatsächlich? Ich habe eher den Eindruck, dass immer noch im Sinne des Ur-Ursprungs des Begriffs zuerst auf die Gemeinschaft derer, die innerhalb eines umrissenen Gebietes dazugehören (dürfen) und dann auf (ihre) Werte rekurriert wird. Und so ist "die Nation" eben auch nicht weit weg vom Gedanken der Fasce, dem Rutenbündel - kurz: eine starke Tendenz zum Faschismus.
"Zwar meine ich auch, dass auf den Begriff Nation verzichtet werden kann (weil es eh in den Industrieländern die Bedeutung verloren hat) [...]"
Den Klammerzusatz können wir weglassen, weil es ganz einfach ist: Es kann auf Nationen verzichtet werden.
[...] aber was tritt an dessen Stelle, um folgendes auszudrücken: Abstammung, gemeinsame Sprache, Kultur, auch Religion, Wohngebiet, territoriale Grenzen oder auch nur die politische Bezeichnung als Staat."
Abstammung: Im gesellschaftlichen Kontext unwichtig - allenfalls für historische und biologische Forschung. Immer dann, wenn sie gesellschaftlich wichtig wurde, wurde es garstig.
Sprache = Sprache
Kultur = Kultur
Religion = Religion
Wohngebiet = Wohngebiet
territoriale Grenzen = Wohngebiet, Staatsgebiet ...
Staat = Staat
Wo ist also das Problem? Wer braucht die Nation (= geburtsmäßige Abstammung, Geschlecht, Volksstamm etc.)? Leben wir doch einfach Kultur, sprechen unsere Sprache oder mehrere Sprachen, leben wir in einem Staat mit dessen Grundordnung und Regelungen oder leben wir in einem anderen Staat usw. Eine Nation zu betonen und die Reihen um eine solche schließen zu müssen, drückt eine konstitutionelle Schwäche aus. "Nation" sucht die Distinktion zum Anderen - oder was dazu erklärt wird -; sie ist ein Konstrukt zur Kompensation.
Ja ... aber es gibt schließlich auch nur heteronormative Gesellschaften. Auch die relative Emanzipation von Homosexualität, Genderforschungs-Lehrstühle, Ehe für Alle usw. in den liberalsten westlichen Gesellschaften hat das nicht geändert. Für die Mehrheit der Menschen bleibt all das auch dort unerheblich. Der Stellenwert, den die Diskurse darum und darüber einzunehmen scheinen, täuscht. Im Grunde genauso, wie patriacharlisch-rechtsnationale Shitstorms den Eindruck erzeugen, eine Mehrheit abzubilden.
Von Leuten, die allen Ernstes meinen, sich der Belebung eines so reaktionären Konzeptes wie dem der Nation zuwenden zu müssen, kann man darüber wohl kaum verlangen, dass sie die jüngsten Konzepte gesellschaftlichen Avantgardismus eindenken. Da mag es dann halt schon fresh klingen, wenn die Nation wenigstens eine vollbusige Marianne ist, als Partei und Wehrmacht.
für entwickelte national-staaten ist die nation-bildung
als eine notwendige, aber abgeschlossene e-phase:
im wesentlichen geschehene geschichte.
für geringer entwickelte, nach-koloniale staaten ist der nationalismus jenseits
der ethnischen, religiösen,tribalen blockaden
eine not-wendigkeit, vertrauen in die staats-führung,
soziales kapital zu sammeln, damit kooperation als mittel der modernisierung
möglich wird.
"nation-bildung"
Ja - Bildung und Mindesthirn für die Nation.
-> denn
ja, das volk, der große lümmel
war nicht nur volks-, sondern auch sehr eigen-tümlich,
bevor es staatlich formiert + gepresst, schließlich freudig national wurde.
egalisiert, synchronisiert, durch kriege u.a. diszipliniert,
bietet es sich in entw. gesellschaften mit -->sozial-kapital fundiert,
den herren der ökonomie/politik zur verwendung an.
ich erinnere an meinen kommentar unter "wie verhaftet man.."
"Neumanns Problem: Die Nation ist männlich, sie kann also nicht von einer Frau repräsentiert werden."
es ist noch viel schlimmer: der fußball ist weiblich (klein, wehrlos, vom patriarchat getreten) und merkel ist ein mann.
ich fand dass und wie frau neumann kommentierte ok.
Ich fand das, was miauxx kommentierte schön. In diesem Sinne gibt es wohl kaum noch nacharbeitungsbedarf :) Nein, es ist ist schon wahr, dass nicht alles glänzt und perfekt ist, aber so ist das eben in einem Staat, welcher sich immer wieder organisch umformt und hoffentlich in ferner Zukunft besser wird. Aber den Fußball sollte man nicht "feminieren". Selbst jemand, der unter Gynäkomastie leidet, fühlt sich beim jubeln mit Bier in der Hand männlich. Mann braucht diese Dinge, um die Männlichkeit auszuleben. Genau, wie Autos, Bier und Steaks.