Die neuen Machtzentren

Wirtschaft Bayer will Monsanto kaufen und gewinnt so eine dominante Stellung auf dem globalen Agrarmarkt. Damit kommen wir der globalen Konzernherrschaft einen Schritt näher
Ausgabe 38/2016
Weniger Artenvielfalt, auch auf dem globalen Agrarmarkt
Weniger Artenvielfalt, auch auf dem globalen Agrarmarkt

Foto: Patrick Stollarz/AFP/Getty Images

Nach monatelangen Verhandlungen ist es nun entschieden: Der deutsche Agrarchemie-Konzern Bayer wird den amerikanischen Gentechnik-Konzern Monsanto übernehmen. Für etwa 66 Milliarden Euro. Noch nie hat ein deutsches Unternehmen mehr für eine Übernahme bezahlt. Und vermutlich hat auch noch nie ein deutscher Konzern ein Unternehmen mit einem so schlechten Ruf gekauft.

Monsanto wird weltweit, von Indien bis in die USA, für seinen Umgang mit Landwirten kritisiert, sein Kassenschlager Nr. 1 ist das umstrittene Unkrautbekämpfungsmittel Glyphosat im Doppelpack mit gentechnisch verändertem Saatgut. Keine landwirtschaftliche Produktionsweise vernichtet mehr Artenvielfalt als dieses System, keine schafft mehr Resistenzen, keine schädigt mehr die langfristige Fruchtbarkeit des Ackerbodens. Bayer kauft sich also für viel Geld große Probleme.

Drei Megakonzerne

Doch mit der Fusion gewinnt Bayer eine marktbeherrschende Stellung auf dem globalen Agrarmarkt. Der ist ohnehin schon durch große Konzentration geprägt: Gerade einmal sechs Konzerne herrschten bislang weltweit über den Verkauf von Pestiziden und Saatgut. Nun wird Bayer Monsanto kaufen, Chem China den Konkurrenten Syngenta und die Chemie- und Agrar-Giganten Dow Chemical und Dupont schließen sich zusammen. Vor der Fusionswelle sprach man von den Big Six, nun werden es die Big Three sein.

Dabei kooperieren diese global agierenden Konzerne längt miteinander. Sie haben zum Beispiel die Maissorte Smarstax gentechnisch so manipuliert, dass sie gleich mehrere Ackergifte produziert und resistent ist gegen die Totalherbizide verschiedener Hersteller.

Diese Konzerne wiederum arbeiten an strategischen Allianzen mit Maschinenherstellern. Dabei geht es um weit mehr als Mähdrescher, sondern um Big Data, um Informationen über Millionen Hektar Land: Welche Sorte wurde ausgesät, wie ist der Boden beschaffen, wie viele Pestizide wurden in welchen Mengen eingesetzt, welche Arten, und wie oft wurde was gedüngt?

Was landet auf unseren Tellern?

Wer das alles weiß, was die Bordcomputer der Hightech-Agrarmaschinen auf den Feldern dieser Welt zusammentragen, der kann mit diesem Wissen trefflich die Getreidepreise an den Börsen dieser Welt hoch und runter hüpfen lassen. Beinahe unbemerkt von einer Öffentlichkeit, die sich – zu Recht – vor Chlorhühnchen und Genmais fürchtet, entwickeln sich neue Machtzentren, gegen die die politische Macht einzelner Staaten mickrig sein wird.

Wenn der neue Doppelkonzern BayerMonsanto ein Viertel der weltweit eingesetzten Pestizide verkauft und knapp ein Drittel des Saatgutes, hat er dadurch größten Einfluß auf die Frage, was auf unseren Tellern landet und was nicht. Das hat wenig mit freier Marktwirtschaft zu tun und gar nichts mit Ernährungssouveränität und dem Kampf gegen den Hunger.

Der Australier Max Barry hat eine Reihe von Romanen geschrieben, die in einer finsteren Welt spielen, in der multinationale Konzerne die Macht übernommen haben. Mit der Fusion von Bayer und Monsanto ist diese globale Konzernherrschaft einen Schritt näher gerückt. Bei Max Barry sind aus den Bürgern entmündigte Konsumenten geworden, die nur noch die Wahl zwischen zwei Konsum-Konglomeraten haben, zwischen zwei Fastfood-Restaurants, zwei Sportschuhproduzenten, zwei IT-Konzernen. Es ist das Ende der Freiheit. Den Landwirten weltweit droht eine ähnliche Situation. Und damit langfristig auch uns allen.

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