Die Nichtliebe zu viert

Was läuft „Nola Darling“ gilt als erster Film des New Black Cinema. Nun hat aus Spike Lee aus seinem Film eine Serie gemacht. Spoiler-Anteil: 9 Prozent
Ausgabe 02/2018

Spike Lees She’s gotta have it, auch als Nola Darling bekannt, gilt als erster Film des New Black Cinema. Von Mitte der achtziger bis in die frühen neunziger Jahre drehten Regisseure wie Lee, Mario Van Peebles und John Singleton Independent-Filme, die soziale Verhältnisse und historische Ereignisse aus afroamerikanischer Perspektive zeigten. Auch mehr als 30 Jahre später und als Serie orientiert sich Nola Darling an diesem Anspruch.

In zehn Episoden geht es jetzt aber nicht mehr nur darum, dass es sich eine junge, attraktive Brooklynerin herausnimmt, drei Männer gleichzeitig zu treffen. Von Gentrifizierung, Armut, Schönheitsnormen, Alltagssexismus, Queerness bis Rassismus reichen die Themen, an denen Lee seine Hauptfigur Nola sich abarbeiten lässt.

Wie der Film beginnt die Serie damit, dass Nola erklären möchte, warum sie sich ihre Freiheiten nimmt. Frontal in die Kamera, was damals nur ein stilistisches Mittel war, heute aber an die Selbstdarstellung auf Youtube erinnert. Der Serie ist das gleichzeitig Stärke und Schwäche. Stärke, weil es der Hauptfigur den Platz gibt, der ihr gehört, und weil es genauso zeitgemäß ist wie eingeblendete Textnachrichten. Schwäche, weil nicht alles, was Nola referiert, irgendwie tief, bemerkenswert oder spannend ist. Vielleicht ist das in der Youtube-Zeit aber nur realistisch.

Trotz neuer Themenvielfalt bleibt Nolas amouröses Arrangement zentral. Was einst noch außergewöhnlich war, steckt mittlerweile in der Schublade „polyamor“ und führt kaum noch zu Konflikten zwischen den Beteiligten. In der Achtziger-Jahre-Variante gab es kontinuierlich Vorwürfe und Forderungen zwischen Nola und ihren Liebhabern, dem jungenhaften Mars Blackmon, dem fürsorglichen Jamie Overstreet und dem narzisstischen Greer Childs. Das ging so weit, dass Jamie den Weg einiger „echt netter“ Männer geht, die nicht die Aufmerksamkeit, Zuneigung oder sexuellen Gefälligkeiten bekommen, die sie als Gegenleistung für ihr Verhalten erwarten: Er vergewaltigt Nola. In der 2017er-Fassung wird hier und da ein wenig geschmollt, Nola halbspaßig als Freak oder sexsüchtig abgetan (was sie mit einem Augenrollen pariert), ansonsten werden eher ihre Regeln bemängelt und nicht so sehr die Konstellation.

Was Regeln angeht, ist Nola gründlich. „Polyamor“ lässt sich ihr Beziehungsverhalten vielleicht gar nicht so einfach nennen, denn „keine Gefühle“ steht bei den Bedingungen ganz weit oben – auch wenn das so viel nutzt wie die Aufforderung „Bitte nicht schwitzen“.

Zumindest offiziell geht es also nicht um Liebe, sondern ums Vergnügen, um den Moment. Weitere Regeln: Sex gibt’s nur in Nolas Bett, Besitzansprüche hat niemand. Nur wer sich an Nolas Vorgaben hält, darf Zeit mit ihr verbringen. Eine Selbstverständlichkeit oder werden hier willkürliche Prinzipien vor individuelle Bedürfnisse geschoben? Grundsätze hat jede Beziehung, aber ist „Ich werde Dich nicht lieben“ gleichwertig mit „Sei kein Axtmörder“? Andererseits: Wer sagt, dass Regeln nicht nachverhandelt werden können?

Dennoch bleibt der Verdacht, dass Nolas Prinzipien vor allem dem Wunsch nach eigener Verantwortungslosigkeit und Bequemlichkeit entspringen und weniger dem nach Fairness und Sicherheit für alle. „Du wusstest das vorher“, ist schließlich leicht gesagt. Schon ihr Mantra, dass der Moment zählt, den sie gerade mit einem der drei verbringt, wird nicht immer berücksichtigt. So liegt sie auch mal mit einem der Männer im Bett und nimmt parallel den Anruf eines anderen entgegen. Oder lädt alle drei gleichzeitig ein, ohne sich vorher abzustimmen.

Nicht nur die Einordnung der Beziehung, auch die Männer sind 2017 anders als 1986. In Film kommen alle drei schlecht weg: Mars ist unreif, Jamie bei näherem Kennenlernen aggressiv und Greer ein Chauvinist, der nur mit gut aussehenden Frauen spricht. Keiner der drei ist wirklich ernst zu nehmen, was zu einem Widerspruch zwischen Nola als reflektierter, selbstbewusster Frau und ihrer Partnerwahl führt.

In der Serie ist dieser Widerspruch abgeschwächt: Greer ist nicht nur narzisstisch, sondern entpuppt sich als überraschend gebildet und selbstironisch. Jamie wiederum möchte zwar Nola für sich, findet sich dann aber doch mit der Realität ab. Nur Mars ist der alte, bemerkenswerterweise sogar modisch. Immerhin hat Lee mit mittlerweile 60 Jahren darauf verzichtet, die Rolle noch mal selber zu spielen.

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