Die Ölindustrie will klimaneutral werden

Energiewende Die Versuche der Branche, nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, wirken verzweifelt
Ausgabe 30/2020
So schön grün, der CO2-Produzent
So schön grün, der CO2-Produzent

Foto: Scott Halleran/Getty Images

Für die Ölindustrie gibt es ein Existenzproblem: Die Europäische Union möchte in Zukunft klimaneutral sein. Naturgemäß kann ein Industriezweig, der sein Geld mit klimaschädlichem Öl verdient, kein Teil dieser Zukunft sein. Nein, in dieser Zukunft sollen Fahrzeuge mit Elektroantrieb statt Verbrennungsmotor die Straßen dominieren, in dieser Zukunft soll man nicht mehr zur Tankstelle rechts rausfahren, sondern zur Ladesäule.

Zugegeben, es ist äußerst fraglich, ob sowohl die Autobauer als auch das Verkehrsnetz bis zum Jahr 2050 so weit sein werden – dem Jahr, zu dem die EU ihre Klimaneutralität anstrebt. Aber wie lange es auch dauern wird, die Ölindustrie darf berechtigte Sorgen haben, dass sie in diesem Szenario nicht mehr vorgesehen ist.

Deswegen verkündete sie nun kühn: Wir können bis zum Jahr 2050 selbst klimaneutral sein, ha! Wie zur Hölle sie das anstellen will? Mit neuen wundersamen CO2-armen Kraftstoffen. Vorgestellt haben das vergangene Woche der deutsche Mineralölwirtschaftsverband MWV und der europäische Dachverband Fuels Europe. Letzterer vertritt Mitglieder wie BP, Shell und Total, alle drei standen schon mit Umweltverschmutzungen durch Lecks an ihren Ölplattformen in den Schlagzeilen. Ihr neues Image bebildern sie nun mit Bananenschalen, Pusteblumen und Blüten im Gegenlicht. Diese Fotos sollen zeigen, woraus der Sprit von morgen gemacht wird: aus Agrar- und Forstabfällen, Produktionsrückständen, Algen und hydrierten Pflanzenölen. Später sollen die sogenannten E-Treibstoffe hinzukommen. Das ist jetzt etwas verwirrend, denn das „E“ steht in diesem Fall nicht für „Elektro“, sondern für „erneuerbar“, im Sinne von erneuerbare Energien. Die sollen nach dem Willen der Ölindustrie nicht direkt ins Auto eingespeist werden, sondern einen recht aufwendigen Umweg gehen: Mit ihrer Hilfe soll Wasserstoff gewonnen werden, sowohl grüner aus Elektrolyse als auch blauer aus Erdgas. Unter Einsatz von CO2 – das idealerweise aus der Luft stammt – soll aus dem Wasserstoff dann der Treibstoff erzeugt werden. Alles etwas kompliziert, deswegen hat Fuels Europe die E-Treibstoffe bei seiner Collage mit den Bananenschalen und Blümchen auch lieber weggelassen.

Genauso wie das CCS-Verfahren, die Einlagerung von CO2 unter der Erde, mit der die Ölindustrie alle übrig bleibenden Emissionen elegant unter den Teppich kehren möchte. Das ist aus sehr vielen Gründen bedenklich – noch nicht genug erforscht, gefährlich, Platzprobleme –, aber im Sinne der Emissionsreduktion sticht vor allem ein Gegenargument heraus: Es ist unfassbar energieaufwendig. Das Umweltbundesamt schreibt: „Der Einsatz der CCS-Technik erhöht den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent.“ Und irgendwie ging es doch darum, diesen Verbrauch jetzt zu reduzieren, oder?

Die Ölindustrie sieht aber nun darin ihren Weg in die Zukunft. Denn die flüssigen Kraftstoffe könnte sie einfach gegen das Öl eintauschen. Fuels-Europe-Generaldirektor John Cooper sagt, er sei ganz überrascht gewesen, wie viel von einer konventionellen Raffinerie sich auch für die Herstellung der neuen Kraftstoffe eigne. Gut, bis zu 650 Milliarden Euro werde die Umstellung dann schon noch kosten.

Zugegeben, viel Geld, deswegen soll die Politik nun helfen. Jetzt wo die Raffinerien das Öl nicht mehr haben wollen, soll sie zum Beispiel die CO2-Preise dafür hochschrauben, damit dann alle die schönen neuen Kraftstoffe haben wollen.

Nun ja, der Versuch der Ölindustrie, nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, wirkt ein wenig verzweifelt. Und teuer. Und noch dazu umständlich. Oder, wie das Umweltministerium gegenüber dem Handelsblatt kurz und knapp urteilt: „nicht sinnvoll“.

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