Die ollen Oppositionellen

SPD Da muss sich die Partei nicht wundern: Wer den Wählern nichts Neues bietet, kriegt auch keine Stimmen
Ausgabe 12/2015
Immer vorne mit dabei - Wahlen hin oder her: Sigmar Gabriel (links) und Peer Steinbrück (rechs)
Immer vorne mit dabei - Wahlen hin oder her: Sigmar Gabriel (links) und Peer Steinbrück (rechs)

Foto: Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Nach jeder Landtagswahl wird über die geringe Wahlbeteiligung gejammert. Aber da jede Landtagswahl immerhin auch ein Ergebnis gebracht hat, ist es dann doch wichtiger, über das Ergebnis zu raisonnieren. Also darf jetzt mit genügendem Abstand zur letzten Wahl das Thema Wahlbeteiligung traktiert sein.

Warum gehen seit geraumer Zeit immer weniger Leute zum Wählen? Der Antwort auf diese Frage kommt man etwas näher, wenn man konstatiert, dass die Nichtwähler – zumindest bei Bundestagswahlen – keineswegs aus allen politischen Lagern in annähernd gleicher Zahl kommen. Über den Daumen gepeilt kann man sagen, sie kommen öfter aus dem Oppositionslager als aus dem Lager der Regierungsparteien. In Hamburg wirkte sich das zuletzt katastrophal für die CDU aus. Im Bund litt 2013 die SPD darunter, und für 2017 sieht es nicht besser aus, was derzeit schon zu Diskussionen um den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geführt hat. Den Grünen geht es kaum besser. Sie stehen zwar stabil da, aber nicht so, als könnten sie der SPD helfen.

Das liegt daran, dass sie den Wählern kaum etwas Neues bieten. In der SPD hat das Tradition. Die Wähler können machen, was sie wollen. Sie haben bei Landtagswahlen Ministerpräsidenten wie Hans Eichel, Reinhard Klimmt, Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück abgewählt und – schwupp – saßen die wieder in Berlin in der Regierung. Steinmeier war schon einmal Außenminister, wollte Kanzler werden, wurde nicht gewählt, und trotz eines niederschmetternden Ergebnisses wurde er vier Jahre später wieder Minister. Wer nun 2017 ums Verplatzen nicht Merkel wählen will, was soll der anderes tun, als auf das Wählen zu verzichten. Linkspartei? AfD?

Bei den Grünen ist es kaum besser. Bärbel Höhn war zehn Jahre lang in Nordrhein-Westfalen Ministerin. Dann wurde die Regierung, der sie angehörte, abgewählt. Und – schwupp – saß sie wenig später im Bundestag, da sitzt sie jetzt auch schon wieder seit zehn Jahren. Und das als Mitglied einer Partei, die einst gegründet worden war, um diesen Politikertypus unmöglich zu machen. Indes, bei den Grünen drängeln sich heute die Berufspolitiker: Volker Beck, Renate Künast, Claudia Roth und so weiter und so fort.

Bei der Union ist das ganz anders. Wenn da ein Regierender abgewählt wird, hat er zu verschwinden. Und er kehret nimmer wieder. Die einzige Ausnahme war bisher der Berliner Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen. Der Niedersachse David McAllister verlor, er wurde nach Europa (ins Straßburger Parlament) entsorgt und kam nicht in Merkels Kabinett. Bei der Union reicht sogar ein schlechtes Wahlergebnis, um einen Ministerpräsidenten abzulösen, auch wenn die Regierungsführung erhalten bleibt: so geschehen mit Edmund Stoiber in Bayern, mit Günther Öttinger in Baden-Württemberg und mit Georg Milbradt in Sachsen. Der Machtverlust drohte.

Die Union will Siegertypen an der Spitze. Bei SPD und Grünen reicht es, wenn dort verdiente Leute stehen, denen es man eben nicht antun mag, sie in der Versenkung verschwinden zu lassen. Zumal die SPD gleicht in dieser Hinsicht einem Konzern, in dem ein begabter Mensch Karriere machen kann. Gelingt ihm dies über längere Zeit unfallfrei, wird er ganz nach oben aufsteigen. Ist er dort angelangt, kann ihm nichts mehr passieren, auch wenn ihm das Pech an den Füßen klebt. So war es mit Erich Ollenhauer, bis der als Kanzlerkandidat von Willy Brandt abgelöst wurde. Und selbst der brauchte lange, bis er Kanzler wurde, weil erfolgreiche Amtsinhaber in Deutschland nun mal nicht abgewählt werden.

Aber was waren das für Wahlbeteiligungen in den Jahren, in denen unverbrauchte Herausforderer alten Kanzlern gegenüberstanden. Wer wählen soll, muss auch was zum Wählen haben.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

der Freitag digital zum Vorteilspreis

6 Monate mit 25% Rabatt lesen

Der Freitag im Oster-Abo Schenken Sie mutigen Qualitätsjournalismus!

Print

Entdecken Sie unsere Osterangebote für die Printzeitung mit Wunschprämie.

Jetzt sichern

Digital

Schenken Sie einen unserer Geschenkgutscheine für ein Digital-Abo.

Jetzt sichern

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden