Die rätselhafte Sache der Macht

Fresszelle Kritik der postmodernen Nietzsche-Lektüre oder: Dürfen wir Nietzsche nur noch unschuldig lesen?
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Leider sind die Debatten um Nietzsches Philosophie nach wie vor von einer unfruchtbaren Frontstellung bestimmt. Auf der einen Seite eine Verharmlosung, die der italienische Hegel-Forscher Domenico Losurdo in seiner intellektuellen Nietzsche-Biographie Nietzsche, il ribelle aristocratico (2002) als "Hermeneutik der Unschuld" bezeichnet hat, das heißt eine Lektüre, die auch die explizitesten Stellungnahmen Nietzsches, von der Unterstützung der Sklaverei bis zur Vernichtung der Schwachen und Degenerierten, nur als tiefsinnige Metaphern und Allegorien verstehen will. Auf der anderen Seite ein von Lukács repräsentiertes Paradigma, das Nietzsche als unmittelbaren geistigen Vorläufer des NS-Staats behandelt.

Eine solche Linearisierung ist eine "historische Verzerrung"