Die Regenschirme der Emanzipation

Kino In "Das Schmuckstück" setzt François Ozon die Deneuve einmal mehr gewaltig in Szene. Gewisse Zotigkeiten fängt die historisch sichere Distanz der 70er auf

Potiche ist im Französischen die Bezeichnung für eine rundbauchige Porzellanvase. In abfälliger Weise wird der Begriff für eine Frau benutzt, die für ihren Mann als Dekorationsobjekt herhalten muss. Es gibt aber noch eine dritte, weniger gebräuchliche Bedeutung, die auf nur wenige Schauspielerinnen so zutrifft wie auf Catherine Deneuve: Gallionsfigur.

In François Ozons Film Das Schmuckstück (im Original Potiche) füllt sie den Begriff in allen seinen Nuancen mit Leben. Die Deneuve wird ja auch als Grande Dame des französischen Kinos gefeiert, weil sie noch jede Phase ihrer Karriere mit Fassung ertrug. Von Buñuel erniedrigt, von Polans­ki gequält, hat sie den Nimbus ewiger Jugendlichkeit in all den Jahren tapfer weggelächelt. In Das Schmuckstück hat sie ihren ersten Auftritt im ostentativ roten Trainingsanzug, den die Grande Dame mit sichtlichem Stolz ausfüllt.

Tatsächlich allerdings hat das Schmuckstück Suzanne Pujol (Deneuve) nichts zu melden. Ihr Mann (Fabrice Luchini) führt das Regiment – über seine Frau und die Regenschirmfabrik ihres Vaters. Es ist 1977, und die Frauenbewegung der siebziger Jahre ist spurlos am französischen Bürgertum vorbeigezogen.

In Frankreich neigt man dazu, die Stars in den Rang von Nationalheiligtümern zu heben, was noch viel mit dem Selbstverständnis als Kulturnation zu tun hat. Und mitunter etwas unerträglich Gefälliges produziert, wie Ozon selbst vor einigen Jahren mit 8 Frauen vorführte. Auch hier spielte die Deneuve die Hauptrolle; um sie herum scharwenzelten die begehrtesten französischen Schauspielerinnen aus fünf Jahrzehnten.

Burlesker Ton

In Das Schmuckstück steht ihr mit Gérard Depardieu ein anderer Grande des französischen Kinos zur Seite – und irgendwie scheint sich Geschichte zu wiederholen. Die Deneuve schlüpft ein weiteres Mal in die Rolle der braven Bürgertochter, Depardieu gibt wie üblich die Rampensau. Er spielt den kommunistischen Gewerkschaftsführer Babin, der sich mit Madame Pujol gemeinmacht, um den Betrieb des kränkelnden Gatten in ein sozialistisches Arbeiterparadies zu verwandeln.

Das alles erinnert (nicht nur wegen der Deneuve und der Regenschirme) an ­Jacques Demy, den vielleicht letzten Regisseur, der das klassische Musical mit großer Ernsthaftigkeit behandelt hat. Demy linderte den Schmerz zweier Liebender einfach, indem er ihre Abschiedsworte in eine todtraurige Melodie hüllte (Die Regenschirme von Cherbourg). Seine streikenden Arbeiter schickte er mit einer beschwingten Choreografie auf die Barrikaden (Ein Zimmer in der Stadt).

Ozon neigt dagegen eher zum Groben, weshalb er den burlesken Ton von 8 Frauen hier noch einmal verschärft. Catherine Deneuves Gesangseinlage in Das Schmuckstück erinnert ans hiesige Boulevardtheater, und ihre Discoszene mit Depardieu (1977 war schließlich auch das Jahr von Saturday Night Fever) ist reine Parodie.

Erstaunlicherweise kann man dem Charme, mit dem die Deneuve die Rolle der frustrierten Hausfrau zwischen Selbstdemontage und Hommage auslegt, nicht widerstehen. Die historisch sichere Distanz der siebziger Jahre lässt dem Film gewisse Zotigkeiten durchgehen. Ozon macht es einem also nicht leicht. Das Schmuckstück sucht im französischen Kino nach Referenzgrößen, schlägt aber einen dezidiert volkstümlicheren Ton als die Vorbilder an. Die Literaturwissenschaften haben dafür einen Begriff, der in seiner unterschwelligen Frivolität Das Schmuckstück treffend beschreibt: Travestie.

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