Die Schale ist nicht das Übelste

Kulturkommentar Der Siegerentwurf für das Einheitsdenkmal tut keinem weh. Irritierender ist, dass er wieder einmal von Architekten kommt und nicht von einem Künstler

Es hätte schlimmer kommen können mit dem so genannten Freiheits- und Einheitsdenkmal auf dem Berliner Schlossplatz. Es hätte eine Kranzabwurfstelle werden können, wie sie der Künstler Stephan Balkenhol mit seinem immer gleichen überlebensgroßen Männchen geplant hatte. Es ist eine goldene Waagschale geworden, die sich dann bewegt, wenn sich mehr als fünfzig Menschen einigen, gemeinsam auf eine Seite des Denkmals zu gehen. Das tut keinem weh, das macht wahrscheinlich sogar Spaß. Da will man gern mal drin gestanden und sich geeinigt haben. Als Kulturstaatsminister Bernd Neumann vergangene Woche den Siegerentwurf für das Denkmal der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft Milla Partner und der Choreografin Sasha Waltz vorstellte, gab es die nicht sehr einfallsreichen Witzeleien über eine goldene Salatschüssel, die üblichen eingeschnappten Kommentare aus der Opposition und das Kommentarplätze füllende Genörgel über Geldverschwendung für ein Denkmal, wo doch Kindergärten so viel wichtiger sind.

Alles normal, alles vorhersehbar. Es wäre erst dann verwunderlich gewesen, wenn es sowohl die einen wie auch die anderen Äußerungen nicht gegeben hätte. Wirklich überraschend ist dagegen, dass kein bildender Künstler, sondern wieder Architekten den Siegerentwurf lieferten. Man muss das den Künstlern nicht vorwerfen, die Kunst ist schließlich frei. Doch wenn diese Freiheit bedeutet, keine überzeugenden Ideen für die Gestaltung des öffentlichen Raumes mehr zu produzieren, kann man das durchaus als Verlust beklagen. Auch deshalb wird nun eine 55 Meter lange, begehbare, bewegliche Schale gebaut, auf deren Innenseite zentrale Sätze der Revolution von 1989 zu lesen sein werden und auf deren goldener Außenseite Fotos zum Thema aufgedruckt sind. Wenn man sich erinnert, dass im ersten, freien Wettbewerb Bananen, Kerzen, beziehungslose Abstraktionen und Schlümpfe vorgeschlagen wurden, ist dieser Spielplatz-Entwurf geradezu schlüssig und vielschichtig. Vor allem ist er zeitgemäß, denn es wird ein Mitmach-Denkmal entstehen, wie es auch das Holocaust-Mahnmal geworden ist. Denn öffentliches Gedenken heißt heute, sich in eine Stimmung versetzen zu lassen, die ein Gefühl für die historischen Ereignisse vermittelt. Ob es den Eindruck fehlender Bodenhaftung im Berliner Jüdischen Museum und seinem „Garten des Exils“ ist, ob es die Enge des Stelenfeldes des Holocaust-Mahnmals oder die Ge­denkstätten an historischen Orten mit Gruselfaktor sind – immer geht es mehr um das aktiv erlebte Nach-Fühlen, als um ein passives Gedenken, für das ein Reiterstandbild oder eine aufmarschkompatible Verneigungsstelle reichten.

Diese neuen Anforderungen kann man mögen oder nicht, fraglos aber ist, dass ein einziges Bild, eine einzige Skulptur in unserer bildergesättigten Zeit zu wenig sind, um all das auszudrücken, was heute von einem Denkmal erwartet wird. Deshalb musste dieser Entwurf, der Aktion, Emotion, Wörter und Bilder vereinigt, gewinnen. Aber auch über ihn wird es weiter Streit geben. Denn noch ist nicht klar, welche Sätze neben „Wir sind das Volk“ und „Wir sind ein Volk“ im Schaleninneren geschrieben stehen werden. Sätze aus Reden der Bürgerrechtler eignen sich jedenfalls nicht, denn während das Volk seinen Staat so schnell wie möglich hinter sich lassen wollte, setzten viele Bürgerrechtler auf eine reformierte DDR. Das Eröffnungsschaukeln ist für Oktober 2013 geplant.

Uta Baier schreibt im Freitag über Kunst

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