Die seltsame Frau Klöckner

CDU-Wahlkampf Wer Ministerpräsidentin werden will, kann nicht sagen: Merkel ist prima – aber Seehofer auch. Julia Klöckner wird ihre Illoyalität teuer bezahlen
Ausgabe 10/2016
Mit Merkel und Seehofer: Geht beides? Eher nicht
Mit Merkel und Seehofer: Geht beides? Eher nicht

Foto: Thomas Kienzle/AFP/Getty Images

Was einst bei Helmut Schmidt Kanzlerbonus hieß – auszuspielen gegen den Parteimalus der SPD – oder Kanzlermalus beim frühen Helmut Kohl – auszuspielen gegen den Parteibonus der CDU –, kehrt nun wieder in der Verkündung eines „Umbruchs in der politischen Landschaft: Spitzenkandidaten bekommen überragende Bedeutung, die Bindung der Wähler an Parteien löst sich auf“. Verkündet hat den Umbruch die Süddeutsche Zeitung auf Seite 1.

Dazu ist zu sagen: Vor drei Monaten, ja vor drei Wochen noch hätte jedermann hohe Wetten darauf abgeschlossen, dass in Rheinland-Pfalz die CDU bei den Landtagswahlen am 13. März weit vorn liegt und Julia Klöckner Ministerpräsidentin wird. Ebenso, dass die CDU in Baden-Württemberg stärkste Partei bleibt und Guido Wolf den beliebten Winfried Kretschmann von den Grünen als Regierungschef ablösen wird. Jetzt, wenige Tage vor der Wahl, gilt das eine als höchst unwahrscheinlich, das andere schon als nahezu unmöglich.

Was ist passiert? Ein Umbruch in der politischen Landschaft? Papperlapapp! Passiert ist ein Fall von Nervenversagen wichtiger Akteure auf den letzten Metern vor dem Ziel. Seit einem halben Jahr beherrscht das Flüchtlingsthema die Innenpolitik, wird die CDU wegen des Kurses der Kanzlerin mit Tatarenmeldungen über ihren inneren Zustand überzogen. An den Aussichten für Mainz und Stuttgart änderte das so wenig wie die Prognosen über den Aufstieg der AfD. Aber dann gingen Wolf und Klöckner auf Distanz zu Angela Merkel. Das war so kurz vor den Wahlen falsch. Es war – so spät – nicht glaubwürdig. Und wer es glaubte, der konnte darin leicht einen Fall von Illoyalität sehen. Das fiel bei Wolf kaum ins Gewicht, der hatte sich längst als Fehlbesetzung herausgestellt. Bei Klöckner war es ernst und ihre Kontrahentin Malu Dreyer von der SPD bohrte genüsslich in der Wunde: hier Freundin der Kanzlerin, dort Arm in Arm mit Horst Seehofer. Da könnte sich die überaus ehrgeizige Kandidatin verkalkuliert haben. Gewiss, wer es zur Weinkönigin gebracht hat, muss sagen können: Der Riesling ist sehr gut, aber der Grauburgunder ist auch sehr gut. Wer Ministerpräsidentin werden will, kann aber nicht sagen: Merkel ist prima, aber Seehofer ist auch prima.

Die CDU hat wegen der Flüchtlingspolitik schwere Zeiten zu überstehen. Sicherlich hat die Kanzlerin bei ihren Wählern an Zustimmung verloren. Das heißt aber nicht, dass es denen egal ist, wie man mit der Kanzlerin umgeht. Mal sehen, was Sonntag die Wähler dazu sagen.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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