Die Telekom und das große Fressen

Die Flaute ist nur ein Zwischenspiel Die Giganten freuen sich auf den Verzehr der Player aus dem zweiten und dritten Glied

Wenn die Telekom-Aktie derzeit fast um drei Viertel unter ihrem Höchststand vom März 2000 liegt und die Rage der Aktionäre kaum zu zügeln ist, dann erlauben diese Krisenindikatoren nur eine Schlussfolgerung: Alle Telekom-Konzerne sehen sich vor die strategische Frage gestellt, worin besteht eigentlich unser Kerngeschäft: Sind es Internet-Portale und -Applikationen, Datenübertragungen, Kundendienste? Inzwischen ist die Antwort ziemlich einfach: Die Telekom-Konzerne Europas sind gut in Sprachübertragung, verstehen aber wenig vom Internet. Hier kommen die US-Giganten wie AOL/Time-Warner und Yahoo ins Spiel, die letztlich auch die geschlossenen Systeme von T-Online oder France Telecoms Wanadoo knacken wollen.

Zwar sind alle großen Telekom-Player in Europa - France Telecom, Vodafone, Deutsche Telekom, British Telecom, Telecom Italia, KPN - hoch verschuldet und mit fallenden Börsenkursen malträtiert, doch auch die Konkurrenten aus der zweiten Reihe, die noch vor kurzem die Ex-Monopolisten entthronen wollten, bekommen kein frisches Geld mehr. Sie reduzieren ihre Dienstleistungen und können nur hoffen, aufgekauft zu werden. Die Konsequenz: Das gerade deregulierte Geschäft mit der Telekom- und Internet-Infrastruktur wird künftig von wenigen Unternehmen kontrolliert, die das große Fressen als Sieger überleben: Deutsche Telekom, France Telecom und Vodafone. Die drei haben 2000 zusammen bereits eine halbe Billion Dollar ausgegeben, um andere Firmen zu kaufen - Vodafone unter anderem Mannesmann, France Telecom den britischen Mobilfunkbetreiber Orange und die Mehrheit von E-plus. Die Deutsche Telekom fand am US-Mobilfunkbetreiber Voicestream, dem Internet-Dienstleister Ya.com (Spanien) und Club-Internet (Frankreich) Gefallen. Jetzt sind zeitweilig Konsolidierung und Refinanzierung der Schulden angesagt, dann aber könnten bald nächste Akquisitionen erfolgen, wenn einige Player aus dem zweiten und dritten Glied Konkurs anmelden und deren Infrastruktur und Kundenbasis zum Schnäppchenpreis zu haben sind. Telekom-Chef Ron Sommer: "Die Preise sinken, weil viele Firmen zum Verkauf stehen und wenig Käufer da sind."

Wem öffnet sich der Zugang zu frischem Kapital? Die Antwort markiert den Unterschied zwischen Telekom-Giganten und Nachzüglern. Beispiel France Telecom: Im Februar bot sie Aktien ihrer Mobilfunk-Tochter Orange wie Sauerbier an und konnte statt erhoffter 40 Milliarden nur 14 Milliarden Dollar erlösen. Anschließend jedoch legte der Konzern eine Anleihe auf und konnte problemlos noch einmal 14 Milliarden Dollar einsammeln. Andere Telekom-Player bekommen hingegen überhaupt kein Geld mehr vom Kapitalmarkt. Die US-Firma FirstMark - mit Henry Kissinger und Microsoft-Mitbegründer Nathan Myrvold im Aufsichtsrat - posaunte noch vor einem Jahr ihre Absicht aus, ganz Europa mit Glasfasern für den Hochgeschwindigkeits-Datenverkehr zu beglücken. Die Aktienemission brachte eine Milliarde Dollar. Jetzt hat sich FirstMark aus Großbritannien und Italien ganz zurückgezogen, und die Aktien sind im Keller. Doch auch einstige Monopolisten schweben in Gefahr, vor allem die holländische KPN, die auch einen Anteil an Viag Interkom besitzt, oder die finnische Sonera, die zusammen mit der spanischen Telefonica eine UMTS-Lizenz für den deutschen Markt erworben hat. KPN hat acht Milliarden Dollar für UMTS-Lizenzen ausgegeben, derzeit geht der gesamte freie Cash-flow in den Schuldendienst.

Dennoch ist die Lage in Europa gerade bei den Telekom-Giganten besser als in den USA, hatten sie doch im Prozess der Deregulierung genug Zeit, die Kontrolle der sogenannten "letzten Meile", also der Hausanschlüsse, zum Aufbau dominierender Internet-Provider - T-Online in Deutschland, Wanadoo in Frankreich - zu nutzen. Und allein das zählt.

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