Was Armin Köhli sich einmal in den Kopf gesetzt hat, das bringt er auch zu Ende. So stand der Schweizer am 17. Januar im zarten Dunst der ägyptischen Morgendämmerung vor den weltberühmten Pyramiden und wartete auf das Startsignal. Mit seinem Moutainbike wollte er Afrika durchqueren, von Norden nach Süden, von Kairo bis hinunter ans Kap der Guten Hoffnung. Mehr als 11.000 Kilometer lagen vor ihm und den 27 anderen Fahrern und Fahrerinnen der Tour d´Afrique, dem längsten Radrennen der Welt.
"Ich bin ein sehr sturer Mensch", sagt Armin Köhli über sich selbst. Vier Monate lang quälte er sich durch Wüste, Steppe, Dschungel und tropischen Regen. Wie könnte man bei dieser wahnwitzigen Leistung ahnen, dass Armin Köhli schwer gehbehind
gehbehindert ist? Auch zuhause, im gemütlichen Bauernhaus nahe Zürich, steigt er die Holztreppe hinauf in den ersten Stock mühelos. Dass der verschmitzt lächelnde Mann mit dem Wuschelkopf an seinen Beinen Prothesen trägt, merkt man erst, wenn er die Hosenbeine hoch krempelt.Als Jugendlicher wurde er von einem Zug erfasst. Es war in den Ferien in Italien. Seine letzte Erinnerung, bevor er im Krankenhaus wieder zu sich kam, war, dass er an einem Gleis entlang spazierte. Erst die Ärzte erzählten ihm von dem vorbeirasenden Zug. Armin Köhli, damals 15-jähiger Gymnasiast, verlor beide Unterschenkel.Für den heute 38-jährigen ist der Unfall Schnee von gestern, er hat sich mit seiner Behinderung arrangiert. Als Auslandsredakteur der Zürcher Wochenzeitung ist er viel gereist, auch in arabische und afrikanische Länder. Vor neun Jahren ergriff ihn dann die Leidenschaft fürs Radfahren. "Da habe ich mir ein altes Fahrrad für 100 Franken besorgt und bin losgefahren." Bald fuhr er bei Rennen für Behinderte und Nichtbehinderte mit, die ersten Erfolgserlebnisse motivierten ihn zu immer größeren Strecken - bis zu 600 Kilometer nonstop. Er wurde zweimal Schweizer Meister der Behinderten und schaffte bei den Paralympics 2000 in Sydney den fünften Platz.Ein Leben ohne Radfahren kann Armin Köhli sich heute nicht mehr vorstellen. "Dieser Sport tut mir nicht nur körperlich gut, sondern macht mich ausgeglichener und lehrt mich Selbstdisziplin." Fast täglich schwingt er sich aufs Mountainbike oder Rennrad, oft radelt er eine Stunde nach Zürich in die Redaktion. Das Rennen durch Afrika war seine bislang größte sportliche Herausforderung.Die Tage beginnen früh bei der Tour d´Afrique, noch vor Sonnenaufgang. Frühstück gibt es um halb sieben. Dann bauen alle ihre Zelte ab und stellen ihr Gepäck vor den Lastwagen, der die Tour begleitet. Mit Sonnencreme einreiben, Bananen ins Trikot stecken, Kartoffelchips sind auch sehr beliebt - sie sind kalorienreich und gut gesalzen. Um elf Uhr ist es 40 Grad heiß. Die Piste des Trans East African Highway ist in lausigem Zustand. Dazu kommen Fliegen, die um Augen, Mund und Nase kreisen. Spätestens um neun Uhr Abends sind alle im Bett - und freuen sich auf die Pausentage.Neben der höllischen Hitze sind die miserablen Straßenverhältnisse der ärgste Feind. Das Geruckel auf den holprigen Pisten geht in Hände und Rücken. Immer wieder müssen die Fahrer entscheiden: knallhartes "Wellblech" oder bremsender Sand? "Und dann rast man über Stock und Stein einen Hügel hinunter und weiß genau: unten in der Senke kommt eine Sandgrube, die bremst dich abrupt auf fast Null ab", erinnert sich Armin Köhli. In Äthiopien führt die Strecke bis auf 3.100 Meter über dem Meer. Auf den zwei Königsetappen geht es, mitunter extrem steil, ständig hoch und runter, die Fahrer legen an einem Tag mehr als 2.000 Höhenmeter zurück. Einmal saust Köhli mit 83 Stundenkilometern einen Berg hinunter.Entgegen seinen eigenen Erwartungen fährt er noch immer in der Spitzengruppe mit. Und ganz unerwartet profitiert er von seinen früheren Reisen in die Dritte Welt: "Ich hatte wohl schon genügend einheimische Bazillen im Körper, dass sie mich jetzt vor Krankheit schützten." Während viele seiner Mitstreiter am Abend erschöpft von Durchfall auf ihren Matten liegen, sitzt Armin Köhli vor seinem Laptop und tippt Reisekolumnen für die Wochenzeitung.Ein Weißer mit Unterschenkel-Prothesen, dazu auf einem Hightech-Bike, sorgt bei den Einheimischen für Aufsehen. Überall wollen die Menschen den Behindertensportler sehen. "In vielen afrikanischen Ländern sind Behinderte ausgegrenzt. Die meisten Amputierten sind Opfer von Minenunfällen", erzählt Armin Köhli. Diesen Menschen will er Hoffnung geben. Noch vor seiner Abreise richtete er in der Schweiz ein Spendenkonto ein. Für jeden Kilometer, den er zurücklegte, konnte ein gewisser Geldbetrag gespendet werden. Das Geld, das so zusammen kam, ging zum einen an die Schweizerische Stiftung für Minenräumung FSD in Genf, zum andern an den "Appel de Genève", eine Organisation, die mit Rebellengruppen verhandelt, damit diese keine Minen einsetzen.Armin Köhli fuhr, nach 120 Tagen bei der Tour d´Afrique, als Dritter durch das Ziel. 11.500 Kilometer steckten ihm in den Oberschenkeln, er war glücklich, dass er "den Kopf und die Beine hatte, so lange durchzuhalten". Bei seiner Heimkehr ins Zürcher Hinteregg musste der Rennfahrer sich erst einmal an eine langsamere Fortbewegungsart gewöhnen: Zur Feier des Tages fuhren seine Freunde ihn in einer Rikscha durch das Dorf.Rebecca Hillauer Infos und Kontakt über: www.tourdarmin.ch