B-Prominente nennt man diejenigen, die häufig im Fernsehen zu sehen sind, bei denen man aber nie genau weiß, warum: Ihre einzige Leistung ist, dass sie im Fernsehen zu sehen sind. Ihre gesellschaftliche Relevanz ist gleich null. Eben deshalb gibt es immer wieder nur Privates von ihnen zu berichten. Was in Medienmachers Augen angeblich ohnehin das Publikum mehr interessiert als alles andere, sei es nun die Politik, die Literatur oder ähnlich dröge Dinge. Deswegen "privatisiert" mittlerweile auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen ganz gerne; am Vorabend des Mozart-Geburtstages gleich auf beiden Kanälen.
"Persönlichkeit" scheint dabei das seriöse Synonym für "Privates", um Menschen medial aufzubereiten - denn davon hat schließlich jeder eine.
eder eine. Nur wie sieht das verflixte Ding genau aus? Wer bin ich eigentlich? Und wer zum Teufel bist du? Weil sich jeder immer wieder diese Fragen stellt, musste der Persönlichkeitstest erfunden werden. Da kann man dann ankreuzen und am Ende zusammenzählen, ob Symbole oder Zahlen: So bin ich also. Und so bist also du. Hab ich´s doch gewusst!Im ZDF ging das etwas anders aus. Um alles schon zu verraten: Heiner Lauterbach ist "die treue Seele". Wo man doch eher auf "der brodelnde Vulkan" getippt hatte. Zum Persönlichkeitstest hatte er seine Frau Viktoria mitgebracht; hatten sich neben ihm noch die Grünen-Chefin Claudia Roth und der Regisseur und Autor Dieter Wedel eingefunden. Ohne Partner (obwohl Wedel sogar zwei davon hat, wie man bald erfuhr).Wie bei einer Quizshow hatte man die drei an Pulte gesetzt, an einem anderen stand die Moderatorin Sandra Studer, stellte Multiple-Choice-Fragen nach "Liebe Leiden", "Abenteuer Alltag" und "Lust Frust". An einem weiteren Pult analysierte der Psychologe Werner Katzengruber eher schnell und oberflächlich die Antworten der Prominenten. Und da konnte man sehen, was A-Prominente sind: Roth, die recht freimütig über Schwächen plauderte; Lauterbach, der in drei Sätzen eine Geschichte aus zehn kaum zusammenhängenden Wörtern bastelte, die logisch sowie grammatikalisch korrekt und noch dazu nett anzuhören war; und Wedel, der eine journalistisch kokette Nachfrage von Studer nach seiner Dreierbeziehung charmant, aber entschieden vom Tisch wischte. So sehr sich das ZDF bemüht hatte, die drei Gäste auf ein irre aufregendes Privatleben zu stutzen, so sehr bewiesen sie, dass das gar nicht nötig ist, um eine unterhaltsame Sendung zu machen. Dass die drei sich ihre Prominenz verdient haben, weil sie tatsächlich Persönlichkeiten sind - und das nicht, weil sie irgendwer mal als solche bezeichnet hat -, wurde schnell deutlich. So schnell, dass am Ende ganz egal war, wer nun als "die treue Seele" und wer als "der Fels in der Brandung" gilt.Für den anderen, dessen Persönlichkeit am selben Abend nur ein öffentlich-rechtliches Haus weiter auf dem Programm stand, müsste die Charakter-Kategorie wohl erst noch erfunden werden. Popstar war er schon, enfant terrible auch, und ein Genie sowieso. Von Wolfgang Amadeus Mozart ist die Rede. Und von der Mozartshow der ARD anlässlich des 250. Jubiläums des Geburtstags des Komponisten. "Und hier ist Ihre Gastgeberin: Sandra Maischberger" - ähnlich dunkelhaarig-ernstzunehmend wie Sandra Studer im ZDF zur selben Zeit.Was hätte man aus diesem Thema alles machen können: Popshow, Psychologentreffen, Promigeschnatter. Zum Glück wurde es das nicht. Denn aller Kritik zum Trotz: Das hat die ARD gut hinbekommen. Zwar wirkten die Gespräche manchmal etwas übereilt und folglich ein wenig oberflächlich, schließlich waren viele Gäste zu empfangen in den nur eineinhalb Stunden, die man sich dafür Zeit genommen hatte. Und doch waren Menschen gekommen, die nicht schwätzen, sondern informieren wollten, kurz: tatsächlich etwas zu erzählen hatten. Wie etwa Rudolph Angermüller, der 17 Jahre lang, bis 2005, Generalsekretär der Stiftung Mozarteum war und in entsprechenden Kreisen als "wandelndes Köchelverzeichnis" bekannt ist. Oder wie die Leiterin der Mozart-Museen, Gabriele Ramsauer, die nicht nur einen Autographen und eine Geige Mozarts mitgebracht hatte (die Maischberger sogar kurz anheben durfte), sondern auch eine Locke, von der sie freimütig zugab, dass die womöglich gar nicht vom Komponisten selbst stammt. Auf die Frage von Sandra Maischberger, wie viel die Geige wert sei, antwortete Ramsauer schlicht, dass es hier gar nicht um den Wert ginge, sondern darum, Unersetzbares zu schützen. So wurden alle üblichen Gebote des Fernsehens - Superlative! Bloß nicht irritieren! Alles so verständlich wie möglich! Niedrige Eintrittsschwelle! - gerade durch die Gäste entkräftet. Die kabarettistischen Einlagen funktionierten bezeichnenderweise am wenigsten: Weil alles andere viel spannender und hintergründiger war. Und den besten, weil im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eher riskanten Witz riss ohnehin Sandra Maischberger, indem sie den holländischen Musik-Komiker Hans Liberg mit den Worten ankündigte: "Er ist Musiker, man lacht gern über ihn - nein, es ist nicht André Rieu."Als Christiane Hörbiger einen Brief Mozarts an seinen Vater las, in dem er diesem den Tod der Mutter verkündete, und ihr dabei Tränen in die Augen stiegen; und als dann noch ein Counter-Tenor eine Arie vortrug, musste man sich zufriedengeben: Eine echte Lesung im Fernsehen, bei der Wörter vorkamen, die nicht jedem geläufig sein mögen, und ein Sänger, dessen Stimme dem ein oder anderen seltsam erscheint, das ist TV as TV can - unterhaltsame und nicht allzu platte Illustration von Kultur. Aus A-Persönlichkeiten macht man nicht so einfach B-Promis.
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