Vor der UN-Rassismus-Konferenz, die am heutigen 31. August im südafrikanischen Durban beginnt, hatte sich eine heftige Debatte um das Thema Entschädigung für Sklaverei und Sklavenhandel im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt. Vor allem die USA sahen sich attackiert und schienen bereits zu einem Boykott des Treffens entschlossen, nachdem das Thema auch innenpolitisch immer wieder für Konfliktstoff gesorgt hatte.
Amerikanische Museen haben einen exzellenten Ruf, was Didaktik, Kreativität und Lebensnähe angeht. Doch manchmal werden diese Vorzüge auch zum Verhängnis. So geschehen jüngst in Baltimore, als eine Schulklasse im Rahmen des Black History Month ein populäres Wachsfiguren-Kabinett besuchte. Einige der weißen Siebt-Klässler erz&
Siebt-Klässler erzählten zu Hause offenbar zu animiert über Elendsszenen auf einem nachgebildeten Sklavenschiff. "Besorgte" Eltern beschwerten sich bei der Schulleitung, woraufhin die den seit Jahren stattfindenden Museumsbesuch kurzerhand absetzte. Proteste schwarzer Eltern dagegen wurden ignoriert.Der Vorfall wirft verschiedene Fragen auf, unter anderem, ob die Reaktionen von Eltern und Schuldirektion typisch sind und ob der Umgang mit dem Thema Sklaverei in Amerika schwieriger ist als gedacht. Die USA haben bisher ihre Rolle bei diesem Verbrechen gegen die Menschheit systematisch tot geschwiegen, erklärt der schwarze Autor und politische Aktivist Randall Robinson aus Washington: "Amerikaner reden nicht gern über 246 Jahre Sklaverei und die bösartige Diskriminierung von Afro-Amerikanern, die auch noch im 20. Jahrhundert - und zwar mit dem Segen der Regierung - praktiziert wurde."Robinson kann das Schweigen nicht länger ertragen und hat deshalb eine Kampagne initiiert, die Amerikas historische Verantwortung publik machen soll. Die Aktion erinnert unter anderem an ein unerfülltes Versprechen, an "40 acres and a mule" (40 Morgen Land und einen Maulesel), die den mittellosen Sklaven nach ihrer Befreiung versprochen waren. Sie nimmt das zum Anlass, eine finanzielle Entschädigung für die Nachfahren ehemaliger Sklaven zu verlangen - eine Forderung, der sich ein kleiner, aber wachsender Stoßtrupp im Kongress, alerte schwarze Zeitungen, Tausende von Aktivisten anschließen. Es sähe ganz nach dem Beginn einer Bewegung aus, schreibt das aufmerksam gewordene Magazin Atlantic Monthly und verweist auf gewisse Präzedenzfälle wie die Abfindung Tausender Amerikaner japanischer Abstammung, denen Washington einen 20.000-Dollar-Scheck samt Entschuldigung für die Zeit ihrer Internierung im Zweiten Weltkrieg schickte. Auch Indianerstämme in Alaska erhielten Reparationen für erlittenes Unrecht, und erst vor wenigen Wochen bewilligte der Stadtrat von Tulsa/Oklahoma, Reparationszahlungen für das schlimmste Rassenmassaker der US-Geschichte - die Ermordung von mehr als 300 schwarzen Einwohnern 1921. Nach der Entschädigungsregelung für die Zwangsarbeiter der Nazis wird erst recht der Ruf lauter, die USA sollten die Augen vor der Vergangenheit nicht länger verschließen. Der neuen Kampagne hat Robinsons gerade erschienenes Buch auf die Sprünge geholfen. Sein Titel: The Debt (Die Schuld), What America owes to Blacks (Was Amerika den Schwarzen schuldet) - für 246 Jahre Sklaverei. Die Abrechnung ist gründlich. Jahrhundert für Jahrhundert. Robinson beginnt mit dem Glanz vergangener afrikanischer Königreiche und Kulturen. Verloren für immer, weil ihre Geschichte für die Weißen keinen Wert hatte. "Man hat unser kulturelles Gedächtnis ausgelöscht", schreibt er. Keinem anderen Volk sei das widerfahren. Das Capitol in Washington sei Stein um Stein von Sklavenhand erbaut worden. Einen Lohn habe es dafür nicht gegeben. Auch die Feldsklaven im Süden seien für ihre Arbeit nie bezahlt worden.Reparationsforderungen für Sklavenarbeit haben Tradition in Amerika. Schon 1867 wurde im Kongress ein erster Gesetzesantrag vorgelegt. Doch er verschwand genau so schnell, wie er gekommen war. Auch Martin Luther King forderte Reparationen für die Sklaverei. In seinem 1963 veröffentlichten Buch Warum wir nicht warten können schreibt er: "Nicht mit Gold kann die jahrzehntelange Ausbeutung der Neger in Amerika aufgewogen werden. Aber all die nicht ausgezahlten Löhne, die sollten ein Preisschild tragen."Jesse Jackson und John Conyers haben seine Gedanken aufgegriffen. Vor allem der Kongressabgeordnete Conyers wurde sehr aktiv. In seiner Funktion als ranghöchster Demokrat im Justizausschuss des Repräsentantenhauses bemüht er sich um eine Untersuchungskommission zur Reparationsfrage, seit 1989 legt Conyers in jeder Legislaturperiode einen Antrag für die Einberufung einer solchen Kommission vor. Professor Richard America von der Georgetown-Universität in Washington hat dazu eine Denkschrift veröffentlicht, in der es heißt: "Bei den Reparationen geht es nicht um Schuld oder Schuldzuweisung. Es geht schlicht und einfach um Aufrechnung von Zahlen." Er schlägt vor, das Washingtoner Büro für Arbeitsstatistiken mit einer Studie zu beauftragen, aus der hervorgeht, welche Gelder in Zeiten der Sklaverei, Rassentrennung und beruflicher Diskriminierung zu Unrecht an Weiße geflossen sind. Der Wissenschaftler schätzt, dass die US-Regierung ihren schwarzen Bürgern zehn Trillionen Dollar schuldet. Andere Ökonomen nennen ähnliche Zahlen. Kein Wunder, dass Washington von Conyers´ Kommission nichts hören will.An rassistischen Kommentaren zum Thema herrscht indes kein Mangel. Die Sklaven im Süden hätten es oft viel besser gehabt als die notleidenden Immigranten im Norden, hört man. Wenn man jetzt anfinge, Entschädigungsschecks an arme Schwarze auszugeben, dann würde ein lähmendes Märtyrergefühl überhand nehmen.Doch an Schecks hat Randall Robinson nie gedacht: "Mir geht es nicht um Barzahlungen an Einzelne. Ich rede von Unterstützung für einen Stiftungsfonds, der aus Staatsgeldern gespeist und über Generationen hinweg aufgebaut wird. Aus diesem Fonds würden Ausbildung und Programme für Schwarze finanziert. Mir geht es einfach darum, die wirtschaftliche Kluft zwischen Schwarz und Weiß in Amerika zu schließen."