29. August 2006: Die deutsche Nationalelf tritt im Eröffnungsspiel der Fußball-WM gegen Japan an, angefeuert von begeisterten Fans in der Duisburger MSV Arena ... Nein, wir befinden uns nicht in einem Paralleluniversum - sowohl das Match als auch die WM finden tatsächlich statt, in diesem Jahr, in diesem Land. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit, wird es eine zweite Fußball-WM geben. Und leider - wieder wird Deutschland nicht Weltmeister werden. Aller Wahrscheinlichkeit nach jedenfalls nicht. Und diesmal sind die Deutschen selbst schuld. Chance vergeigt. Aber dazu gleich.
Zunächst zur unbekannten WM: Die Rede ist von der Fußball-Weltmeisterschaft der Menschen mit Behinderung oder auch, amtlich, die INAS-FID WM 2006, International Sports Federation for
orts Federation for Persons with Intellectual Disability. Vorab: Es geht um richtigen Fußball. Die Regeln sind dieselben wie beim üblichen Kicken, fast alle Spieler sind auch in der Kreis- oder Landesliga auf dem Fußballrasen unterwegs. Es geht um Sport und Wettkampf - nur eben ohne Hochleistungsidee und ohne Hype.Teilnehmer sind 16 Mannschaften aus der ganzen Welt, klassische Fußballnationen wie Mexiko, Brasilien oder Titelverteidiger England sind ebenso dabei wie Saudi-Arabien, Südkorea oder Ungarn. Nach der zentralen Eröffnungsfeier in der Köln-Arena am 27.8. verteilen sich 48 internationale Begegnungen über das ganze Land - von Hannover bis München, von Euskirchen bis Stendal. Alle Spiele werden ausgespielt. Niemand wird per K.-o.-Runde nach Hause geschickt. Nicht allein der Sieg zählt, sondern auch die Begegnung, das Herausfordern und Herausgefordertwerden, die reine Spielfreude. Natürlich geht es auch darum, Menschen mit Handicaps zu integrieren - und wie erreicht man die Herzen der Menschen besser als durch den Sport - und den Fußball im Besonderen? Man meint, das olympische Feuer flackern zu sehen und Baron Pierre de Coubertin vom sportlichen Wettbewerb als höchstem Ausdruck humanistischer Ideale sprechen zu hören - die Achtung vor dem Gegner, das Prinzip der Chancengleichheit im Sport, ungeachtet von Rasse, Herkunft und Stand.Doch leider - wo der Sport allzu ideal erscheint, lauert immer auch der Skandal. So litt der Behindertensport heftig am Skandal der Paralympics in Sydney 2000, wo die spanischen Basketballer eine Medaille im Wettkampf für Menschen mit geistiger Behinderung gewannen, ohne überhaupt behindert zu sein. Seither sind Sportler mit geistiger Behinderung von den Wettkämpfen der Paralympics ausgeschlossen. Abgesehen von einigen Schauveranstaltungen. Eine Arbeitsgruppe des paralympischen Komitees und der INAS-FID ist seither auf der Suche nach einer klaren Kategorie für "geistige Behinderung". Bei der INAS-FID WM 2006 gilt die Definition der WHO World Health Organisation, wonach geistig behindert ist, wer einen geringeren IQ als 75 aufweist und Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags hat. Aber mal im Ernst - Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags - wer von uns hat das nicht?Wie auch immer - Deutschland ist in diesem Jahr erstmalig Gastgeber der WM für mental handicaped Persons - zuvor haben die Niederlande, England und Japan die Spiele ausgerichtet. Doch trotz Heimvorteil: Die Chancen für Deutschland, auf diesem Wege 2006 doch noch Weltmeister zu werden, stehen nicht gut. Bundestrainer Willi Breuer, früher Nachwuchstrainer von Lukas Podolski beim 1. FC Köln, rechnet gerade mal mit einem vierten Platz, wenn´s gut läuft. Mehr wird nicht zu holen sein. Denn andere Länder sind im Behindertenfußball den Deutschen weit voraus. Ist in England etwa die Behindertenfußballmannschaft selbstverständlich Mitglied des britischen Fußballverbands und wird entsprechend von hauptamtlichen Trainern aufgebaut, ist man hierzulande von solcher Sorge weit entfernt. Zwar finanziert der DFB die Ausstattung und stellt Schiris beim Match. Offizielle DFB-Mannschaft ist das Team jedoch nicht. Auch sind die Trainer keine Hauptamtlichen und Willi Breuer trainiert seine Behinderten-Elf nur im Nebenberuf. Entsprechend ging das letzte Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und England 6:1 für die Briten aus.Es wird still bleiben um die zweite WM des Fußballsommers 2006. Noch zwei Wochen vor Beginn sucht man vergebens nach dem kleinsten Hinweis auf der Website des DFB. Keine Meldungen in Hochglanzmagazinen, kein Interesse seitens der Fernsehsender, nur lokale Medien werden von den Spielen berichten. Ein kleiner Trost: Wem der Rummel beim letzten Mal entschieden zu laut, zu bunt oder zu anstrengend war, der ist vor solchem Getöse diesmal sicher. Bei dieser WM gibt´s keinen FIFA-Hype. Immerhin.Spielplan: www.infas-fid-wm-2006.de