Die unendliche Geschichte

Gender Wie sich eine neue Frau-Mann-Serie in Klischees verstrickt – und am Ende eher benebelt als überrascht
Ausgabe 36/2014

Es gibt Geschichten, die sind niemals auserzählt. Weil sich immer wieder neue Protagonisten, neue Varianten, neue Umstände finden lassen. Und ja, dieses Frauen-Männer-Ding ist natürlich so eine Endlosgeschichte. Aber warum wollen wir immer mehr davon hören? Vielleicht, weil wir die Bestätigung brauchen, dass es anderen auch so geht wie uns selbst. Dass alle mit den gleichen Problemen kämpfen und einen ähnlichen Alltag bewältigen müssen.

Dank Christian Ulmen gibt es nun das nächste Kapitel der Endlosgeschichte. Mann/Frau heißt die neue, von ihm produzierte Kurzserie, die seit dieser Woche im Internet auf BR Online und ab 12. September dann auch im Abendprogramm des bayrischen Senders laufen wird. Dabei schaffen es die beiden Autoren, das Geschwisterpaar Jana und Johann Buchholz, so viele Frau-Mann-Klischees in die jeweils dreiminütigen Folgen zu packen, wie Zuschauer beiderlei Geschlechts gerade noch aushalten können. Themen sind: ein Abendessen unter Freunden, die alle mehr Macken als Charaktereigenschaften haben; ein Umzug in eine neue Wohnung und damit auch in ein neues Leben; komplizierte Affären und Liebschaften; der Rausch einer langen Nacht; die Katerdepression an den Tagen danach.

All diese Alltagsszenen werden entweder aus der Perspektive der Frau (gespielt von Lore Richter) oder aus der Perspektive des Manns (gespielt von Mirko Lang) erzählt. Beide Protagonisten sind um die 30 und leben – selbst bei einer BR-Produktion – als Singles in Berlin. Allein diese Verortung liefert wohl schon die Vorlage für einen Großteil der Erlebnisse. Ulmen tritt dabei in einer Nebenrolle als Barkeeper mit großem Herz und noch größeren Ohren auf. Seine Frau Collien Ulmen-Fernandes als beratende Freundin auf der weiblichen Seite, Edeka-sehr-sehr-geil-Mann Friedrich Liechtenstein als Gegenpart auf männlicher Seite.

Ja, es klingt alles sehr vorhersehbar. Und das ist es zum großen Teil auch. Aber Ulmen wäre nicht Ulmen, wenn es nicht einen überraschenden Dreh geben würde. Die weibliche Hauptrolle übernimmt den toughen und entspannten Part im Spiel der Geschlechter. Er dagegen entpuppt sich von Minute zu Minute – bei diesem Kurzformat besser: von Sekunde zu Sekunde – als nachdenklich, verletzlich und übertrieben sanftmütig.

Ach, das ist heute alles andere als ein wirklich überraschender Kniff? Stimmt natürlich, aber man ist irgendwann so benebelt vom vorgeführten Schubladendenken, dass man schon diesen Twist dankbar als Abweichung von den Stereotypen wahrnimmt. Schade eigentlich, denn die Idee von Mann/Frau hätte Potenzial gehabt. Vielleicht liegt es auch an der knappen Sendezeit. Jedenfalls ist alles so überspitzt dargestellt, dass man es weder ernst nehmen noch darüber lachen kann. Dabei wären die Möglichkeiten bei dem Thema doch eigentlich endlos ...

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