Die unsterblichen Irrtümer von Papst Benedikt

Katholische Kirche Alles nur ein bedauerliches Missverständnis? Die Reaktion des Pontifex auf den Eklat um Holocaust-Leugner Richard Williamson erinnert an Kaiserzeiten

Ist die Rattenlinie ein Traumpfad des Katholizismus? Jedenfalls führte diese Schmuggelroute, auf der nach dem Kriege mit Hilfe des
Klerus hoch belastete Nazis an den Alliierten vorbei ins sichere Exil Lateinamerikas geschmuggelt wurden, geographisch ziemlich genau in das sonnige Asyl, das der nun rekommunizierte Piusbruder und Irgendwie-Bischof Richard Williamson im Argentinien der Militärdiktatur fand. Dort dann konnte er sich – unangefochten von der weltlichen Verführung seinen Untersuchungen zur Geschichte der europäischen Juden widmen und zu dem erstaunlichen Ergebnis gelangen, wonach die Juden von den deutschen Nazis nicht ermordet worden seien.

Man ist versucht, sich dem Urteil Jacob Burckhardts über einen antiken Säulenheiligen anzuschließen: Er entsagte allen bürgerlichen Freuden – bis auf den Judenhass. Und das alles nur, um fürderhin die Messe wieder auf Latein zu lesen? Die Forderung, die Liturgiereformen von Papst Johannes XXIII und Paul VI. wieder zurückzunehmen, scheint von großer heilsgeschichtlicher Bedeutung zu sein, wenn sie zu solchen Neudeutungen des historischen Handbuchwissens nötigt.

Schon der christkatholische Frankfurter Publizist Martin Mosebach (auch er ein Kämpfer gegen die „Häresie der Formlosigkeit“ und die ad versum populum, der Gemeinde zugewandt, gehaltene Messe) sah sich bei seiner Büchnerpreisrede im Jahre 2007 gezwungen, die Umstände während der Emanzipation der Juden durch die Französische Revolution mit denen ihrer Vernichtung durch die deutschen Faschisten zu parallelisieren. Bevor er mit einem überaus monarchiefreundlichen Zitat schloss.

Knobloch glaubt nicht an einen Zufall

Kein Zweifel, dass mit den Neuerungen unersetzliche Verluste einhergingen. Man denke nur an die überflüssig gewordenen Chorschranken in den Kirchen. Aber rechtfertigt das den Aplomb, mit dem die Rehabilitierung der Piusbruderschaft seitens der Amtskirche in Szene gesetzt wird? Kann die Bagatellisierung der deutschen Verbrechen der Preis für die Rückkehr zur alten Ordnung sein? Die Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, sieht in diesem Schritt auf die Piusbruderschaft zu mehr als nur mangelnde Aufmerksamkeit des päpstlichen Umfeldes: „Wir haben die Rede des Papstes in Regensburg über die Muslime gehört, dann eine weitere Erklärung zur Beurteilung der protestantischen Kirche, dann die Missionierung der Juden, die tridentinische Messe – und jetzt die Rehabilitierung eines Holocaust-Leugners. Ich glaube nicht, dass dies Zufall ist.“ Auch der Aufschrei der Katholiken selbst, sei es in Frankreich, sei es in Deutschland, zeigt, dass erhebliche Teile der katholischen Laien wie Gelehrten nicht bereit sind, einfach zurückzurudern, und dabei auch noch die Traditionen der religiösen Judenfeindschaft wieder zu erwecken.

Papst Benedikt XVI. erinnert immer mehr an den letzten Preußenkönig und deutschen Kaiser Wilhelm II. Der verschärfte auch beständig alle Konflikte und schickte dann seine Bülows und Bethmann Hollwegs vor, die dann zu bekunden hatten, alles sei nicht so gemeint oder ein bedauerliches Missverständnis. Benedikt hat seine Kaspers und Coccopalmerios. Das Schicksal der „Markgrafen von Brandenburg“, wie die vatikanische Diplomatie die Hohenzollernfürsten immer und sehr bewusst nannten, ist bekannt. Aber auch das Wissen, dass wilhelminische Methoden nicht immer funktionieren?

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