Etwa ein Viertel ihrer Wähler haben die realo-dominierten Grünen in absoluten Zahlen in Hessen und Hamburg verloren. Besonders dramatische Einbrüche sind im urbanen Kernmilieu, den Hochburgen und bei den unter 30-Jährigen zu verzeichnen. Offensichtlich sind die grünen Stimmenpotenziale im so genannten "bürgerlichen Lager" ausgeschöpft. In Hamburg verloren die Grünen am letzten Wochenende genauso viele Stimmen an die Nichtwähler, wie an die Linkspartei und an SPD - erschreckend für eine Partei, die einmal gegen eine Politikverdrossenheit angetreten ist, die sie nun offensichtlich selbst mit erzeugt. Würden die Grünen in anderen Landesverbänden, etwa in dem mit Abstand größten Verband Nordrhein-Westfalen, ähnlich
iche Verluste einfahren, stünde die Existenz der Partei auf dem Spiel. Denn in keinem anderen Bundesland würde der Absturz von einem solch hohen Niveau wie in Hessen und Hamburg beginnen.Nach derartigen Einbrüchen jedenfalls scheint das Projekt der Realo-Strategen, die Partei als die einer neuen links-bürgerlichen "Mitte" zu definieren und - strikt an neuen Machtoptionen orientiert - zu entsprechenden Bündnissen mit CDU und FDP zu führen, ganz andere Ergebnisse zu zeitigen als beabsichtigt. Die alten Bindungskräfte der Realos im System Fischer, vor allem über Machtoptionen und entsprechende Wahlerfolge die Partei zusammen zu halten, befinden sich offenkundig in der Auflösung. Auch seitens der medialen Öffentlichkeit wurde deren Projekt nicht selten mit einer eigenartigen Mischung aus Faszination und einer - wohl doch eher konstruierten - Diagnose eines neuen politisch-kulturellen Experiments begleitet, von der Tageszeitung über den Spiegel bis zur Zeit. Angesichts eines solch sturen Blicks von Außen auf die Partei halfen dann auch Hinweise wie der Jürgen Trittins nicht mehr, der noch im September 2007 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu Recht angemahnt hatte, dass sich 76 Prozent der Grünen-Wähler auf der Linken verorten. Das sind mehr als bei der Linkspartei.Unterdessen triumphieren die Strategen im Konrad-Adenauer-Haus und bei der FDP. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla beeilt sich bereits, auf die alte "Pizza-Connection" hinzuweisen, bei der er mit Renate Künast unter anderem schon einmal mögliche schwarz-grüne Allianzen ausgelotet habe. Hamburg, so Pofalla, könnte ein "Signal" für den Bund sein - für die Grünen allerdings wäre dieses Signal wohl eher die Totenglocke. Auch die FDP von Guido Westerwelle, der die Grünen ideologisch, politisch und kulturell verachtet, verharrt sehr bewusst im bürgerlichen Lager, um die Grünen der Zerreißprobe auszusetzen und sie in die Rolle einer Scharnierpartei zu drängen. Die FDP weiß aus Erfahrung, dass kleine Parteien, die ja Programm- und Konzeptparteien sind, diese Rolle nur auf Kosten ihres Profils erfüllen können. Kleine Parteien aber wie die Grünen werden ihre Wählerschaft nie mobilisieren können, wenn diese sich nicht sicher sein kann, in welchen Konstellationen welche Programmpunkte Chancen auf Realisierung haben werden.Dabei gibt es bei all den derzeitigen inhaltslosen Farbspekulationen objektiv betrachtet für 2009 im Bund weder personelle noch inhaltliche Argumente für Schwarz-Grün oder gar Jamaika. Denn während der globale Klimawandel in aller Munde war, wurde der sich im Jahr 2007 bei den Grünen abzeichnende "Klimawandel" im Rausch sich scheinbar neu eröffnender Machtoptionen gar nicht mehr wahrgenommen. Auf den Parteitagen von Göttingen und Nürnberg hat sich der linke Parteiflügel mit Wertkonservativen zusammengetan, dabei in kluger Voraussicht nach einer Schärfung des eigenen Profils suchend, und in entscheidenden Fragen der Außen- und Friedenspolitik und der sozialen Sicherung die Grundsäulen der Partei basisdemokratisch renoviert. Und was inhaltlich nicht geht, geht personell schon gar nicht: Gegenüber Wolfgang Schäuble erscheint den meisten Grünen ein Otto Schily geradezu als staatsferner Anarchist. Die Clements sind in der CDU Legion.Bei den Grünen haben die Apologeten von Schwarz-Grün und Jamaika nicht nur die letzten Parteitage, sondern auch Landtagswahlen verloren. Ein weiterer strategischer Führungsanspruch lässt sich daraus beim besten Willen nicht ableiten. Vielmehr sollten die Grünen für 2009 ab jetzt Schwarz-Grün oder Jamaika definitiv ausschließen und damit ihr Diktum "Inhalte vor Macht" sehr ernst nehmen. Auch angesichts eines sich abzeichnenden Strategiewechsels bei der SPD kann für die Grünen bei der Bundestagswahl die Devise daher nur lauten: Rot-Grün, plus. Denn damit würden die Grünen klar und deutlich machen, wo die eigentlichen Blockierer in der Republik zu verorten sind: bei den neokommunistischen und neoliberalen Fundis und Dogmatikern in der Linkspartei beziehungsweise der FDP.Robert Zion ist Grünen-Politiker in NRW.