Die Verlinkung der Welt

Gegenöffentlichkeit Maps ermöglichen im Internet eine demokratischere Informationspolitik. Aber haben sie wirklich Einfluss auf die Debatten? Die Katastrophe von Fukushima zeigt: nur bedingt

Die Zivilgesellschaft nutzte nach der Atomkatastrophe in Fukushima eine neue Form der Informationsvermittlung: Über sogenanntes Screen Scraping versuchten einzelne Akteure wie etwa das Institute of Information Design Japan, Orte und Ausmaß der Verstrahlung alternativ einzuschätzen. Sie extrahierten Daten aus offiziellen Webseiten und maßen den Grad der Verstrahlung mit eigenen Geigerzählern; die Ergebnisse visualisierten sie mit Grafiken und Collagen und stellten sie der Öffentlichkeit im Netz zur Verfügung. Wie sehr aber haben sie mit diesem alternativen Auswertungsverfahren die Debatte beeinflusst?

Um dieser Frage nachzugehen, habe ich auf Grundlage eines Webscreenings im August 2011 die Akteure der Netzöffentlichkeit in ihrem Verhältnis zueinander visualisiert (hier können Sie die Karte als pdf herunterladen). Jeder Datenknoten in der Grafik steht für eine Seite, die Informationen über die Art, den Ort und die Höhe der Radioaktivität erstellt, verwendet oder diskutiert hat. Generiert wurde die Grafik mithilfe des Firefox-Plugins Navicrawler, das alle Links auf den Seiten herausgesucht hat, welche im Anschluss von Menschen gelesen, analysiert und rubriziert wurden. Mithilfe dieser Darstellung können verschiedene Analysen durchgeführt werden (vgl. cartonomics.org), etwa der Beziehungen zwischen den Gruppen.

Als wichtigste Ergebnisse lassen sich bisher festhalten, dass die Online-Debatte von Links zu offiziellen Quellen beherrscht wird. Aber auch die Repräsentanten der Zivilgesellschaft verlinken, um ein Informations-Gegengewicht zu schaffen. Anders verhält es sich mit den Geiger-Datensammlern und Kartografen. Sie bilden weiterhin eine Teilöffentlichkeit. Es gibt enge Beziehungen zwischen denjenigen, die Daten zur Verfügung stellen, jenen, die diese Daten bereinigen und denen, die Karten erstellen. Sie können sogar alle Funktionen selbst übernehmen, wie beispielsweise safecast.org. Dies verstärkt die Etablierung geschlossener Kreisläufe. Auf den Seiten, die für diese Auswertung berücksichtigt wurden, haben die Karten offenbar keinen Prozess der „Mobilisierung“ in Gang gebracht oder eine alternative Haltung in der Kontroverse befördert.

Da das Internet allerdings ständig in Bewegung ist, sind diese Ergebnisse Momentaufnahmen. Die Debatte über die Auswirkungen und den Umgang mit der Katastrophe in der japanischen Öffentlichkeit ist noch nicht abgeschlossen. Zumal alle Formen von Kommunikation zwischen Gruppen (Google) und Einzelpersonen in der Grafik nicht berücksichtigt sind.

Jean-Christophe Plantin ist Medienwissenschaftler mit Schwerpunkt Datenvisualisierung und forscht an der Université de Technologie de Compiègne. Seit dem 11. März 2011 arbeitet er an der Karte Mapping Post-Fukushima Radiation, die er unter anderem auf dem

Symposium Learning from Fukushima

der Berliner Gazette vergangenen Oktober in Deutschland vorstellte. Eine detaillierte Beschreibung seines Projekts ist auf seinem Blog nachzulesen:

cartonomics.org

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