Die Würfel sind gefallen

USA George W. Bush will jetzt bald den "Fehler" seines Vaters ausbügeln, im Golfkrieg 1991 nicht bis Bagdad durchmarschiert zu sein

Saddam Husseins Tage sind gezählt. Davon geht man aus in den USA: Früher oder später werde der Präsident den Angriffsbefehl geben. Mit oder ohne europäische Zustimmung, mit oder ohne eine formelle Kriegserklärung, vor den US-Kongresswahlen im November, aber vermutlich doch erst später. Im Prinzip ist sich die politische Klasse einig, auch Außenminister Colin Powell: Saddam must go!
Ein amerikanischer Sieg im Irak sei geradezu garantiert, behauptet Anthony Cordesman, Berufsfalke und Experte beim regierungsnahen Center for Strategic and International Studies in Washington. Militärische Vorbereitungen laufen. Die US-Luftwaffe hat angeblich einen Teil ihrer Operationen aus dem "unzuverlässigen" Saudi Arabien nach Katar verlegt. Bei Boeing und Raytheon werden Überstunden gefahren, um in Rekordzeit Präzisionsmunition herzustellen.
Demokratische Abgeordnete und Senatoren möchten anscheinend nicht im Regen stehen, wenn Bush angreifen lässt, und - wie erwartet - die Bomben fallen, die Saddams Repressionsapparat zerbrechen lassen. Die Politiker wollen gefragt werden. Vater Bush habe seinerzeit den Kongress um Zustimmung zur Operation Wüstensturm gebeten; das solle der Filius jetzt auch machen. Zudem gilt in den USA seit 1973 der War Powers Act, wonach der Präsident bei Militäreinsätzen den Kongress "rechtzeitig" in Kenntnis setzen und die Streitkräfte abziehen müsse, sollte der Kongress nicht binnen 90 Tagen zustimmen. Aber sonst verlangt die nominelle Oppositionspartei nicht viel. So erklärte Joe Biden, Demokrat und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Senat: Er würde dem Militärschlag zustimmen, sollte Bush Informationen vorlegen, dass Saddam mit al Qaida zusammengearbeitet habe. Einer Administration, die behauptet hat, dass auch Kuba an biologischen Waffen arbeite, dürfte ein solcher "Beweis" nicht schwer fallen.
Biden will im August und September Hearings zu Irak abhalten. Das Volk habe ein Recht, informiert zu werden. Es geht hauptsächlich um die Frage, welche Militärstrategie Erfolg verspricht. In Washington wird kaum von den Vereinten Nationen gesprochen oder von den UN-Waffeninspektoren. Einer Alternative, wenn es wirklich nur darum ginge, Massenvernichtungswaffen im Irak ausfindig zu machen und zu vernichten. Dass Saddam auf stur schaltet, und niemanden ins Land lassen will, muss als Geschenk des Himmels an die Kriegstreiber in Washington gelten. Einen besseren Feind können sich der Präsident der USA und der ehemalige Geschäftsführer von Haliburton gar nicht vorstellen.
George W. Bush spricht gern über den Irak. Das ist angenehmer, als die "Stabilität" der amerikanischen Wirtschaft zu beschwören, während die Aktienkurse einbrechen. Der geplante Kampf gegen Saddam, den totalitären Giftgasmörder, passt so richtig zum amerikanischen Sendungsbewusstsein. Und George W. muss Papa Bushs "Fehler" ausbügeln, nach dem Golfkrieg nicht in Bagdad einmarschiert zu sein. Schon vor zwei Jahren - noch im Präsidentschaftswahlkampf - hatte er erklärt, Saddam müsse mit einem "allumfassenden" Militärschlag ("the full force and fury of a reaction") rechnen, sollte er kurz vor dem Nuklearwaffenbesitz stehen. Und im Frühjahr 2002 unterzeichnete Bush nach Presseberichten ein Entscheidungsdokument, den Geheimdienst CIA im Irak einzusetzen. Angeblich auch, um Saddam zu töten.
Nach einer kürzlichen Umfrage befürworten 59 Prozent der Amerikaner die Entsendung von US-Streitkräften, um Saddam zu Fall zu bringen. Aber dann? Anscheinend haben sich auch die Uniformierten mit dem Gedanken angefreundet, bald zu marschieren, ohne alle Antworten für das "Danach" zu kennen. Noch einmal Cordesman: "Die USA haben in der Vergangenheit gezeigt, dass sie militärische Operationen durchführen können, ohne einen Plan für das Kriegsende und Nation-Building zu haben". In Bosnien und Afghanistan würden sich die US-Militärs nach den "Siegen" am liebsten zurückziehen. Im Irak gälte es ein großes und modernes Land zu verwalten und von Grund auf eine neue Regierung aufzubauen. In der Bundesrepublik Deutschland und in Japan hat das ganz schön lange gedauert.

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