Der Schrifsteller Uwe Tellkamp hat sein neues Buch jüngst im Dresdner Buchhaus Loschwitz vorgestellt. Der gediegene Ort am Elbhang hat sich seit einigen Jahren zur bekannten Pilgerstätte geistiger Wanderer nach rechts entwickelt. Rechtsintellektuelle Autoren geben sich hier die Klinke in die Hand. Tellkamps Band Das Atelier erscheint im Verlag des Buchhauses Loschwitz, deren Inhaberin Susanne Dagen 2017 die Initiatorin der „Charta 2017“ war: Diese brandmarkte die Aufforderung der Leitung der Frankfurter Buchmesse, das inhaltliche Angebot neurechter Verlage zu hinterfragen, als Angriff auf die Meinungsfreiheit. Der Name „Charta 2017“ wird nicht zufällig an die „Charta 77“ der tschechischen Opposition gegen die bleiernen Jahre der Husak-Diktatur erinnern. Das Buchhaus Loschwitz ist die gute Stube des rechtsintellektuellen Pegida-Umfeldes.
Das greift zu kurz
Bisherige Rezensionen des neuen Tellkamp-Buches bemühen sich, die handelnden Personen zu dechiffrieren – genannt wird etwa der Maler Neo Rauch – und die Atmossphäre der Buchvorstellung in Dresden als absurdes rechtes Panoptikum vorzuführen. Doch dies greift zu kurz.
Wer Tellkamps Äußerungen im Umfeld rechter Zeitschriften wie Cato, Tumult oder Sezession liest, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Zeuge eines verschobenen ästhetischen Reenactments der dissidenten Künstler-Szene der Spät-DDR zu sein. Tellkamp und die ihn umgebende Szenerie rechter Intellektueller lassen keine Gelegenheit aus, die Klage zu führen, die „Meinungskorridore“ würden „enger und enger“ gezogen. Die Geste ihrer Äußerungen signalisiert der Öffentlichkeit, die von Tellkamp und dem rechtsintellektuellen Milieu vertretenen künstlerischen und politischen Positionen unterlägen Mechanismen der Zensur; ihre Akteure seien ganz offenkundig von Ächtung und Ausgrenzung betroffen, von politischer Verfolgung zumindest latent bedroht.
Diese nahegelegte Parallelisierung der eigenen publizistischen und künstlerischen Situation mit der jener Künstler in der DDR, die mit Schreib- und Auftrittsverboten, mit Bespitzelung und Denunzination konfrontiert waren, ist im rechtsintellektuellen Kosmos ein inzwischen gut gepflegtes Narrativ. In Dresden oder in Schnellroda, dem Sitz des neurechten „Institut für Staatspolitik“ sieht man sich als Elite der neuen Dissidenz gegen eine als immer totalitärer wahrgenommene liberale Öffentlichkeit, die mit harter Hand alle und alles in Acht und Bann schlage, was nicht auf Linie der politischen Kultur des Mainstreams der Merkel-Ära liege. Die lautstark von Tellkamp artikulierte Assoziation, das geistige Klima im Land trage die Züge der Erich-Honecker-/Kurt-Hager-Periode in der DDR-Kultur- und Gesellschaftspolitik, fällt im Osten auf fruchtbaren Boden. Das von Tellkamp angesprochne Milieu rechter Intellektueller sieht sich in der Rolle der dissidierenden Mahner wider den Zeitgeist, denen es um die Bewahrung letzter Inseln der Non-Konformität gehe.
Die Priviligierten
Dass Tellkamp einen priviligierten Zugang zur Öffentlichkeit hat, seine Bücher nicht gerade in einem Untergrund-Verlag, sondern bei Suhrkamp erscheinen, und breit rezipiert werden, kommt nicht vor in dieser Selbstästhetisierung als freigeistiger Intellektueller, der als einer der wenigen in der Lage sei, die verordnete Augenbinde eines ansonsten regiden geistigen Klimas abzunehmen. Dieser priviligierte Zugang zur Öffentlichkeit macht die Ungleicheit zur Situation jener Künstler in der DDR aus, die für die Schublade schrieben, und vom Büro für Urheberrechte des DDR-Kulturministeriums an die Kandarre genommen wurden, wenn sie ihre Bücher im Westen verlegt sehen wollten.
Ob die AfD in den Landtagswahlkämpfen des vergangen Jahres in Brandenburg und Sachsen, der Kabarettist Uwe Steimle oder Uwe Tellkamp: Sie alle imaginieren, sie sollten mit Methoden aus dem Arsenal des DDR-Repressionsapparates zum Rückzug aus der Öffentlichkeit gezwungen werden. Man muss nicht jede Konjuntur des intellektuellen Betriebs der Bundesrepublik großartig finden, um zu verstehen: der bewusst eingesetzte Vergleich zur Phase der kulturellen und gesellschaftlichen Stagnation der DDR in den 1980er Jahren ist abwegig. Keine der in den vergangenen Jahren entstandene neurechte Zeitschrift erscheint als Samisdat auf schlechtem Papier und wird illegal vertrieben. Sie können am Kiosk gekauft oder im Abo bezogen werden, weil es offenkundig einen Markt dafür gibt.
Kommentare 18
Vielleicht sollte man sich über die Bedeutung einiger Schriftsteller(innen) mal ein paar Gedanken machen. Ich hab’ mal auf die Schnelle in Tellkamps seinerzeits mit dem Label »Spiegel-Bestseller« ausgezeichneten Bestseller »Der Turm« reingeschaut. Auf den ersten Blick: DDR-Aufbereitung der Sorte, die sich ohne Probleme in einen der entsprechend süffigen ARD/ZDF-Mehrteiler transferieren lässt – umwerfend im Sinn neuer oder gar noch nie dagewesener Aspekte ist das sicher nicht. Zweiter Blick: die Liebe zu ausschweifigen Detaildarlegungen ist ähnlich ausgeprägt wie bei einem anderen berühmten Sachsen. »Das Atelier« wiederum – die Neuerscheinung, die offenbar Furore machen will – ist ein dünnes Bändchen und bei amazon ohne jegliche Information ausgestellt. Ein weiterer anscheinend noch halbwegs frischer Titel ist überhaupt nirgends zu finden. Frage so: Hat dieser Autor nach 2010 überhaupt irgendwas von Bedeutung publiziert?
Ich will hiermit nicht sagen, dass Rechte überhaupt nichts Substanzielles zu Papier bringen können. Céline und (in Deutschland) Thor Kunkel (der, der für die AfD den Bundestagswahlkampf konzipierte) wären da etwa Gegenbeispiele, die man – unabhängig davon, wie man ihre politischen Positionen bewertet – als literarische Gewichte zur Kenntnis nehmen muß. Bei Uwe Tellmann scheint mir der Drive nach Rechts hingegen (ähnlich übrigens wie beim Ex-Tatort-Kommissar Steinle) eher eine Folge zu sein von zu wenig Aufmerksamkeit.
Woraus sich meines Erachtens logisch nachvollziehbar ergibt, warum er auf »den Mainstream« angefressen ist.
"DDR-Aufbereitung der Sorte, die sich ohne Probleme in einen der entsprechend süffigen ARD/ZDF-Mehrteiler transferieren lässt – umwerfend im Sinn neuer oder gar noch nie dagewesener Aspekte ist das sicher nicht."
und das wurde ja auch gemacht und reihte sich nahtlos ein in eine lange folge (einen langen korridor) von solchen filmen über die ddr.
ich glaube aber nicht so sehr, dass es ihm nun plump um aufmerksamkeit geht. ich halte ihn sogar für beinahe distanzlos ehrlich in dem was er sagt. jedoch sind seine politischen ideen wenig aufregend, durchsetzt vom blasengeblubber seines umfelds, allenfalls soziologisch erhellend, sieht man sie als stellvertetende meinungsäußerung einer gewissen ostsächsischen mittelschicht, die - aus "dem tal der ahnungslosen" stammend - sich einen ablehnenden reim auf die hereinbrechende welt zu machen versucht, von der sie sich nach langer ruhe (im turm) bedrängt fühlt.
steimle verstehe ich ganz anders.
Tellkamp sieht im angeblich dominaten "linksliberalen" Meinungs-Establishment eine autoritäre DDR-Attitüde weiterwirken. Andere, wie ja auch der Autor dieses Textes an anderer Stelle, sehen im neurechten nationalistischen und völkischen Gebaren von Pegidaisten und AfDlern auch bloß irgendwelches DDR-Karma am Werk. Einen wesentlichen analyse-qualitativen Unterschied kann ich nicht recht sehen kann. Es ist nur eine ideologische Spiegelverkehrung.
Tellkamp himself wie auch sein Roman-Alter ego und dessen Sippe sind Vertreter einer leider von Sozialhistorikern kaum wahrgenomenen gesellschaftlichen Schicht - dem originären DDR-Bürgertum, das nicht etwa ein fortgepflanztes Vor-DDR-Bürgertum ist (das gab es auch, in den 10980ern aber nur noch in Relikten). Tellkamp schreibt seine Geschichte und lebt selbst vor, was aus ihm seit dem DDR-Untergang geworden ist. Einen Ex-DDR-Proleten wie mich interessiert das einen feuchten Dreck.
Er heißt "Tellkamp", Und Steimle war nicht beim Tatort, sondern beim Polizeiruf.
>>Einen Ex-DDR-Proleten wie mich interessiert das einen feuchten Dreck<<
So isses.
https://www.freitag.de/autoren/magda/uwe-tellkamp-der-turm-eine-verschworungstheorie - Kann ich nur nochmal empfehlen auch wenns von mir ist. Ein ziemlich alter Beitrag über den Turm. Und Du hast kurz kommentiert.
Ja, was es hier alles schon gegeben hat. Z.B. auch das Redaktions-Community-Projekt zur Fernsehpremiere des "Turm". Du und Amanda. Und von mir gab es dann das hier.
Ooch naja, dieser Tellkamp. Der war schon immer ein kleinbürgerlicher Spießer aus Dresden. Diese Lebensform hat sich besonders im Elbtal ausgebreitet und ist dort noch immer zu finden. Und die nörgeln eben gern. Wenn sie über die DDR nörgeln, sind sie in der heutigen öffentlichen Wahrnehmung "Helden des Widerstandes" und werden mit Preisen und Fernsehserien bedacht. Wenn sie über die heutigen (wunderbaren neoliberalen) Zeiten nörgeln, werden ihnen rechte Tendenzen unterstellt. Sie sind letztlich nichts als kleinbürgeriche Existenzen, die mit dem selben Verstand über die DDR und die Gegenwart jammern. Schwamm drüber!
"Tellkamp himself wie auch sein Roman-Alter ego und dessen Sippe sind Vertreter einer leider von Sozialhistorikern kaum wahrgenomenen gesellschaftlichen Schicht - dem originären DDR-Bürgertum, das nicht etwa ein fortgepflanztes Vor-DDR-Bürgertum ist (das gab es auch, in den 10980ern aber nur noch in Relikten)."
das ist ein guter punkt.
lokal und sozial präzise ver-ortet:
tellkamp= ein "klein-bürgerlicher spießer" aus dem tal der unwissenden,
herausgehoben-oben-wohnend,
mit nörgel-tendenzen zu vergangenem und gegenwärtigem.
eine existenz, dessen sicht zu viel aufmerksamkeit zukommt,
ein kläglicher kreide-rest auf der tafel, der weg-gewischt gehört!
molodjez, Sie zeigen sich hier als pracht-kerl(molodez).
denkzone8 "eine existenz, dessen sicht zu viel aufmerksamkeit zukommt," Richtig wäre "deren sicht" Aber sonst stimme ich Ihnen zu ;)
danke für die korrektur. aber:
sie haben sich in meiner fein-gesponnenen ironie verheddert.
Ach ja, genau. Ich erinnere mich. Dieter Nolls Kippenberg war auch ein schwieriges Stück und in der Tat grundiert mit Thesen. Bei Tellkamps Turm war ich ziemlich ratlos. Und tatsächlich hatte der ja zuvor schon einen Roman geschrieben, bei dem deutlich wurde, wie auch der Autor tickt. Es gibt ja noch mehr solche ProtagonistInnen. Vera Lengsfeld geistert durch die "rechten" Debatten, da wird einem ziemlich eigen, wenn man das liest. Ich bin jetzt aber gespannt auf Schulzes Buch.
Stimmt auch: Es interssiert hier niemanden mehr von der Redaktion, was da so abgeht und ob nicht mehr Leben da hinein müsste. Da aber sage ich mit den Pudys und der Bibel: "Jegliches hat seine Zeit. "
Es gab dort aber auch immer sehr große und beachtliche künstlerische Leute. Der kürzlich verstorbene Peter Schreier, Theo Adam. Die Leute in Dresden waren immer einen Tick anders, aber heute haben sie nur noch einen Tick und das ist mir ziemlich unverständlich.
ja.
- die puhdys waren keine ddr-kultur-poodles,
sondern hielten anschluß an das welt-niveau
und standen in einer reihe mit pete seeger, judy collins und the byrds.
wenn man über-groß-zügig ist.
-ähnlich die reihe: noll,tellkamp,lengsfeld: haben alle mal was zu papier gebracht.
- huch, hab gerade noch einen schreib-fehler korrigiert:
da stand eben noch: "zu papier gebrascht". ts,ts,ts...
Dass ich die Puhdys erwähnt habe, hat einen ganz anderen Grund. https://www.freitag.de/autoren/magda/poesie-und-bibel
Sie sehen, ich habe ein spezielles Freitag-Oeuvre :-))
„Wir kennen die Abwehrschlachten, die geführt worden sind gegen das sogenannte Volk; die Unlust vieler Intellektueller, das, was die Mehrheit des Volkes will, zu akzeptieren. Überheblich setzen sie sich von oben herab drüber hinweg, das kennen wir alles, das ist heute nicht anders.<
Also, Tellkamp als histrionisch gelabelt. Ist das nicht tumne Verharmlosung schon wegen solcher Tellkamp-Äußerungen:
„Wir haben eine Demokratie, die nur noch Fassaden enthält, auch wie in der späten DDR.“
„Wir kennen die Abwehrschlachten, die geführt worden sind gegen das sogenannte Volk; die Unlust vieler Intellektueller, das, was die Mehrheit des Volkes will, zu akzeptieren. Überheblich setzen sie sich von oben herab drüber hinweg, das kennen wir alles, das ist heute nicht anders.“
tumbe