Doch kein Heiliger

Nachruhm Am 18. Mai wäre W. G. Sebald 70 geworden. Der Schriftsteller wird vorschnell vergöttert – oder verdammt
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 20/2014

Es ist eine merkwürdige, ja exzentrische Bahn, die er durch das Koordinatensystem der deutschen Literatur gezogen hat. Ein Kleinbürgersohn aus dem Allgäu, der gegen die Beschränkungen seiner Herkunft zur Literatur fand, sich als Student aber fremd fühlte unter den professoralen Granden der Germanistik, denen er (vielfach nicht zu Unrecht) braune Flecken in ihrer Biografie unterstellte. Also entlief er ins Ausland – erst in die Schweiz und dann nach Manchester, England.

Die Ankunft in der desolaten Geburtsstätte der Industrialisierung Mitte der 60er Jahre war ein veritabler Schock. Winfried Georg Sebald hat ihn eindringlich beschrieben in Die Ausgewanderten, aber auch im autobiografischen Teil seines Debüts Nach der Natur (1988). Der Schriftsteller wa