Don'ts und Donuts

Die Buchmacher Kate Raworth versucht, die Wirtschaftswissenschaft zum Umdenken zu bewegen
Ausgabe 21/2018
„Süße, frittierte Donuts mögen als seltsame Metapher für die Ziele der Menschheit erscheinen, doch dieses Bild sprach mir aus der Seele“
„Süße, frittierte Donuts mögen als seltsame Metapher für die Ziele der Menschheit erscheinen, doch dieses Bild sprach mir aus der Seele“

Foto: Andrew H. Walker/Getty Images

Wirtschaftswissenschaftliche Lehrbücher sind voller Grafiken und Modelle. Eine wesentliche Abbildung fehlt meist: die Entwicklung des Wirtschaftswachstums. Etwa, weil ohnehin jeder die exponentielle Kurve im Kopf hat? Oder weil die Ökonomen nicht wissen, wie sie den Graphen weiterzeichnen sollen – steil in den Himmel oder ab einem gewissen Punkt wieder abfallend?

Kate Raworth beschreibt diese Uneinigkeit mit der Parabel eines Flugzeugs. Die eine Hälfte der Passagiere ist davon überzeugt, dass das Flugzeug ewig weiterfliegen wird. Die andere Hälfte glaubt nicht daran und möchte die Landung vorbereiten. Das Problem: Keiner weiß, wie man landet. Wirtschaftswachstum ist ein zentrales Thema in Raworths Buch Die Donut-Ökonomie. Die Autorin ist nicht per se dagegen, plädiert aber für eine agnostische Haltung: „Unsere heutigen Volkswirtschaften benötigen Wachstum, unabhängig davon, ob es den Menschen nutzt. Wir brauchen aber eine Wirtschaft, die den Menschen nutzt, unabhängig davon, ob sie wächst oder nicht.“

Bereits als junge Frau wollte Raworth gegen die Umweltzerstörung und den Hunger in der Welt kämpfen. Sie entschied sich, in Oxford Wirtschaft zu studieren. Doch die theoretische Ökonomie frustrierte sie, „weil sie eigenartige Annahmen darüber traf, wie die Welt funktionierte“. Sie ging als Forscherin zu Oxfam und befasste sich mit den sozialen und ökologischen Krisen unserer Zeit. Dann zog es sie zurück in die Wirtschaftswissenschaften: Zeit für eine Generalüberholung von deren Geisteshaltung. Zeit, sich für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu wappnen. Den Anfang der Ökonomie sollten nicht die etablierten Theorien stellen, sondern das langfristige Ziel, die Bedürfnisse aller Menschen mit den Mitteln des Planeten zu befriedigen. Als Raworth sich daranmachte, ein Bild dieser Ziele zu skizzieren, entstand ein Donut. „Süße, frittierte Donuts mögen als seltsame Metapher für die Ziele der Menschheit erscheinen, doch dieses Bild sprach mir aus der Seele“, schreibt sie. Es ist in der Tat ein merkwürdiges Symbol – ausgerechnet ein Donut. Doch Raworth hat recht, wenn sie schreibt, dass Symbole und Bilder eine zentrale Auswirkung auf unser Verständnis der Wirklichkeit haben. So lächerlich der Donut erscheinen mag – gerade weil er so simpel ist, hat er das Potenzial, ein neues Narrativ zu symbolisieren. Es ist an der Zeit für ein neues Narrativ, daran besteht kein Zweifel.

Eine mögliche neue Erzählung umreißt Raworth in sieben Denkanstößen, die je ein Kapitel bilden. Darin erklärt sie ausschweifend, worin die konventionelle Überzeugung besteht und warum sie überwunden werden sollte. Dann stellt sie Alternativen aus verschiedenen Denkschulen vor, untermalt sie mit Studien und konkreten Geschichten von allen Kontinenten. Veraltet sei es, zu glauben, dass Wachstum langfristig für soziale und ökologische Gerechtigkeit sorgen wird. Ebenfalls umdenken lernen sollten Ökonomen in Bezug auf das System „Wirtschaft“. Raworth zufolge ist es in Natur und Gesellschaft eingebettet, dynamisch und komplex. Das kleinste Teilchen des Systems sei nicht der Homo oeconomicus, sondern ein sozial anpassungsfähiger Mensch. Diese Denkanstöße dürften Lesern, die mit Fragen der sozial-ökologischen Transformation betraut sind, bekannt sein. Wenn Raworth mit ihrer Idee die Ökonomie revolutionieren möchte, muss der Donut weltweit in die Lehrbücher. Und von dort in die Köpfe der Ökonomen von morgen.

Info

Die Donut-Ökonomie. Endlich ein Wirtschaftsmodell, das den Planeten nicht zerstört Kate Raworth Hans Freundl, Sigrid Schmid (Übers.), Hanser 2018, 412 S., 24 €

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