Doppel-Wumms von Olaf Scholz: Euphorie ist beim Gaspreisdeckel nicht angebracht

Meinung Wird es wirklich wummsen oder doch eher verpuffen? Olaf Scholz und seine Regierung haben ein 200 Milliarden teures Hilfspaket für die Energieversorgung angekündigt. Das ist gut. Aber der Teufel steckt im Detail
Ausgabe 40/2022
Kanzler Olaf Scholz
Kanzler Olaf Scholz

Foto: Michele Tantussi/AFP/Getty Images

Erneut beschert uns die Regierung einen unangekündigten Wumms, nein, einen „Doppel-Wumms“! Wie schon beim Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind die jetzigen 200 Milliarden Euro Schutzschirm für die Energieversorgung im Winter zunächst einmal das Geheimnis von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gewesen. Stolz präsentierten die drei ihren „Doppel-Wumms“ – ohne zu erklären, was genau darin enthalten sein soll. Klar ist bisher nur, dass die Umlage auf den Gaspreis nun gefallen ist, drei Tage bevor die Verordnung in Kraft treten sollte. Das hätte schon viel früher passieren müssen. Nicht nur, weil die Umlage juristische Mängel aufwies. Sie war von Anfang an ungeeignet, die Preise für den Winter zu stabilisieren. Die aufwendige Arbeit des Wirtschaftsministeriums: für die Tonne.

Stattdessen soll es jetzt ein Gaspreisdeckel richten, oder besser gesagt eine Gaspreisbremse, denn das klingt weniger nach einem Markteingriff, ist aber im Endeffekt dasselbe. Derzeit tagt noch die von der Bundesregierung eingesetzte Gaspreis-Kommission, um die Details auszuarbeiten. Aber egal wie man das Kind nun nennen mag: Am Ende muss feststehen, welcher Grundverbrauch für Haushalte und Unternehmen preislich gedeckelt wird.

Die Erfinderin des Gaspreis-Deckels, die Ökonomin Isabella Weber, die ebenfalls der Kommission angehört, schlägt ein Grundkontingent vor, das 5.000 Kilowattstunden pro Haushalt beträgt und bei dem jede weitere Person des Haushalts 2.000 Kilowattstunden bekommt. Eine andere Option wäre, den Grundverbrauch bei 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs zu deckeln.

Entscheidend wird sein, wie die Versorger, bei denen der Staat für die gestiegenen Preise nun einspringt, entschädigt werden. Sollten hauptsächlich sie profitieren, käme erneut die Übergewinnsteuer ins Spiel: Übermäßig hohe Gewinne im Energiesektor können so direkt wieder abgeschöpft werden. Auch Klimaauflagen für energieintensive Unternehmen müssten jetzt in den Gaspreisdeckel eingearbeitet werden. Immerhin ist es die Industrie, die einen Großteil der fossilen Energie frisst, also ein Sektor, der ohnehin klimafreundlich umgebaut werden muss.

Ebenso entscheidend wird sein, wie systemrelevante Bereiche wie Krankenhäuser, Schulen und Pflegeheime beachtet werden. Es darf sich auf gar keinen Fall wiederholen, was sich in der Coronakrise ereignet hat: dass die Schwächsten am meisten unter der Energiekrise zu leiden haben. Dass an der öffentlichen Infrastruktur bei einer Gesamtsumme von 200 Milliarden Euro gespart werden würde, wäre eine soziale Katastrophe.

Es hätte viel mehr Zeit gebraucht, geeignete Modelle zu berechnen, um den Verbrauch der Konsumenten und die Gewinne der Konzerne gezielt abschätzen zu können. Aber es liegt an der Blockade der FDP sowie an der schwachen Performance von Grünen und SPD, dass der Deckel erst jetzt kommt. Nun ist es allerhöchste Zeit. Die Gaspreise haben sich verdoppelt, könnten sich gar vervierfachen, Betriebe stehen vor der Insolvenz. Der „Doppel-Wumms“ muss schleunigst umgesetzt werden, sonst ist seine Ankündigung nichts anderes als eine Farce. Die Kommission hat nur noch eine Woche Zeit, eine Empfehlung darüber abzugeben, wie mit den 200 Milliarden verfahren werden soll. Es bleibt aber eine politische Entscheidung, wie sie verteilt werden. Und da ist viel Druck auf dem Deckel.

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