Mit dem Leslie-Lohman-Museum of Gay and Lesbian Art und dem New Museum begehen in diesem Jahr gleich zwei New Yorker Institutionen ein Jubiläum, die in ihrem Bemühen, einst frischen Wind in die Kunstwelt zu bringen, mittlerweile selbst ihren festen Platz in ihr gefunden haben. Gefeiert wird dementsprechend nonkonform: mit zwei Ausstellungen, die zu einem Zeitpunkt, da US-Politiker die gesellschaftlichen Uhren zurückdrehen wollen, aktueller nicht sein könnten.
Das Leslie-Lohman wartet zum 50. mit einem Best-of aus seiner 30.000 Exponate umfassenden Sammlung schwuler und lesbischer Kunst auf. Gezeigt werden Werke, die zu verschiedenen Zeiten an den Wänden etablierterer Institutionen keinen Platz fanden. Zeitgleich und nur einen Steinwurf entfernt versucht sich das ger
ch das gerade 40 gewordene New Museum in einer gleichermaßen fulminanten wie chaotischen Schau an der Brechung jener binären Muster, ohne die auch die Unterteilung schwul/lesbisch oft nicht auskommt. Das Ziel: ein institutioneller Rahmen für ein fließenderes Verständis von Gender.Dass es bis hierhin kein leichter Weg war, lässt sich in den jüngst erweiterten Räumen von Leslie-Lohman in SoHo nachvollziehen. Mehr oder weniger chronologisch erzählt Expanded Visions: Fifty Years of Collecting über vier Wände hinweg die Geschichte von Erfahrungen außerhalb der Norm. Ihren Anfang nahm die Sammlung Mitte der 1960er Jahre mit homoerotischen Zeichnungen nackter Männer im Loft der beiden Museumsgründer Fritz Lohman und Charles Leslie.David Hockneys Radierung zweier schlafender, nur bis knapp unter das Gesäß in eine Decke gehüllter Mittzwanziger von 1966 ist als eines der raffinierteren Beispiele ein Glanzstück dieser frühen Phase. Andere Werke, wie Marion Pintos schwerelose Pastel-Studie der beiden im Schwanentanz ineinander verflochtenen Lebenspartner Leslie und Lohman, beschäftigen sich offensiver mit der Ästhetik nackter – zunächst meist weißer – Männerkörper.Ursprünglich ein Zufluchtsort während der Stonewall-Unruhen in der unweit gelegenen Christopher Street, entwickelte sich die private Sammlung rasch in eine öffentliche mit eigenem Galerieraum. Sukzessive kamen Werke lesbischer und nicht-weißer Künstlerinnen hinzu, die den männlichen Blick aus der Perspektive marginalisierter Gruppen hinterfragen. Hinda Schumans Collage SUSAN + JEREMY (1985/86) überlagert mittels Doppelbelichtung das fotografische Antlitz ihres Ex-Mannes und das ihrer Geliebten so gekonnt, dass just dort, wo eigentlich das linke Auge des einen sein sollte, hell weiß das Ohr der anderen durchschimmert.Badende SoldatenMit seinem monothematischen Schwerpunkt auf schwule und lesbische Kunst ist das Museum bis heute weltweit einzigartig – auch wenn es über die Jahre den Fokus um die Frage nach geschlechtlicher Identität erweitert hat, auch jenseits von Mann und Frau. Von den Fotografien badender Soldaten in Vietnam bis zu den Werken queerer Künstler*innen wie Janet Bruesselbach oder Ianna Book ist es ein beachtlicher Bogen, den die Ausstellung aber ohne Mühe spannt.Bruesselbach, 1984 geboren, erkundet mit ihren lebensgroßen Öl-Porträts nackter Transfrauen neue Modelle „weiblicher“ Schönheit. Ihr Gemälde A Lady Betwixt (Robin) ist eine an strahlendem Körperbewusstsein und farblicher Intensität kaum zu übertreffende Charakterstudie vor dem häuslichen Hintergrund eines nussbraunen Küchentischs. Eine Fotografie der 1973 geborenen Ianna Book zeigt die Trans-Künstlerin selbst mit gebrochener Nase und frisch genähtem Haaransatz unmittelbar nach einer geschlechtsangleichenden Operation. Sie unterstreicht den Status des Selbstporträts für eine selbstbestimmte Darstellung geschlechtlicher Identität.Placeholder gallery-1Im benachbarten Bowery geht das New Museum mit Trigger: Gender as a Tool and a Weapon einen Schritt weiter und stellt die Möglichkeit der Repräsentation selbst in Frage. Die Ausstellung beginnt mit der raumgreifenden Videoinstallation Toxic (2012) der Berliner Filmemacherinnen Pauline Boudry und Renate Lorenz: In einer Landschaft aus Glitter und Topfpflanzen sitzt der Performancekünstler Werner Hirsch im Drag-Outfit und setzt einen Monolog des Autors Jean Genet in Szene. „Da wo ich bin“, markiert seine sichtlich in die Enge getriebene Figur einem Kamerateam die Grenzen, „sind die Ränder. Sie repräsentieren die Norm. Sollte ich im Moment ungehalten sein, dann weil ich gerade dabei bin, diesen Rand in Richtung der Norm von Museen und Ausstellungsräumen zu verlassen.“ Die Installation stiftet so den roten Faden für eine Ausstellung, die in ihrer Heterogenität oft zu zerfasern scheint. Mit einem mehrere Meter langen Haarzopf, verbindet Diamond Stingily zwar die drei Stockwerke des Museums symbolisch durch die dicken Betondecken hindurch. Die Knoten, mit denen die einzelnen Teile des Strangs zusammengehalten werden, nehmen aber auch die Brüche vorweg, die Trigger durchziehen. Mit mehr als 40 Künstlerinnen und Künstlern setzt sich die Schau nicht nur über Geschlechter- und Generationengrenzen hinweg, auch die Vielzahl an Genres und Medien lässt sich kaum auf einen Nenner bringen.Einen Reim auf dieses Chaos macht man sich am besten im dritten Stock vor einem schaufenstergroßen Spiegel, auf dessen Rückseite Szenen aus dem historischen Stonewall Inn projiziert werden, das in den 1970ern in der Christopher Street der Ausgangspunkt für die Lesben- und Schwulenbewegung war. Die Dellen auf der Rückseite – Anspielungen auf die Unruhen von 1969 – verzerren beim Betrachten auch das eigene Spiegelbild. So wird die Frage nach der Identität über Bande an den Betrachter zurückgespielt, dessen eigener Blickwinkel als – in diesem Fall weißer, männlicher – Ausstellungsbesucher ebenfalls das Ergebnis verschiedener sozialer Konstrukte ist.Gleichsam hinterfragt Trigger die Voraussetzungen für die Produktion von Kunst vor dem Hintergrund geschlechtlicher Identität und stellt diese in Beziehung zu ethnischer, sexueller und sozialer Zugehörigkeit. Bei Tschabalala Self problematisiert der titelgebende Wild Blue Cherry Drink die stereotype Darstellung des schwarzen weiblichen Körpers – pralles Gesäß und üppige Schenkel –, indem sie ihn als Umriss in die Nähe einer bauchigen PET-Flasche rückt, deren Inhalt – Tropical Fantasy, artificially flavoured – konsumiert wird. Ulrike Müller schließlich manipuliert mit ihren Glas-Emaille-Kompositionen die nur scheinbare Symmetrie geometrischer Anordnungen. Und zeigt auch: Kunst mag ein wunderbares Mittel der Kritik sein. Richtig spannend wird es aber, wenn es gelingt, künstlerische Repräsentation auch da zu fassen, wo sie sich jenseits von konkreter Darstellung und Begiffen wie Waffe und Werkzeug bewegt.Placeholder infobox-1