Zeitungspapier zu Webseiten, Flugreisen zu Videokonferenzen, Haushaltsgeräte zu Netzwerken. Die ökologische Verheißung der Informationsrevolution kennt viele Variationen des bekannten Bibelspruchs. Im Wissenschaftsjargon heißt das nüchtern: Dematerialisierung. Noch sind solche Visionen aber eher eine Frage des Glaubens. Denn bislang bringt die Computerisierung von Wirtschaft und Alltag gewaltige Abraumhalden und Milliarden Kilowattstunden zusätzlich verbrauchter Energie hervor. Weltweit gibt es gegenwärtig nach Schätzungen des Industrieverbandes Bitkom 625 Millionen PCs, 183 Millionen Webserver und 1,2 Milliarden Handys sowie Unmengen Drucker, Kopier- und Faxgeräte.
Um diese Hardware herzustellen, sind bis zu 700 verschiedene Substanzen nöti
stanzen nötig. Verschiedene Studien haben einem durchschnittlichen PC einen ökologischen »Rucksack« von 16 bis 19 Tonnen Rohstoffen zugeschrieben, die für Herstellung und Betrieb verbraucht werden. Mit der Produktion eines einzigen Personalcomputers sind Kohlendioxid-Emissionen von 2,5 Tonnen verbunden, hochgerechnet auf den Gesamtbestand also 1,5 Milliarden Tonnen des Treibhausgases - doppelt so viel wie ganz Afrika in einem Jahr in die Luft bläst.Diese Zahlen sind seit längerem bekannt und eignen sich gewiss für ein leichtes Gruseln. Erst recht, wenn man bedenkt, dass auch das Internet mit seinen Knotenrechnern, den sogenannten Routern, 24 Stunden am Tag Energie benötigt. Den Energiehunger des gesamten Netzes schätzt die Unternehmensberatung Arthur D. Little in einer Studie für das US-Energieministerium vom Januar 2002 auf 81 Milliarden Kilowattstunden - immerhin 2,3 Prozent dessen, was jährlich aus Amerikas Kraftwerken strömt. Es gibt aber auch einige positive ökologische Trends, die sogar im ökonomischen Interesse der Computerindustrie liegen. Die Miniaturisierung ist wahrscheinlich der wichtigste. »1985 brauchten Sie noch zwei Leute, um ein Magnetspeicherlaufwerk mit 500 Megabyte zu tragen«, sagt Reinhard Höhn von IBM, der den Umweltausschuss von Bitkom leitet. Heute ist der IBM Microdrive mit einem Gigabyte Kapazität so groß wie eine Streichholzschachtel. Wenn die Speicherdichte bei Festplatten steigt, können die Lesegeräte verkleinert werden, ihr Antrieb ist dann auch mit weniger Energie möglich. Auch bei den verwendeten Materialien tut sich etwas, wie der vom japanischen Hersteller NEC im August vorgestellte PowerMate eco zeigt. Das Lötzinn der Platinen ist bleifrei, das Flüssigkristalldisplay kommt ohne Bor aus, der Flammhemmer des recyclebaren Plastikgehäuses ohne Halogene. Derartige Verbesserungen sind auch bei den ersten »grünen« Handys zu verzeichnen. Die Vernetzung von Rechnern kann ebenso positive ökologische Effekte haben. Ein Beispiel ist die T-NetBox, die im Prinzip jedem der 27 Millionen ISDN-Anschlüsse in Deutschland zugänglich ist. Würden alle Angeschlossenen sie nutzen, ließen sich 99 Prozent der Standby-Energie von Anrufbeantwortern und entsprechend ein Drittel der Jahresproduktion eines Steinkohlekraftwerks einsparen. Zu diesem Ergebnis kommt das Öko-Institut Freiburg, das den vielen kleinen Kisten in deutschen Hausfluren den Bedarf der Telekom-Server gegenüberstellte, die den Dienst abwickeln. Rechnet man noch die Möglichkeit der Fax-Umleitung auf PCs über die T-Net-Box mit ein, könnten noch einmal neun Millionen Faxgeräte eingespart werden.Einen begrenzten Beitrag leisten auch Laptops. Sie verbrauchen bei durchschnittlicher Nutzung 95 Wattstunden am Tag, während ein PC auf 810 Wattstunden kommt. Auch die Abwärme verringert sich und damit der Bedarf an Lüftern oder Klimaanlagen, die als große Stromfresser bekannt sind. Und: Die stromziehenden und umweltbelastenden, weil häufig Schwermetalle enthaltenden Monitore verschwinden zugunsten sparsamerer Flüssigkristall-Displays.Würden sämtliche Ansätze des Energiesparens im großen Maßstab verwirklicht, ergäbe sich das, was die Studie von Arthur D. Little als »Greening of IT«, als Ökologisierung der Informationstechnik bezeichnet. So ließe sich der Energieverbrauch zumindest für den Rechnerpark der US-Wirtschaft von 2000 bis 2010 um ein Viertel senken. Sollte alles so PC-zentriert bleiben wie heute, stiege dagegen der Verbrauch um zwei Drittel. Aufkeimende Euphorie sollte man sich dennoch verkneifen. Derzeit werden alle Einsparungen, die sich aus effizienterer Technik ergeben, von der schieren Masse des Absatzes aufgezehrt. Diese Bilanz dürfte frühestens 2007 umkippen, hat das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin prognostiziert. Anders als auf dem gesättigten Markt der Haushaltsgeräte gelingt es dem IT-Sektor immer noch, neue Produkte zu verkaufen, obwohl der Bestand nicht ansatzweise verschlissen ist. Bislang weiß auch niemand, wie der ideale »Greening-of-IT«-Rechner aussehen muss: Werden es UMTS-Telefon-Handhelds sein oder die gerade aufkommenden Tablet-PCs mit beschreibbarem Display, das allen heutigen Notebooks noch fehlt? Unbeantwortet ist auch die Frage, wer die treibende Kraft sein kann, um die positiven Trends durchzusetzen: die Verbraucher, die Politik, die Industrie? Und der Wettbewerb verhindert bisher, dass Hard- und Software zu Baukastensystemen geformt werden, deren Teile der Nutzer selbstständig austauschen kann. Inkompatibilität gilt noch immer als Waffe gegen die Konkurrenz.Und indem ich dies schreibe, bin ich schon Teil des Problems. Mein Laptop ist vier Monate alt, weil der PC von 1997 zu statisch und zu langsam war. Er war zuletzt bis zu zwölf Stunden am Tag im Einsatz und dank billigem Internet-Zugang permanent online. Die Recherche hat gut und gern zwei Kilowattstunden verschlungen oder 1,2 Kilogramm CO2 in den Äther geblasen. Selbst Notizen zum Fortschritt haben ihren Preis.