A–Z Von wegen niedergeschlagen: Ein Amerikaner hat den Ironman in Florida absolviert – als erster Mensch mit Trisomie 21. Darauf erst mal einen Sundowner. Unser Wochenlexikon
Action Videocalls, Public Viewing und Coolness: Alles Anglizismen, die längst zur deutschen Mehrheitsgesellschaft gehören. Der Lockdown hat sich weltweit etabliert. Die Frage „Bist du down für die Action?“ ist Jugendsprache. „Down sein“ meint dabei kein emotionales Tief (➝ Up). Sondern ist dem englischen „I’m down for that“ (Ich bin dabei) entlehnt. Und ersetzt damit die altbackene Formulierung „Hast du Lust?“. Es klingt einfach lässiger. Sind wir im Moment „down“ für ein Telefonat mit Freunden, die weit weg leben, für Heimkino-Abende oder Spaziergänge?
In diesem Sinne fragt auch die R&B-Sängerin Ace Tee in ihrem Track Bist du down?, den sie 2016 mit dem Rapper Kwam.E aufna
Track Bist du down?, den sie 2016 mit dem Rapper Kwam.E aufnahm: „Bae, sag’ mir, bist du wirklich down für Ehrlichkeit in Zweisamkeit?“ Hat auf alle Fälle schon mal ’n ganz anderen Vibe als: „Bist du bereit für eine ernsthafte Beziehung?“ Ben MendelsonBBiorhythmus Einschlafstörungen, nervöse Unruhe? Das Problem ist weitverbreitet, Abhilfe versprechen pflanzliche Downer. In der Drogerie füllen Teemischungen mit Lavendel, Hopfen und Melisse eine komplette Regalreihe. Das Schaufenster der Apotheke ziert ganzjährig eine überdimensionierte Baldriandrageepackung. Ist das schon ein Krankheitssymptom oder einfach nur eine Frage des Chronotyps? „Morgens bin ich immer müde, aber abends bin ich wach“, trällerte Trude Herr 1960. Die Sängerin war vermutlich keine Lerche, sondern eine Eule. Erstgenannte sind morgens schon vor dem Weckerklingeln wach, die anderen wanken im Halbschlaf Richtung Kaffeemaschine. Irgendwann im Laufe des Tages sehnen sich alle nach einem Mittagsschläfchen: das berühmte Nachmittagstief, gegen das wir ankämpfen, um zu funktionieren. In unserer Arbeitswelt kräht leider kein Hahn nach unserer inneren Uhr. Wäre das anders, müssten wir zum Feierabend nicht verzweifelt versuchen, runterzukommen. Martina MescherCCrocodile Dundee Früher gab es „guilty pleasures“, heute muss man sich eingestehen, dass bestimmte Filme „nicht mehr gehen“. Die australische Hit-Serie um den „Krokodiljäger“ Mick Dundee (Paul Hogan) aus den 1980er Jahren gehört unbedingt dazu. Schon die deutsche Titelübersetzung Ein Krokodil zum Küssen ist reiner Achtziger-Schmalz; die Filme selbst gleichen einem wahren Museum des schlechten Geschmacks: schale Machowitze, bizarre Frisuren und ein geradezu mit Stolz vor sich hergetragener Rassismus. Man sitzt heute davor wie ein Außerirdischer vor dem Milchaufschäumerquirl. Die berühmteste Dialogzeile aus dieser merkwürdig unflotten Komödie über den Gegensatz von Wildnis und Großstadtdschungel lautet: „Das ist doch kein Messer – das ist ein Messer!“ Aber: Millionen von Menschen auf der ganzen Welt haben seinerzeit darüber gelacht. Für Australien, das Land „Down Under“, war es die beste Imagewerbung, die es je erlebt hatte. Anfang 2018 kamen Trailer in Umlauf, die ein Sequel mit Down-Under-Starbesetzung von Margot Robbie bis zu Russell Crowe ankündigten – was sich dann Gottseidank als von langer Hand geplante Werbekampagne des australischen Tourismusverbands herausstellte. Good on ya, mate. Barbara Schweizerhof DDown-Syndrom „Habt ihr es vorher gewusst?“ Diese Frage hören Eltern von Kindern mit Down-Syndrom oft. Wenn man bejaht, kommt schon mal ein „Respekt“ als Antwort zurück. Oder man wird bedauert, weil das Kind diese „Krankheit“ habe. Das Down-Syndrom ist aber keine Krankheit, sondern eine genetische Besonderheit, die unveränderbar ist. Menschen mit Down-Syndrom haben meistens 47 Chromosomen. Bei ihnen ist das 21. Chromosom dreimal vorhanden. Darum spricht man von Trisomie 21. Das kann viele medizinische Auffälligkeiten mit sich bringen, Herzfehler oder eine verminderte Muskelspannung. Die geistige und motorische Entwicklung verläuft meist verzögert, sodass ein Kind mit Down-Syndrom meist später sitzt, geht oder spricht. Der Name geht übrigens auf den britischen Arzt John Langdon Down (1828 – 1896) zurück. Behrang SamsamiFFahrstuhl Es war Ende der 1990er Jahre, ziemlich kalt. Wir standen ehrfürchtig vor dem Gebäude der New York Times. „Up the down staircase“, sagte mein Vater, er wollte möglichst authentisch klingen. So schnell es nach oben geht, so schnell kann es auch wieder nach unten gehen, sagte mein Dad. Er wollte mir was fürs Leben beibringen. Später begegnete mir der Spruch wieder: Mit dem Bild-Aufzug rauf und wieder runter – als Formel für zweischneidige Kampagnen im Boulevardjournalismus. Beispiel Christian Wulff: erst up, dann down. Maxi Leinkauf KKlasse Billy Joel hatte viele Hits, Uptown Girl ist sein größter. Der Sixties-Soul-Pop-Smasher von 1983 erzählt von einem Downtown Man und dessen Mädchen, das in einer anderen Liga spielt. Es gibt einen autobiografischen Hintergrund – Joels damalige Beziehung zu dem Model Elle Macpherson –, aber man kann das Stück universeller verstehen, wie das Video mit seinen Tanzchoreografien zeigt: Es spielt in einer Hinterhof-Autowerkstatt – einem Ort, den das aus der Bronx stammende Arbeiterkind Joel sehr gut kannte (➝ Villenviertel). Der Musiker, im Video ein Automechaniker, wundert sich, wie er bei dem in einer Weißbrot-Welt lebenden Model landen konnte: „Das sollte allen hässlichen Jungs da draußen Hoffnung geben!“ Marc PeschkeMMetal Nimm die Depressionen des Grunge, seine verzerrten Gitarren, schütte Sludge Metal-Riffs darüber, zäh und schwer wie Schlamm, der an den Füßen klebt, voilá: NOLA (1995), das erste Album der legendären Band Down, einer Metal Super Group um den Pantera-Sänger Phil Anselmo.Down hatten alles, was heavy music in den 90er Jahren ausmachte: „A bout of deep depression“. Knarzige Gitarren, die Anselmos, damals noch grandiosen Gesang (Vocals eines Quartalssäufers mit der bisweilen zart brechenden Stimme eines Teenagerjungen im Körper eines drogenversifften Endzwanzigers), flächig überdecken, begraben. Bury me in Smoke, oder in Gitarrenriffs. Kein Schnitzer der Produktion, Absicht. Das Video zur Single Stone the Crow wird in einer halbabgesoffenen Bar in Louisiana gedreht, einem ehemaligen Shrimp Kutter. Das Schiff der Band Down wiederum sank, nachdem Anselmo volltrunken auf der Bühne einen Hitlergruß zeigte. Down down down, kein Schiff ist unsinkbar. Marlen HobrackSSundowner Er war ursprünglich eine Tradition der Royal Navy, die sich zu Zeiten von Admiral Nelson entwickelte, um alle Offiziere auf den Booten, die im Schichtdienst arbeiteten, einmal am Tag zu versammeln. Das war noch bis 2010 auf Schiffen der britischen Marine gang und gäbe, wenn sie in auswärtigen Häfen lagen, bis zum Verbot am 12. März 2010 durch das Verteidigungsministerium. Der Tag gilt unter den Seeleuten als schwärzester Tag seit dem 31. Juli 1970, als das letzte Mal Rumrationen an sie ausgegeben wurden. Weil die britische Flotte meist in kolonialistischem Auftrag unterwegs war, ist der Begriff auch an Land gegangen und beschrieb vor allem kleine vorabendliche Cocktail-Events, wenn die weiße Oberschicht Sonnenuntergängen zuschaute. Von dort ist der Sundowner in den deutschen Sprachschatz übergegangen. Als Sundowner kann daher eigentlich jeder Aperitif getrunken werden, auch der Negroni, noch passender aber sind Sherry, Gin Tonic oder Pimm’s Cocktail No. 1, die britische Entsprechung zum Aperol Spritz. Jörn Kabisch UUp Wer sagt: „Ich bin total down!“, fühlt sich meist erschöpft, traurig oder einsam. Gerade in unserer Zeit des „physical distancing“ sind die seelischen Folgen für große Teile der Bevölkerung bisher kaum abschätzbar. Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen, wir alle sind gesellige Wesen, angewiesen auf Kontakt und Nähe. Kein Wunder, wenn sich gerade viele Menschen „down“ fühlen – noch dazu, wenn die Tage kürzer werden und die meisten von uns vom heimischen Schreibtisch aus arbeiten müssen.2020 boomen Podcasts. Auch solche, die sich mit mentaler Gesundheit beschäftigen. Miriam Davoudvandi spricht zum Beispiel in Danke, gut mit Leuten aus dem öffentlichen Leben über Depressionen und psychische Probleme. Sie ermuntert damit ihre Zuhörenden, diese Dinge auch im Freundes- und Familienkreis offen anzusprechen. Die Hürden sind oft hoch, dabei sind Depressionen (➝ Metal) kein Tabu mehr. Niemand muss den Village People glauben, wenn sie in YMCA singen: „Young man, there’s no need to feel down.“ Und auf jedes „Down“ folgt ein „Up“. Das können kleine Dinge im Alltag sein, Sonnenstrahlen, ein freundlicher Blick, den man auf Straße zugeworfen bekommt. Viele fühlen sich schon dadurch besser, in ihrer Lage gehört zu werden. Manchmal hilft gegen Einsamkeit, John Lennon zu hören. „I’m in love for the first time / Don’t you know it’s gonna last / It’s a love that lasts forever“, singt er über die ewige Liebe für Yoko in dem Song Don’t let me down. Ben MendelsonVVillenviertel Die schwäbische Variante von Billy Joels Uptown Girl (➝ Klasse) ist Killesberg Baby. Aus „She is living in her uptown world“ und „Now she’s looking for a downtown man“ wird bei Thomas D von den Fantastischen Vier: „Sie kam vom Dach der Stadt und macht mich platt.“ Downtown, das hieß in seinem Fall: „Ich bin aus Heslach.“ Das ehemalige Arbeiterviertel wurde damals auch die Schwaben-Bronx genannt, im Jugendhaus Heslach waren die Fantastischen Vier „down“ mit ihren Homies. Als Killesberg Baby 1997 auf Thomas Ds Album Solo erschien, spielte er allerdings längst in einer anderen Gehaltsklasse.23 Jahre später ist der Killesberg immer noch ein gediegenes Villenviertel mit Premium-Blick über den Stuttgarter Kessel. Heslach hingegen hat wie alle irgendwie noch innerstädtischen Viertel Gentrifizierung und Verdrängung der weniger Wohlhabenden erlebt. Als Friseur, wie Thomas D vor seiner Karriere einer war, hat man es auch hier heute nicht mehr leicht. Christine KäppelerZZielführend Ähnlich wie „suboptimal“, „Raumpfleger“ oder „passing“ (für schlichtes Sterben) ist auch „Downsizing“ einer jener lächerlichen, sich jedoch in alle Bereiche des Alltages einschleichenden Euphemismen, die schlechte Nachrichten grundsätzlich in hübsche, ansehnliche Päckchen verpacken. Gemeint ist damit das größte Tabu in der absurden Welt ewigen Wachstums: das Reduzieren – und nicht von Saucen. Verkleinern, kürzertreten, Ziele herabsetzen, abbauen – natürlich auch immer wieder Arbeitsplätze. Wie sehr sich CEOs auch winden, wie sehr sie versuchen, dem hässlichen Wort „Down“ mit dem „Size“ noch etwas Größe beizumischen; es geht ums Schrumpfen. Marc Ottiker
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