Drei zwei eins - keins

Friedens-Demo in Berlin Veto gegen die drei Afghanistan-Mandate

Die Herbst-Abstimmungen im Bundestag über die Verlängerung der Bundeswehreinsätze in Afghanistan hätten spannend werden können, freilich will die Regie der Koalitionsfraktionen dafür sorgen, dass alles wie gewohnt abläuft: Auslandseinsatz? Zustimmung einer Mehrheit im Hohen Haus wie gehabt.

Trotzdem dürfte diesmal nicht alles so reibungslos vonstatten gehen. Die Linksfraktion wird ihr Gegenvotum bekräftigen, zweitens wird den von der Basis erzwungene Göttinger Sonderparteitag der Grünen am 15. September ins Gewicht fallen, drittens dürfte eine bundesweite Demonstration der Friedensbewegung am gleichen Tag in Berlin ihre Wirkung hinterlassen - viertens lehnt weiter eine große Mehrheit der Bevölkerung die Militärpräsenz am Hindukusch strikt ab. Nicht dass die politische Klasse jemals besonderen Wert auf die Mehrheitsmeinung des Wähler gelegt hätte - es sei denn, man befand sich mitten im Wahlkampf -, sie könnte in diesem Fall doch ernster genommen werden, weil sie sich den Weg bis in die Leitartikel der großen Zeitungen gebahnt hat.

Afghanistan ist zu einem öffentlichen Thema geworden. Schon die Erteilung des ersten Mandats, die Teilnahme an der von den USA nach dem 11. September 2001 begonnenen Operation Enduring Freedom (OEF) geriet im November 2001 zu einer Zitterpartie für die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder. Dabei hätte sich die Regierung auf eine satte Mehrheit von etwa 95 Prozent des Hohen Hauses stützen können - alle Fraktionen außer der PDS waren für das Mandat. Der SPD-Kanzler aber wollte die wenigen Dissidenten in den eigenen Reihen durch die Verknüpfung mit der Vertrauensfrage in die Knie zwingen. Ergebnis: Vier der acht grünen Nein-Sager mussten mit Ja stimmen - vier durften ihrem Gewissen folgen. Zur Stimmabgabe gegen ihr Gewissen wurden auch die Fraktionen von CDU/CSU und FDP gezwungen: Liebend gern hätten sie dem Kriegseinsatz zugestimmt, mussten aber ablehnen, weil sie Schröder nicht das Vertrauen aussprechen wollten. Wieder einmal war zu erfahren - es ist in der parlamentarischen Praxis keineswegs einfach, der im Grundgesetz verankerten Abgeordnetenpflicht zu folgen und allein dem "Gewissen" verpflichtet zu sein.

Sechs Jahre später geht es nicht nur um den Antiterror-Einsatz mit dem Label OEF, sondern auch um die im Dezember 2001 vom UN-Sicherheitsrat abgesegnete Stabilisierungsmission ISAF und den im März 2007 erstmals beschlossenen Tornado-Einsatz der Bundeswehr, gegen den sich neben der Linksfraktion 21 grüne Abgeordnete und ein Drittel der SPD-Parlamentarier aussprach. Ihnen wird das Leben nun dadurch erschwert, dass Tornado- und ISAF-Mandat in einem Antrag zusammengefasst werden, was sachlich gerechtfertigt sein mag, da die Tornados ausdrücklich Teil von ISAF sind. Für die Abgeordneten, die für ISAF sind, aber den Tornado-Einsatz ablehnen, heißt das entweder beides abzulehnen oder beides zu befürworten.

Also wird im Vorfeld der Entscheidung einmal mehr die These lanciert, im Gegensatz zu OEF handele es sich bei ISAF um eine "zurückhaltende" Mission, die allein dem Schutz gegen terroristische Angriffe diene. Mit dem Kriegsalltag in Afghanistan hat dies wenig zu tun, denn beide Einsätze sind sowohl institutionell als auch räumlich miteinander verzahnt - auf Kommandoebene ist der OEF-Kommandeur zugleich stellvertretender Kommandeur von ISAF und Chef des Regionalkommandos Ost der ISAF. "ISAF tritt in die Fußstapfen der Antiterrorkrieger", heißt es nicht zufällig im Friedensgutachten 2007 der fünf großen deutschen Friedensforschungsinstitute.

Wenn die Friedensbewegung am 15. September in Berlin gegen die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan demonstriert, hat sie demzufolge alle drei Mandate im Auge: Sie sagt, Deutschland muss sich aus dem Antiterrorkrieg im Rahmen von OEF zurückziehen, denn die Strafverfolgung von Terroristen ist nicht Sache des Militärs, sondern rechtsstaatlicher Institutionen, die auch sonst für die Verbrechensbekämpfung zuständig sind. Die Bundeswehr sollte ihre Tornados ebenso abziehen wie ihr ISAF-Kontingent, damit zivile Hilfe neutral und vom Militär unabhängig geleistet werden kann, und zwar dort, wo es von der afghanischen Bevölkerung gewünscht wird.

Der Autor ist Politologe an der Uni Kassel und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag.


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