Leseprobe
Morgens entspannt aufstehen, zur Uni trotten, bis nachmittags Seminare und Vorlesungen besuchen, danach einen Kaffee und dann die Veranstaltungen ganz gelassen nach- und für den nächsten Tag vorbereiten – so stellen sich wohl nicht wenige Hochschulentscheider den gemächlichen Tagesablauf eines Studenten oder einer Studentin vor. Die Realität ist freilich eine ganz andere: Nicht wenige müssen morgens vor der Uni schon den ersten Job erledigen und abends noch Sprachunterricht geben oder kellnern, um die schmale Balance zwischen den Studienanforderungen einerseits und der Notwendigkeit des Geldverdienens andererseits bewältigen zu können. Und wohl kaum eine Studentengeneration vorher hat so unter finanziellem Druck gestanden wie die heutigen
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gestanden wie die heutigen Kommilitonen.739 Euro muss der statistische »Normalstudent« in Deutschland pro Monat für den Lebensunterhalt aufbringen, den Großteil davon für Miete (266 Euro) und Ernährung. Ausgaben für die Freizeitgestaltung sind darin allerdings noch nicht berücksichtigt. Und auch die Studiengebühren sind in diesen Zahlen des Deutschen Studentenwerks (DSW) noch nicht enthalten – sie kommen bei 500 Euro pro Semester noch einmal mit monatlich gut 83 Euro dazu. Multipliziert man das Ganze mit der durchschnittlichen Fachstudiendauer von 6,9 Semestern, die die HRK für ein Bachelor-Studium ermittelt hat, werden daraus (822 x 6 x 6,9) satte 34.030 Euro und 80 Cent, die Nachwuchsakademiker alleine bis zum Bachelor-Examen aufbringen müssen. Kein Wunder, dass nach Ergebnissen der Sozialerhebung 63 Prozent der Studierenden im Erststudium jobben beziehungsweise jobben müssen, und von denen sogar ein Drittel nicht nur während der Semesterferien, sondern auch parallel zu den Vorlesungen und Seminaren. Diese Realität aber ist in den Köpfen der Bildungspolitiker und auch vieler Professoren noch gar nicht angekommen. „Ihr Job im Baumarkt kann doch wohl nicht so wichtig sein wie mein Einführungsseminar“, sagt da beispielsweise der Dozent und zieht ungläubig die Augenbraue nach oben. Trotz jahrzehntelanger einschlägiger Berichte des Studentenwerks gelten Studenten mit regelmäßiger, paralleler Erwerbstätigkeit immer noch als Exoten. Da kommen nach der Sozialerhebung schnell mal 50 Stunden und mehr pro Woche zusammen, die für Job und Studium verbraucht werden. Durchschnittlich, so das DSW, bringen diese Jobs rund 308 Euro im Monat. Und das bedeutet: Neben der Erwerbstätigkeit kommen Studierende in der Regel nicht ohne weitere Finanzquellen aus. Das elterliche Portemonnaie, BAföG und Ersparnisse sind da als die wichtigsten Quellen zu nennen.Für die Studierenden allerdings bedeutet das auch: Durch die zunehmende Strukturierung und Verschulung vieler Studiengänge kommt es zu einer ungeheuren Arbeitsbelastung und mitunter zu erheblichen Zeitkonflikten. DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde fordert deshalb kategorisch: »Die Bachelor-Studiengänge müssen auch für Studierende studierbar sein, die sich über einen Nebenjob fi nanzieren.« Problematisch ist hier vor allem, dass die Hochschulen – trotz der nachgewiesenen hohen Erwerbstätigkeitsquote unter ihren Studierenden – immer noch davon ausgehen, dass Studenten im Normalfall ihr Leben schon irgendwie finanziert haben und sich im Wesentlichen um ihr Studium kümmern können. Ein Trugschluss, der seit Jahrzehnten immer und immer wieder gezogen wird: Der Typus des vollfinanzierten Studenten ist eine Fiktion. Denn 40 Prozent der Nachwuchsakademiker berichten von einer unsicheren Studienfi nanzierung, sieben Prozent haben ein Kind, acht Prozent eine gesundheitliche Beeinträchtigung. Nach den DSW-Zahlen befindet sich ein Viertel aller Studierenden de facto im Teilzeitstudium – ohne dass die Hochschulen von ihren Lehr- und Lernstrukturen her darauf irgendwie reagiert hätten. Meyer auf der Heyde: »Auf diese Gruppen von Studierenden ist der Bologna-Prozess so gut wie gar nicht eingestellt.« Und die deutschen Hochschulleitungen sind es ganz offensichtlich auch nicht.Wer wenig Geld hat, sollte sich unter diesen Aspekten ein Studium noch einmal doppelt überlegen. Und dieser soziale (beziehungsweise finanzielle) Abschreckungseffekt lässt sich auch nicht dadurch wegdiskutieren, dass man – wie etwa in den USA – auf ein breit ausgebautes Stipendiensystem verweisen könnte. Während jenseits des Atlantiks zwar teilweise absurd hohe Studiengebühren verlangt werden, gibt es aber auch parallel ein großes Kontingent von bis zu einem Drittel aller Studenten, die per Stipendium erheblich reduzierte Gebühren zahlen oder sogar völlig kostenfrei studieren können. Anders bei uns: In Deutschland kommen derzeit gerade einmal höchstens zwei Prozent der Studierenden in den Genuss von Stipendien. Das ist noch weniger als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, auch wenn einzelne Bundesländer wie NRW mittlerweile damit begonnen haben, zusätzliche, aus privaten Mitteln fi nanzierte Studienstipendien auf den Weg zu bringen. Bundesweit tut sich in dieser Hinsicht herzlich wenig – obwohl in der Debatte um die Einführung von Studiengebühren immer wieder hoch und heilig versprochen worden war, dass es flankierende soziale Maßnahmen geben werde, wenn die Campusmaut denn käme. Sie kam – doch die flankierenden Maßnahmen blieben Stückwerk und allenfalls Schönheitsreparaturen. Über gebrochene Zusagen sollte man sich als Student jedenfalls nicht wundern.Mit am deutlichsten erfuhren das die Studenten der Universität Hohenheim. Dort war im Frühjahr 2009 ein 3,2 Millionen Euro großes Haushaltsdefizit aufgetaucht – und das Unirektorat kam schnell auf die Idee, dass man dieses Loch doch ziemlich gut mit den Studiengebühren füllen könnte, die ja Semester für Semester gewissermaßen automatisch auf das Hochschulkonto gespült werden. Nun gibt es in Hohenheim eine gewisse Tradition, die Gebühren ziemlich freihändig einsetzen zu wollen: Diskutiert worden war auch schon einmal darüber, ob man mit der den Studenten abgepressten Zwangsabgabe nicht auch die gestiegenen Heizkosten begleichen könne. Und jetzt also das Haushaltsloch. Dumm nur, dass es da eine ältere Selbstverpflichtung des Rektors gab: Der hatte nämlich irgendwann einmal versprochen, 90 Prozent der Gebühren nicht gegen den Willen der Studierenden auszugeben. Sichergestellt wird das durch die Vereinbarung, dass der Rektor und der studentische AStA jeweils zehn Prozent der Gebühren zur freien Verfügung bekommen, die sie dann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben (Verbesserung der Lehre) einsetzen können. Die restlichen 80 Prozent werden in gegenseitigem Einvernehmen ausgegeben. Vielleicht ist es so zu erklären, dass es bei der Wahrnehmung der entscheidenden Sitzung des Hohenheimer Universitätsrats zu völlig verschiedenen Darstellungen der Ereignisse kam: Während die Universitätsleitung von „demonstrativer Einheit“ schwärmte und den Eindruck vermittelte, die Studenten hätten der Haushaltssanierung mit ihren Gebührentalern zugestimmt, sah sich der AStA genötigt, eine geharnischte Klarstellung zu verbreiten: Von demonstrativer Einigkeit sei „nichts zu spüren“ gewesen, es habe noch nicht einmal einen Beschluss zur Verwendung der Gebühren gegeben. Gestärkt fühlten sich die Studentenvertreter auch durch eine Urwahl, die sie im Januar 2009 durchgeführt hatten und bei der sich 92 Prozent der Kommilitonen gegen die Verwendung der Studiengebühren zum Ausgleich des Haushaltsdefizits ausgesprochen hatten. Den Unirektor wiederum ficht das nicht an: Letztlich, so machte er unmissverständlich klar, sei er derjenige, der über die Gebührenverwendung alleine entscheide – egal, was es sonst an Absprachen und Zusagen gebe.Dabei sind es beileibe nicht mehr nur die eingefleischten Gebührengegner, die ungläubig mit dem Kopf schütteln, wenn sie sehen, wie frech sich die Hochschulen über politische Vorgaben hinwegsetzen. „Einzig und allein für bessere Studienbedingungen“, „alle Einnahmen bleiben bei den Hochschulen“, „das Geld wird nur zweckgebunden ausgegeben“ – solche vollmundigen Versprechungen gehörten schon immer zum Repertoire der Gebührenbefürworter in Politik und Hochschulleitungen. Doch längst nicht alle dieser Versprechen wurden auch gehalten.Rückblende ins Jahr 1995. Der 14. November war ein Dienstag, und in Bonn, im Haus der Hochschulrektorenkonferenz, redete Hans-Uwe Erichsen, der damalige HRK-Präsident, zum ersten Mal öffentlich über die Idee, für ein Hochschulstudium Geld zu kassieren. Einigkeit darüber hatte es bei den Gesprächen der Rektoren zwar nicht gegeben, aber Erichsen legte damals eine erste Modellrechnung vor: 1.000 Mark pro Semester seien angemessen, knapp zwei Milliarden Mark – umgerechnet eine Milliarde Euro – kämen damit pro Jahr bundesweit zusammen. Den gleichen Betrag, so die Überlegung, solle zusätzlich noch einmal der Staat aufbringen. Und, weitere Bedingung: Das Geld müsse direkt an die Hochschulen gehen und nicht etwa in den Landeshaushalten versickern. „Wenn es dazu kommen würde, dann kann das nur gehen, wenn Vorsorge dafür getroffen wird, dass nicht das, was durch die Studierenden zur Verbesserung der Lehre auf der einen Seite erbracht wird, auf der anderen Seite von den Finanzministern nach einer Schamfrist von ein oder zwei Jahren plötzlich wieder einbehalten wird“, so Erichsen damals. Der Mann besaß Weitblick, keine Frage.Denn eineinhalb Jahrzehnte später sind Studiengebühren an deutschen Unis längst der Normalfall. In sechs Bundesländern werden sie aktuell kassiert, nachdem das Ypsilanti-Intermezzo zumindest in Hessen für die Abschaffung der Campus-Maut gesorgt hatte. Die von Erichsen seinerzeit befürchtete Schamfrist ist längst abgelaufen – und etliche Versprechen der Gebührenbefürworter wurden mittlerweile ganz selbstverständlich gebrochen. Und dieser permanente Wortbruch ist nur ein Aspekt der an skurrilen Wendungen und Anekdoten ohnehin nicht armen Geschichte der Studiengebühren in Deutschland.Da hatte etwa 2005 der damalige bayerische CSU-Wissenschaftsminister Thomas Goppel die von ihm geforderten 500 Euro Campus-Eintritt pro Semester mit dem lapidaren Hinweis verteidigt, betroffene Studenten müssten doch lediglich „jeden Monat für hundert Euro auf etwas verzichten oder zwei Nachhilfestunden geben“. Verwundert stellte Goppel fest, wie groß die Zahl der Bewerber war, die daraufhin bei ihm einen Nachhilfejob für 50 Euro Stundenlohn antreten wollten. Und die Ankündigung der FDP-CDU-Regierung in Nordrhein-Westfalen vom Juni 2005, dass BAföGEmpfänger keine Gebühren entrichten müssten, wurde schon wenige Monate später wieder einkassiert: Nach Einführung einer Höchstverschuldungsgrenze erlebten plötzlich nur noch zwei Drittel der BAföG-Empfänger das Glück eines gebührenfreien Studiums.Selbst Kritiker bezweifeln nicht, dass ein erheblicher Teil der Gelder tatsächlich zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt wird. Doch ein bedeutender Teil fließt eben auch in fragwürdige Projekte, bei denen der Verdacht des Wortbruchs und der Lüge sehr naheliegen, wenn man sie an den früheren Aussagen zur Einführung von Studiengebühren misst. Große Worte und kleine Taten – ein paar Beispiele:Lutz Stratmann, Wissenschaftsminister in Niedersachsen, sagte im März 2003 in einem Interview: „Ich halte Studiengebühren für eine denkbare Variante. Die aber, wenn man dieser Variante nähertritt, ganz maßgeblich von dem Gesichtspunkt bestimmt sein muss, dass diese Einnahmen auch tatsächlich der Hochschule verbleiben müssen und dort auch tatsächlich der Verbesserung der Studienbedingungen dienen müssen.“ Fast wortgleich argumentierte am 28. Mai 2003 sein Hamburger Kollege Jörg Dräger: „Die Einnahmen durch Studiengebühren müssen den Hochschulen zusätzlich zur Verfügung stehen und dürfen nicht von der staatlichen Basisfinanzierung abgezogen werden.“ Und für die HRK ergänzte deren Präsident Peter Gaehtgens am 9. Juni 2004: »Als Bedingung für die Erhebung von Studienbeiträgen muss nach Überzeugung des HRK-Plenums gelten, dass der Staat seine Finanzaufwendungen für die Hochschulen nicht im Gegenzug reduziert und die Hochschulen die Einnahmen eigenverantwortlich für die Qualität der Lehre einsetzen können.“ Immer noch nicht genug? Na gut, auch Peter Frankenberg, Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg, gab im Dezember 2004 ein ähnliches Versprechen ab: „Die Einnahmen aus den Studiengebühren [müssen] als Drittmittel für die Lehre zweckgebunden in den Hochschulen für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen verwendet werden.“ Und noch einer: Jürgen Schreier, Kultusminister im Saarland, am 26. 1. 2005: „Das Saarland hat bereits 2003 Studiengebühren für Langzeitstudierende eingeführt. Diese Einnahmen stehen den Hochschulen in vollem Umfang zur Verfügung. Auch in diesem Falle [gemeint ist die Einführung regulärer Gebühren] verbleiben alle Einnahmen bei den Hochschulen.“ Keine Ausreden also? Die Gebühren bleiben komplett in den Universitäten für eine bessere Ausstattung und eine bessere Lehre? „Dafür verbürg’ ich mich“, sagte Thomas Goppel am 27. 1. 2005. „Kein Cent davon wird zum Stopfen irgendwelcher Haushaltslöcher benutzt“, versprach auch Udo Corts, Goppels Kollege aus Hessen.Nein, nein, nein – gelogen haben all diese Herren natürlich niemals. Da muss einfach irgendetwas anderes schiefgelaufen sein in der deutschen Hochschullandschaft, dass es ein paar Jahre später so wahnsinnig viele Fälle gab, in denen Studiengebühren für alles Mögliche eingesetzt wurden – nur nicht für die Verbesserung der Lehre.In Aachen gab die RWTH Gebührengelder für „Elektroarbeiten“ etwa im Audimax aus und für „Modernisierung, Bestuhlung, Beamer“ im Hörsaal R112 des Hochschulsportzentrums. Solche Erneuerungen der eigentlich selbstverständlichen Grundausstattung in Hochschulgebäuden lassen sich flächendeckend an allen Gebührenhochschulen in allen betroffenen Bundesländern finden – und niemand bestreitet, dass damit der normale Etat für Ausstattung und Bauunterhaltung geschont wird.In Baden-Württemberg dürfen bis zu 15 Prozent der Studiengebühren in Professorenstellen fließen, obwohl die Gelder damit zum Teil auch in die Forschung gehen. Das sei aber keinesfalls ein Wortbruch, beteuert Minister Frankenberg: „Die Betreuungsrelationen können jetzt auch durch Studiengebühren verbessert werden.“In Nordrhein-Westfalen können Hochschulen mittlerweile komplette Professuren inklusive des Forschungsanteils aus Gebühren finanzieren; dabei hatte Minister Andreas Pinkwart noch 2006 versprochen, „sehr genau darauf zu achten, dass die Mittel zweckgebunden verwendet werden“. Wie gut, dass sich der Zweck geändert hat: Die Unis in Köln und Duisburg-Essen jedenfalls freuen sich über die neuerdings ziemlich dehnbare Bedeutung von „zweckgebunden“.In Duisburg-Essen zweigt die Universität „mindestens fünf Prozent der Einnahmen aus Studienbeiträgen“ und damit rund eine Million Euro pro Jahr in eine Stiftung ab, die langfristig der „Finanzierung qualitätsverbessernder Maßnahmen“ dient. Die Uni feiert diese „Verlangsamung“ beim Geldausgeben als Chance für „Nachhaltigkeit der Mittelverwendung“, die aktuellen Studierenden dagegen sehen von diesem Teil ihrer Zahlungen nichts mehr.In Freiburg betrieb die Universität Haushaltskosmetik und schaufelte in Erwartung der Gebührenzahlungen 1,5 Millionen Euro aus dem Haushalt für Lehre in denjenigen für Forschung: Das könne schließlich „aus der entsprechend erhöhten Zuweisung von Einnahmen aus Studiengebühren ausgeglichen werden“.In Hohenheim gerieten, wie beschrieben, das Rektorat der Universität und die Studierenden heftig aneinander, als Rektor Hans-Peter Liebig ein Drei-Millionen-Euro-Loch im Haushalt kurzerhand mit Einnahmen aus den Studiengebühren verrechnen wollte. Mit im Paket: ein Mähdrescher (150.000 Euro) und die Einführung neuer Strukturen in der Unibuchführung (400.000 Euro).In Karlsruhe schaffte es die Hochschule für Musik nicht, die Gebühren sinnvoll auszugeben, und bunkerte sie stattdessen auf einem Konto – die Zinsen flossen direkt in den Landeshaushalt.In Konstanz finanzierte die Universität aus den Gebühren teure Design-Mülleimer zum Aufpeppen der Bewerbung im Elite-Wettbewerb und bezahlte auch noch drei Segelboote für den Allgemeinen Hochschulsport. Die Boote vom Typ „Schwertzugvogel“ kosteten inklusive Besegelung genau 46.448,91 Euro. Außerdem gab es unter anderem noch 5.326,02 Euro für die „Erneuerung der Spielstandsanzeige in der Sporthalle“.In Münster hat die Fachhochschule eine Stiftung aus Studiengebühren eingerichtet, jeder fünfte Euro fließt in diese „Stiftung Qualität in Studium und Lehre“. Die fördert leistungsstarke Studenten – oder anders gesagt: Normalstudenten bezahlen die Gebühren ihrer besonders guten Kommilitonen gleich mit.In Saarbrücken will die Universität aus den Gebühren den Neubau studentischer Arbeitsräume bezahlen – nachdem dafür extra die gerade erst ein paar Jahre alte Gebührensatzung geändert wurde, in der Baumaßnahmen eigentlich ausgeschlossen worden waren. Auch in anderen Bundesländern werden erhebliche Gebührenanteile für Neubauten verplant und dafür erst einmal auf Sonderkonten geparkt.In Siegen waren Ende vergangenen Jahres von acht Millionen Euro Gebühren noch drei Millionen übrig. Um das Geld wieder loszuwerden, heuerte ein Fachbereich Studenten für „Hilfsarbeiten“ an und zahlte damit die Gebühren zumindest indirekt zurück.Die Fachhochschule Südwestfalen in NRW hat seit Oktober 2006 Gebühren kassiert und damit bis einschließlich des Wintersemesters 2008/09 zehn Millionen Euro eingenommen – davon aber nur 6,5 Millionen „verausgabt“, wie es im Hochschul-Deutsch so schön heißt. Der Rest liegt auf der hohen Kante, zum Beispiel für die bauliche Erweiterung der Bibliothek und die Qualitätssicherung in der Lehre, die irgendwann einmal „personell ausgebaut und institutionalisiert“ werden soll. Das war selbst dem gebührenfreundlichen NRW-Minister Andreas Pinkwart zu viel: Er forderte die Hochschule auf, ihren Gebührenverwendungsbericht nachzubessern, und leitete ein „rechtsaufsichtliches Verfahren“ ein, bei dem zur Not das Ministerium die Ausgabe der Gebühren übernehmen werde – für den ansonsten so sehr auf die Autonomie der Hochschulen bedachten Minister ein bemerkenswertes Druck- und Drohmittel.Auch andere Hochschulen an Rhein und Ruhr hatten es nicht geschafft, die Campusmaut auszugeben. An der Hochschule Bochum zog man deshalb die Konsequenz, die Gebühr um 100 Euro pro Semester zu senken; die Hochschule Niederrhein entging der Rückzahlungsverpfl ichtung nur, nachdem sie nach einem ministeriellen Rüffel in einer Hauruck-Aktion beschloss, 6,5 Millionen gehortete Euro aus Studiengebühren nun doch noch für die Verbesserung der Studienbedingungen auszugeben. Diese Summe – immerhin rund 57 Prozent aller Gebühreneinnahmen aus zwei Jahren – war zuvor vom Rektor ohne weitere Ausgabenplanung beiseitegelegt worden. Bemerkenswerte Begründung eines Hochschulsprechers in der Rheinischen Post: „Wir bewerten die Studienbeiträge wie eine Art Generationenvertrag. Ähnlich wie die Zahlungen in die Rentenkasse kommt das Geld zukünftigen Studentengenerationen zugute.“Bemerkenswert ist außerdem, dass zumindest im hochschulreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen die Schmerzgrenze des Aufsicht führenden Ministeriums in Bezug auf die Nicht-Ausgabe von Studiengebühren ziemlich hoch liegt. Abgemahnt wurden im Frühjahr 2009 nur Universitäten, die mehr als ein Drittel der bis zum Jahresende 2008 eingenommenen Gebühren nicht investiert hatten. Andersherum gesagt: Trotz der Zusage, die Gelder der Studierenden würden unmittelbar der Verbesserung ihrer Studiengebühren zugutekommen, dürfen die Hochschulen ohne weitere Konsequenzen 30 Prozent dieser Einnahmen erst einmal auf die hohe Kante legen. Da zeichnet sich ein ganz neues Verständnis von „unmittelbar zugutekommen“ ab. Und der naheliegende Verdacht, dass durch die Verteuerung des Studiums mithilfe von einschlägigen Gebühren eine zusätzliche soziale Hürde beim Unizugang aufgebaut wurde, wird von den Freunden der Campusmaut zwar immer wieder wortreich bestritten, konnte aber bisher keinesfalls überzeugend widerlegt werden.© 2009 by Verlag Kiepenheuer Witsch, Köln