Mord an Umweltaktivistin Berta Cáceres: Spur führt von Honduras nach Amsterdam
Auftragskiller Die Recherchen zum Mord an der Aktivistin Berta Cáceres am 3. März 2016 führen mittlerweile bis in die Niederlande: Die Anwälte der Familie von Berta Cáceres interessieren sich hierbei besonders für die niederländische Entwicklungsbank FMO
April 2021: Vor dem Gericht, in dem der Prozess gegen den Drahtzieher des Mordes an Berta Cáceres läuft, erinnern Mitstreiter an sie
Foto: Gustavo Amador/EPA/dpa
Der Aufkleber auf dem großen schwarzen Metalltor ist dezent gehalten. „Justicia para Berta“ steht darauf. Dazu ist das Gesicht der indigenen Umweltaktivistin Berta Cáceres abgebildet. Am 3. März 2016 wurde die charismatische Frau in ihrem Haus im honduranischen La Esperanza von Auftragskillern erschossen. Hinter dem Tor liegt heute die Zentrale des Zivilen Rates der Volks- und indigenen Organisationen in Honduras (COPINH), dessen Arbeit Cáceres über Jahre koordinierte.
Hier laufen alle Informationsstränge zusammen, um die Täter zu ermitteln und in Frage kommende Auftraggeber zu benennen. Eine kleine Metallklappe öffnet sich dem Besucher, und ein freundliches Gesicht taucht auf. Ein Hahn kräht auf einem der angrenzenden Grundstück
stücke, als sich die Tür öffnet. „Wir sitzen hinten im Radio“, erklärt der Mann einladend und weist den Weg. Es geht einen Gang entlang, an dessen Ende eine Tür offen steht und den Blick in das mit Eierpappen abgedämmte Studio von Radio Guarajambala freigibt.Der kommunale Sender ist im Südosten von Honduras in der gesamten Region Intibucá zu empfangen. Diese grenze an El Salvador, und La Esperanza sei die Hauptstadt des Distrikts, sagt Alex Bravo. Der bärtige Mann ist heute für das Morgenprogramm zuständig. Ein paar Nachrichten werden verlesen. Unter anderem ist von neuerlichen Haftbefehlen gegen soziale Aktivisten die Rede. „Es ist das alte Muster, trotz einer neuen Regierung.“ Bravo schüttelt missbilligend den Kopf. Über ihm hängt ein bedrucktes Transparent mit dem Konterfei der Frau, mit der die indigene Umweltorganisation international bekannt wurde: Berta Cáceres. Sie ist in der Zentrale des COPINH allgegenwärtig, als Symbol des Widerstands und der Zivilcourage, die alle vereint. Ihre Tochter, die 32-jährige Bertha Zúñiga, koordiniert heute den COPINH und führt damit die Bewegung gegen mehr als 50 geltende Konzessionen für Wasserkraft- und andere Entwicklungsprojekte im Lebensraum der indigenen Ethnie der Lenca.Wichtiger ist Bertha Zúñiga im Augenblick aber der Kampf für die Verurteilung aller an der Ermordung ihrer Mutter beteiligten Akteure. „Für uns sind das nicht nur direkt Verantwortliche wie die bezahlten Mörder und deren Auftraggeber David Castillo“ – der Geschäftsführer des honduranischen Energieunternehmens Desarrollos Energéticos SA (DESA). „Es sind auch die moralisch Verantwortlichen wie die Bankiersfamilie der Atalas, gegen die wir Beweise sammeln“, sagt Bertha Zúñiga. Gerade erst ist sie aus Kolumbien zurückgekehrt, von einem Treffen mit befreundeten indigenen Organisationen. Dort hat sie auch über den Prozess gegen Castillo berichtet und über die folgenden Schritte. Für Víctor Fernández, den Anwalt der Familie Cáceres, ist das Ende Juni nach langer Wartezeit bekannt gegebene Urteil von 22 Jahren und sechs Monaten Haft für den DESA-Geschäftsführer „ein kleiner Sieg“. Aber der könnte weitreichende Folgen haben.Eine dubiose ÜberweisungBei Recherchen für den Prozess gegen Castillo, einen einstigen Geheimdienstoffizier, wurden nicht nur Mobiltelefon-Daten ausgewertet, sondern auch Konten, auf die Castillo Zugriff hatte. Es kamen Fakten zum Vorschein, die inzwischen zu einer Anzeige gegen die niederländische Entwicklungsbank FMO geführt haben. Die wird zu 51 Prozent vom Staat gehalten und hat nun ein massives Problem: Zum einen muss sich die FMO wegen des Verdachts verantworten, ein umstrittenes Wasserkraftwerk gegen das Votum der in der Region lebenden indigenen Gemeinschaft mit 15 Millionen Dollar finanziert zu haben. Dabei deutet alles darauf hin, dass die Bank gegen die Konvention 169 zum Schutz der Rechte indigener Völker, beschlossen von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf, verstoßen hat. Das Dokument, mittlerweile auch von Deutschland ratifiziert, schreibt verbindlich vor, dass indigene Gemeinden nicht nur vorab über Großprojekte informiert werden, sondern ihnen auch zustimmen müssen. Beides ist – wie so oft in Honduras – nicht passiert.„Das Gegenteil war der Fall. Die Vergabe von 51 Konzessionen über die Köpfe der Lenca hinweg wurde vom COPINH bereits 2014 schriftlich moniert und abgelehnt. Das hätte die Bank wissen müssen. Doch sie hat uns und den vorgelegten Unterlagen keinen Glauben geschenkt“, drückt Zúñiga ihre Missbilligung aus. Ihr Direktor habe sich wie ein Kolonialist verhalten. „Sogar unsere indigene Herkunft wurde in Zweifel gezogen.“Bei ihren Recherchen stießen die in Amsterdam ansässigen COPINH-Anwälte Wout Albers und Ron Rosenhart Rodríguez sowie das COPINH-Team auf eine Überweisung von 1,7 Millionen Dollar der Bank FMO, getätigt über ein Konto der Deutschen Bank in New York, an das Zementunternehmen Concretos del Caribe S. A. – Zugriff auf dieses Konto hatten der verurteilte DESA-Geschäftsführer David Castillo sowie DESA-Direktor Daniel Atala Midence. Letzterer ist Mitglied der einflussreichen Bankiersfamilie Atala Zablah. Mitschnitte von Gesprächen zwischen Castillo und der Gruppe von Auftragskillern legen nahe, dass die Order für die Ermordung der Umweltaktivistin erst erteilt wurde, als das Geld aus Amsterdam in Honduras angekommen ist – wenige Tage vor der Tat am 3. März 2016.Für die Bank sind die Ermittlungen ein Desaster. Schon die Frage, warum das Geldinstitut überhaupt 1,7 Millionen Dollar auf diesem ungewöhnlichen Weg nach Honduras transferierte, bringt es in die Defensive. „Diese Dreieckstransfers sind illegal, sie dienen der Verschleierung“, glaubt Bertha Zúñiga. Nicht nur einmal, sondern viermal soll Geld aus Amsterdam auf diese dubiose Weise geflossen sein. Unstrittig ist, dass die FMO damit gegen das niederländische Geldwäsche-Gesetz (Wwft) verstoßen hat. Für Bertha Zúñiga ein Präzedenzfall mit Signalcharakter? „Für viele andere Fälle und für viele Konflikte könnte ein Prozess gegen die FMO den Weg dafür aufzeigen, wie man sich in einem Land ohne funktionierende Justiz wehren kann“, sagt die in Mexiko-Stadt ausgebildete Aktivistin. 2017 entging sie einem Attentat, am 27. Januar 2022 war sie bei der Vereidigung von Xiomara Castro, der ersten honduranischen Präsidentin, einer der Ehrengäste.Sie hofft darauf, dass die neue Regierung genau das tut, was sie angekündigt hat – dass sie Straflosigkeit bekämpft und die Justiz stärkt. Dafür hat die Präsidentin erste Weichen gestellt, indem sie bei den Vereinten Nationen einen Antrag auf die Entsendung einer UN-Kommission gegen Straflosigkeit und Korruption nach guatemaltekischem Vorbild stellte. „Je mehr ermittelt, prozessiert und verurteilt wird, desto besser für das Vermächtnis meiner Mutter“, meint Bertha Zúñiga. Genau deshalb frage sie, warum die Deutsche Bank dabei half, das Geld der FMO nach Honduras zu transferieren, und wer von dem Mord an ihrer Mutter profitierte. Die wurde zwar im Mai vom Parlament zur „Nationalheldin“ ernannt, aber trotz aller internationalen Aufmerksamkeit ist die Konzession für den Bau des Wasserkraftwerkes Agua Zarca am Gualcarque, dem heiligen Fluss der Lenca, nach wie vor gültig, ärgert sich die COPINH-Koordinatorin und schüttelt die langen, pechschwarzen Haare.Das könnte sich mit der neuen Regierung endlich ändern. Die Überprüfung aller landesweit geltenden Konzessionen steht laut Umweltminister Lucky Medina bevor. Erst Ende August sei ein Inspektionsteam am Río Guapinol gewesen, habe Boden-, Wasser- wie Luftproben genommen und die dort neu installierte Eisenerz-Pelletieranlage überprüft, so der Minister. Die Ergebnisse habe sein Haus bisher allerdings noch nicht freigegeben. Dass Präsidentin Xiomara Castro wirklich gewillt und politisch dazu in der Lage ist, erteilte Genehmigungen zu annullieren, glaubt Bertha Zúñiga erst, wenn die entsprechenden Verordnungen rechtskräftig sind. Bis dahin verfolgt sie in der COPINH-Zentrale in La Esperanza die Entwicklung rund um das EU-Lieferkettengesetz. „Für uns ist jedes Instrument, jede Regelung, die Investitionen europäischer Unternehmen im Ausland klaren Vorgaben unterwirft, ein willkommener Fortschritt.“ Unterstützung aus Europa ist willkommen, gerade weil die COPINH-Koordinatorin weiß, wie schwach die Institutionen in Honduras aufgestellt sind. Bestes Beispiel dafür ist die erneute Kriminalisierung sozialer Organisationen durch die Generalstaatsanwaltschaft in Tegucigalpa. Die bildet derzeit den korrupten Gegenpol zur progressiven Regierung. Sie ist in der Vergangenheit immer wieder mit Haftbefehlen gegen Umweltaktivisten vorgegangen und hält daran fest. Nun findet sich der Name Bertha Zúñiga auf einer seit Anfang August kursierenden Liste.Placeholder infobox-1
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