Ruth Bader Ginsburg wurde 1993 als erst zweite Frau an den Supreme Court der USA berufen. Zwei Jahre zuvor und knapp 6.000 Kilometer Luftlinie entfernt war Vivienne Westwood erstmals zur britischen Designerin des Jahres ernannt worden. Nun kommen im Dezember sowohl über Ginsburg als auch über Westwood Filme ins Kino, ein reiner Zufall.
RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit und Westwood: Punk. Ikone. Aktivistin. sind dokumentarische Porträts aus den gegensätzlichen Bereichen des Rechts und der Mode und machen doch Parallelen sichtbar. Die beginnen beim sportlichen Ehrgeiz im Alter und reichen bis zur Relevanz in der Populärkultur. Schon in den 1970ern setzte Westwood mit ihrer Punk-Mode Trends. Heute findet man die 85-jährige „RBG“ auf Sti
ge „RBG“ auf Stickern, die denen für den Rapper Notorious B.I.G. nachempfunden sind. Eine wachsende Fangemeinde stellt sich hinter die liberale Juristin aus Brooklyn, die den Widerstand gegen das konservative Lager am Supreme Court verkörpert und die man für ihren kontinuierlichen Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen feiert.Hier zeigt sich die wichtigste Verbindung zwischen den Frauen: Beide stehen für den Versuch, Ungleichheiten zu benennen und zu bekämpfen. Westwood sagt an einer Stelle: „Ich wollte als Kind schon eine Ritterin sein, die Menschen davon abbringt, anderen schreckliche Dinge anzutun.“In den Mitteln ihres Protests aber unterscheiden sie sich stark. Während Westwood noch heute mit „Frack off“-Plakaten für den Umweltschutz protestiert, hat sich RBG noch nicht einmal an den Frauenrechtsdemos der 60er beteiligt. Eine Kindheitsfreundin dazu: „Das ist einfach nicht ihr Ding.“ Sie nahm sich lieber diskriminierende Gesetze vor.Betsy West und Julie Cohen räumen in RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit den einschneidenden Fällen der Richterin viel Raum ein. So kann der Zuschauer die besonnene, sehr durchdachte und vor allem geduldige Vorgehensweise von RBG selbst nachvollziehen. Es beginnt mit dem Fall eines Witwers, der staatliche Unterstützung für die Familienversorgung forderte, und reicht bis zur Öffnung des Virginia Military Institute (VMI) für Frauen.Von Trump beleidigtDabei bleibt ihr Privatleben nicht außen vor, so wird auch die Liebesgeschichte zwischen Ruth und ihrem Mann Marty erzählt: „Der einzige Junge, der sich dafür interessiert hat, dass ich ein Gehirn besitze“, hört man die 85-Jährige sagen. Durchweg ist die Bewunderung zu spüren, die die Filmemacherinnen für Ruth Bader Ginsburg und ihre „Toughness“ empfinden. Der Film setzt ein mit negativen, gar beleidigenden Kommentaren von Donald Trump oder Fox-Nachrichtensprecher Bill O‘Reilly über die Richterin, dazu werden Szenen abgespielt, die RBG als Sportskanone zeigen, die jedes Hindernis wegboxt. Trotzdem entsteht im Folgenden ein vielseitiges Bild. Private Videoaufnahmen, witzige Interviewsprüche sowie eine Vielzahl von diversen Stimmen setzen sich auf unterhaltsame Weise zu einem auch streitbaren Porträt zusammen. Zu Wort kommt nicht nur der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, der sie in den Supreme Court berief, sondern auch der republikanische Senator Orrin Hatch, der bis heute kaum eine Überzeugung mit ihr teilen mag. Lorna Tucker hat es da mit Vivienne Westwood schon schwerer, gleich zu Beginn teilt die Modemacherin unverblümt mit, dass sie es langweilig finde, über ihre Vergangenheit und ihr Leben zu sprechen. Sogar ein „Lassen Sie es hinter uns bringen“ ist zu vernehmen. Eine Anti-Haltung bei einer Punk-Ikone – das geht schon in Ordnung, vor allem, wenn sie so unerwartete Dinge erzählt, wie dass sie gern Chinesisch lernen will, sobald sie keine Mode mehr macht.In der erste Hälfte von Westwood: Punk. Ikone. Aktivistin. erzeugt Westwoods Kampf nach oben gegen große Widerstände denn auch noch Spannung. Sei es durch die Nachzeichnung ihrer Beziehung mit dem Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren, der ihre Punk-Entwürfe zu popularisieren half, oder die beharrliche Missachtung ihrer progressiven und fordernden Designs durch die Branche. „Ich weiß wirklich nicht, wann die Marke erfolgreich wurde“, sagt die heute 77-Jährige.Doch in der zweiten Hälfte wird dann leider immer deutlicher, dass die Regisseurin keinen wirklichen Draht zu ihrer Protagonistin finden konnte. Wie wichtig für Westwood eine Botschaft in der Mode ist, müssen andere im Film bezeugen. Ansonsten wiederholen sich die Bilder, Figuren erzählen relativ zusammenhangslos und die Kamera führt zwar immer wieder ins Modeatelier, bleibt dabei aber eher ein unbeteiligter Außenseiter denn ein Vehikel, um Einblicke in ihre Kunst zu bekommen.Placeholder infobox-1