Dürre in Brandenburg: Wo soll das Wasser für den Wasserstoff herkommen?
Brandenburg Das Land hat große Pläne für neue, grüne Industrien. Die brauchen aber viel Wasser. Und das ist in der Mark leider knapp. Über eine Landesregierung, die sich zu wenig Gedanken über eine wertvolle Ressource macht
Der Wasserstand in Brandenburgs Seen war in den vergangenen Sommern bedenklich niedrig. Viele Fische sind schon weg
Foto: Paul Langrock/Zenit/Laif
Auf dem Weg runter zum Sacrower See begegnet man einem Angler. Wie denn der Wasserstand sei? „Niedrig“, antwortet der und drückt Daumen und Zeigefinger eng zusammen. Weiter unten, direkt am Ufer, steht ein gelbes Haus mit Giebeldach, darin befindet sich das Institut für Binnenfischerei (IfB). Steffen Zahn beobachtet von dort seit Jahren die Pegelstände der Brandenburger Gewässer: Der Sacrower See sei seit 2018 um 60 Zentimeter gesunken, der Seddiner See um zwei Meter. Zahn setzt sich vor seinen Computer und zeigt Bilder von der ausgetrockneten Schwarzen Elster, einem Fluss in der Lausitz, der normalerweise einen Meter tief und bis zu 20 Meter breit ist. Dort hätte man früher gut angeln können: Hechte, Barsche, Güster und Döbel. ̶
können: Hechte, Barsche, Güster und Döbel. „Ein ganzes Potpourri“, sagt Zahn, „jetzt sind alle Fische weg.“ Seit dem Dürrejahr 2018 sei das Flussbett der Schwarzen Elster jeden Sommer leer.Brandenburg ist „gewässerreich, aber wasserarm“, heißt es. Dafür gibt es viele Gründe, die Zahn der Reihe nach auflistet. Bis es aus ihm herausplatzt: „Ihr Journalisten stellt immer die falschen Fragen!“ Niemand würde recherchieren, wie das dürre Brandenburg jetzt auch noch zum Wasserstoff-Land werden soll. Immerhin würden die Grundwasserpegel dadurch noch mehr sinken, die Flüsse noch mehr austrocknen.Wasserstoff gilt als „Schlüsselelement der Energiewende“, wenn er mit grünem Strom hergestellt wurde. In Brandenburg sollen die großen Stahl-, Glas-, Zement-, Chemie- und Heizkraftwerke bald mit dem klimaneutralen Energieträger angetrieben werden – statt mit Kohle, Gas oder Öl. Laut der Wasserstoff-Strategie des Landes werden dafür ab 2040 rund 22,5 Terawattstunden Energie aus Wasserstoff benötigt. Das ist etwa so viel, wie sämtliche Windräder Deutschlands im stürmischen Februar 2022 geliefert haben.Keine Antwort von den BehördenDie Herstellung des Gases funktioniert so: Strom und Wasser werden in einem „Elektrolyseur“ kombiniert, durch eine chemische Reaktion kommt H₂ dabei heraus: Wasserstoff. Die PCK-Raffinerie in Schwedt, von russischem Erdöl abgeschnitten, soll künftig synthetischen Kraftstoff für Flugzeuge und Schiffe damit produzieren. Auch tief im Süden verabschiedet sich die Lausitz in den nächsten 15 Jahren von der Braunkohle, um zur Wasserstoff-Region zu werden. „Aber keiner sagt, wo das Wasser dafür herkommen soll“, regt sich Zahn auf. Die Frage habe er an das Landesumweltamt, die Brandenburger Grünen und das Umweltministerium in Potsdam gestellt – und keine Antwort bekommen.Auch am Standort einer der größten Treibhausgas-Schleudern unter Europas Kraftwerken, in Jänschwalde, soll statt Kohlestrom bald Flugbenzin produziert werden – ebenfalls mit den kleinen grünen Molekülen. „Und das bei der Wasserknappheit, die wir schon haben“, so Zahn. Könnte der Mann vom IfB recht haben? Hat das dürre Brandenburg wirklich nicht genug vom blauen Nass für eine heimische Wasserstoff-Produktion? Landes-Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ist entspannt: „Wasser ist kein limitierender Faktor.“ In den Plänen des Landes jedoch tauchen Schätzungen zum Wasserbedarf nicht auf. Scheut sich die Politik, diese Rechnung aufzumachen?Placeholder image-1 Seit der Autobauer Tesla seine „Gigafactory“ ausgerechnet in einem Wasserschutzgebiet vor den Toren Berlins baut, ist Wasser zum Politikum geworden. Wer nach Zahlen fragt, bekommt oft eine Pi-mal-Daumen-Rechnung: Zirka neun Liter Wasser brauche man, um ein Kilo Wasserstoff herzustellen. Wer so kalkuliert, stapelt tief. Das zeigt eine Studie des Magdeburger Fraunhofer Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF).„Das ist ein reiner Theoriewert“, sagt der Wissenschaftler Sebastian Jentsch vom IFF. Etwa zehn bis elf Liter Wasser seien realistisch. Je nach Typ bräuchten Elektrolyseure derzeit sogar bis zu 15 Liter. Darüber hinaus muss die Technik mit Wasser gekühlt werden. Zu ähnlichen Ergebnissen wie die Magdeburger Experten kommt Florencia Saravia vom Karlsruher Institut für Technologie: „Wasser wird oft als unbegrenzt vorhandene Ressource betrachtet“, kritisiert sie. Das müsse sich ändern.Wissenschaftler wie Jentsch empfehlen, Wasserstoff dort zu erzeugen, wo es ausreichend Wasser gibt. Also nicht gerade am Berliner Rand, wo Tesla schon heute Autos fabriziert, die Bevölkerungszahlen explodieren und erste Wasserversorger die rare Ressource rationieren. Besser im Norden, in der dünn besiedelten Uckermark? Das Brandenburger Umweltministerium hat eine Bilanz aufgemacht, die die Uckermark – wie fast das gesamte Land – in überwiegend blauen Farben zeigt: Es seien ausreichend Grundwasserreserven vorhanden. Wissenschaftler und Wasserversorger kritisieren die Darstellung des Ministeriums als zu optimistisch. Es gebe zu wenige Messungen von Grundwasserständen, es mangelt an wissenschaftlich fundierten Prognosen. Steffen Zahn vom IfB hat eine Schätzung: Der Grundwasserpegel in Brandenburg sei seit 2018 um ein bis zwei Meter gesunken. Und auf diesem trockenen Fleckchen Erde soll nun eine Wasserstoff-Produktion entstehen?Abwasser als LösungsideeIn der Uckermark könnte es ausreichend Wasser für dieses Vorhaben geben. Wenn die PCK-Raffinerie in Schwedt kein Benzin und keinen Diesel mehr herstellt, wird Wasser frei für die Produktion von Wasserstoff. Die PCK ist mit rund 20 Millionen Kubikmetern einer der größten Wasserschlucker im Land. Dieses Wasser könnte dann in die Produktion von Wasserstoff fließen, die für2025 auf dem Gelände der Raffinerie geplant ist. Anders ist es in der Lausitz. Dort wird Grundwasser im Braunkohletagebau abgepumpt, in die Spree und die Nordsee geleitet. Das bleibt nach dem Kohleausstieg 2038 zu großen Teilen in der Region. Allerdings wird es aus Sicht von Experten lange dauern, bis sich die Grundwasserreservoire dort erholt haben. Es ist also fraglich, wie viel Wasser für die geplante Wasserstoff-Erzeugung in der Lausitz zur Verfügung steht.Brandenburgs Wasserstoff-Wirtschaft ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Die Wirtschaftsförderung des Landes sammelt Informationen, welche Firmen die saubere Ressource brauchen und welche sie herstellen wollen. Klar ist: Das Land wird seinen Bedarf an grünem Wasserstoff nicht selbst decken, dafür reicht die Energie aus Sonne und Wind nicht. Schätzungen zufolge muss mindestens die Hälfte eingeführt werden. Es gibt Ideen, wie Wasser für grünen Wasserstoff „made in Brandenburg“ gesichert werden kann. Eine davon: gereinigtes Abwasser aus Klärwerken versickern lassen, statt die Meere damit zu füllen.Doch dafür ist das Klärwerkswasser derzeit nicht sauber genug, die Anlagen müssen modernisiert werden. Wasserversorger appellieren, zwei Minuten kürzer zu duschen, spare zehn Liter am Tag. Als Tesla 2020 begann, seine Fabrik zu bauen, wollte das Unternehmen zunächst mehr als drei Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr nutzen. Bürger zogen daraufhin mit Protestplakaten durch Grünheide. Der Autobauer halbierte den Verbrauch und will nun für eine Erweiterung auf zusätzliches Wasser verzichten. Doch ob genug da ist, um Wasserstoff zu produzieren? Am Sacrower See steht ein Angler auf einem Steg, guckt runter auf die niedrig liegenden Boote und sagt: „Immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel“, das habe man hier schon lange nicht mehr.
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