Trotz aller Empörung wird seit Oktober am dritten Terminal gebaut
Foto: Michael Schick/Imago
Sie wollen Krach machen, bis sie wieder Ruhe finden. Seit fünf Jahren geht das so. Fast jeden Montag kommen hunderte Menschen zur Quelle ihres Übels, um am Frankfurter Flughafen gegen Lärm zu demonstrieren. An Deutschlands größtem Airport startet oder landet tagsüber im Schnitt alle 50 Sekunden ein Flugzeug. Pro Jahr werden über 60 Millionen Passagiere transportiert. Das macht eine Menge Lärm – und bald könnte es noch mehr werden. Bis 2030 will der Flughafenbetreiber Fraport die Passagierzahlen auf jährlich bis zu 90 Millionen erhöhen.
An diese Kapazitätssteigerung wurden große Hoffnungen geknüpft: Nicht weniger als das Wohlergehen einer ganzen Metropolregion und die Schaffung von 100.000 Arbeitsplätzen verspra
en versprachen die Befürworter des Flughafens einst – wenn das Luftfahrtdrehkreuz nur ungehindert wachsen könne. Doch obwohl an diesen Zahlen Zweifel bestehen und weder Fraport noch die hessische Landesregierung bisher neu geschaffene Jobs ausweisen können: Vor fast fünf Jahren, am 21. Oktober 2011, wurde die neue, über eine Milliarde Euro teure Nordwestlandebahn offiziell eröffnet. Nun wird am neuen Terminal gebaut.HerzrisikoDie Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt, denn die Fluglärmgegner haben es geschafft, ihr Thema weit oben in der öffentlichen Wahrnehmung zu platzieren. So unterlag 2012 bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl der haushohe Favorit und Ausbaubefürworter Boris Rhein (CDU) dem SPD-Außenseiter Peter Feldmann. 2013 erklärten die Fluglärmgegner die anstehende Landtagswahl kurzerhand zu einer „Landebahnwahl“ und trugen dazu bei, dass die Grünen, die sich wie keine andere Partei seit dem Kampf um die Startbahn West in den 80er Jahren gegen den Flughafenausbau engagierten, seither in der Landesregierung sitzen – gemeinsam mit der CDU, die den Ausbau befürwortet.Trotz grüner Regierungsbeteiligung feierten Vertreter aus Wirtschaft und Politik allerdings im Oktober 2015 den Spatenstich für einen dritten Terminal, mit dem der Kapazitätsgewinn durch die neue Landebahn endlich voll ausgeschöpft werden soll. Wohl als Zeichen ihres Missfallens waren weder Oberbürgermeister Feldmann noch der grüne hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir anwesend. Verhindern konnten sie den Terminal indes nicht. Er war, wie die Landebahn, Teil der von der schwarz-gelben Landesregierung bereits 2007 beschlossenen Planfeststellung.Dennoch hatten die Ausbaugegner bis zuletzt auf ein grünes Wunder gehofft – auch, weil Al-Wazir noch kurz vor der Wahl versprochen hatte, mit ihm werde es keinen neuen Terminal geben. „Wir haben lange auf die Grünen gehofft, aber diese Hoffnung ist nun praktisch gestorben“, sagt Thomas Scheffler rückblickend. Der 65-jährige Ex-Mitarbeiter eines großen deutschen Geldinstituts ist Anwohner und Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen, das die Montagsdemos organisiert.War der Protest angesichts der bereits geschaffenen Fakten am Ende also nutzlos? „Wir haben eine kritische Haltung gegenüber dem Flughafenausbau verankert“, sagt Thomas Scheffler. „Und durch unsere Widersprüche gegen die Planfeststellung haben wir den Bau der Landebahn um fünf Jahre verzögert. Zudem haben wir vor Gericht das Nachtflugverbot erstritten.“ Tatsächlich versuchte die schwarz-gelbe Landesregierung 2007 das von ihr zuvor versprochene Nachtflugverbot aufzuweichen – bis das Bundesverwaltungsgericht im April 2012 das Fliegen zwischen 23 und 5 Uhr untersagte.Doch was wollen die Fluglärmgegner nun noch erreichen? Zu Beginn der Proteste kamen zu den Demos regelmäßig tausende Menschen, ganze Dörfer haben mitgemacht. Doch immer mehr Menschen wenden sich von den Protesten ab. Das zeigt sich besonders am Beispiel der Stadt Mörfelden-Walldorf. Der direkte Anrainer des Flughafens war jahrzehntelang auch einer der größten Kritiker, 1980 traten sogar einige Stadtverordnete aus Protest gegen den Bau der Startbahn West in den Hungerstreik. Symbol des Widerstands waren stets die übergroßen Banner, unter anderem am Eingang des Rathauses. „Kein Flughafenausbau“ stand dort – doch nun sind die Plakate Geschichte. Kürzlich beschloss eine neue Mehrheit im Stadtparlament aus SPD, Freien Wählern und FDP, die Protestbanner abzuhängen, um einen „konstruktiven Dialog“ mit dem Flughafen zu beginnen. Zu den Demos kommen nur noch etwa 400 Teilnehmer.Protestsprecher Scheffler gibt zu, „dass viele resigniert haben“. Haben sich die Menschen mit der Situation also abgefunden? Oder tragen die Bemühung der Grünen um eine Lärmreduzierung Früchte? Seit die Partei an der Regierung beteiligt ist, stellt sie ihr Engagement gegen den Lärm heraus. „Die Proteste sind nicht verschwunden“, sagt Minister Al-Wazir im Gespräch mit dem Freitag. „Frankfurt soll der Großflughafen werden, der weltweit Maßstäbe beim Lärmschutz setzt.“Al-Wazir hat eine „Stabsstelle Fluglärm“ eingerichtet, er will lärmmindernde Anflugverfahren fördern und hat das Modell der Lärmpausen durchgesetzt. Anwohner könnten auf diese Weise über das sechsstündige Nachtflugverbot hinaus eine Stunde mehr Ruhe bekommen. Der Minister „will die einzelne Flugbewegung leiser machen. „Wir schauen uns jedes Detail an, um das eine oder andere Dezibel rauszuholen: Steilere Anflugwinkel, lärmärmere Flugverfahren, 7-stündige Lärmpausen. Das ist manchmal mühsam, aber es bringt in der Summe echte, reale Entlastungen für die Anwohner.“ Aber auch der Minister weiß: „Manche der Protestierenden werden wir nicht überzeugen können.“Horst Weise vom Deutschen Fluglärmdienst – einem Verein, der seit Jahren die Lärmbelastung an verschiedenen deutschen Flughäfen dokumentiert – sagt: „Der Fluglärm in Frankfurt war und ist unerträglich laut und gesundheitsgefährdend, daran haben auch die sogenannten Lärmpausen nichts geändert.“ Um das zu belegen, verweist er auf eine Lärmmessung von Fraport aus dem letzten Winter, in der deutlich wird: Fast alle Kommunen der Region sind tagsüber einem Dauerschallpegel von über 50 Dezibel (dB) ausgesetzt, vielerorts liegt der Wert gar über 55 dB. Laut Umweltbundesamt müsste aber zumindest diese Grenze unterschritten werden, um „erhebliche Beeinträchtigungen“ – also das Vorstadium einer Erkrankung – zu vermeiden. Studien gehen davon aus, dass das Risiko für Herzkreislauferkrankungen ab einem Dauerschallpegel von 55 dB ansteigt.Und so fordern nicht nur die Bürgerinitiativen, sondern auch Horst Weise neben einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr vor allem verbindliche Lärmobergrenzen. Diese Idee ist inzwischen auch in der Politik angekommen, die Grünen wollen noch in diesem Sommer ein Konzept vorstellen. Die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände lehnte das Vorhaben bereits mit Verweis auf den Flughafen als „Job- und Wachstumsmotor“ ab.Obergrenze„Allein für eine sinnvolle Lärmobergrenze lohnt es, weiter zu demonstrieren“, meint Thomas Scheffler. Doch das Bündnis hat noch andere Ziele, in diesem Jahr will das Bundesverkehrsministerium ein Luftverkehrskonzept vorstellen. Obwohl sich das Ministerium noch nicht zu Details äußert, zeigt ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten bereits, wohin die Reise gehen kann: Dort wird nicht etwa eine Reduzierung der Lärmbelastung, sondern vielmehr der Steuerbelastung für die Luftverkehrsindustrie, wie die Abschaffung der Luftverkehrsteuer, empfohlen.Ein Vorhaben, das Scheffler und seine Mitstreiter unbedingt verhindern wollen. Deshalb haben sie sich längst bundesweit mit anderen vernetzt, unter anderem mit der Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Die Frankfurter Ausbaugegner wollen so Einfluss auf das Fluglärmschutzgesetz nehmen, das 2017 überprüft wird und das bisher nicht etwa die Lärmbelastung begrenzt, sondern nur die Bebauungsbeschränkungen und die Frage der Entschädigungen im Falle einer Lärmbelastung regelt.„Um etwas zu verändern, sind aber nicht nur bundesweite Vernetzung und Lobbyarbeit wichtig, sondern vor allem der öffentliche Protest“, sagt Scheffler. Auch wenn sich die hessischen Grünen und die Lärmgegner in den letzten Jahren weit voneinander entfernt haben, in diesem Punkt scheinen sie sich einig. „Die Proteste helfen, den Handlungsdruck auf die Politik hoch zu halten“, glaubt auch Hessens grüner Wirtschaftsminister Al-Wazir.Placeholder authorbio-1
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