Premier Raza Gilani muss sich seit dieser Woche persönlich wegen Missachtung des Gerichtes vor dem Supreme Court verantworten. Dem pakistanischen Regierungschef wird vorgeworfen, seit mehr als drei Jahren beharrlich die höchstgerichtliche Order zur Wiederaufnahme eines Korruptionsprozesses gegen Präsident Asif Ali Zardari zu ignorieren. Mit arrogantem Schweigen hatte die Regierung zu Wochenbeginn auch ein letztes gerichtliches Ultimatum verstreichen lassen.
2007 waren alle Strafverfahren gegen Zardari sowie gegen etwa 8.000 Politiker und hohe Beamte vom damaligen Staatschef Pervez Musharraf per Amnestie-Gesetz eingestellt worden. Das Oberste Gericht erklärte den Deal zwei Jahre später jedoch für ungültig und ebnete den Weg für eine Strafverfolgung des
olgung des Präsidenten und seiner Clique. Nun ist Premier Gilani in einer prekären Lage. Lenkt er ein, kann er seinen Kopf vielleicht noch aus der Schlinge ziehen, macht sich aber zum Handlanger für den absehbaren Sturz Zardaris. Wenn nicht, könnte er selbst politisch erledigt sein. Denn der Oberste Richter Iftikhar Chaudhry meint es ernst und kämpft mit harten Bandagen. Der 63-jährige Jurist genießt in Pakistan Ikonen-Status als unbeugsamer und interventionistischer Verfassungshüter. Unter Präsident Musharraf wurde er entlassen. Doch Massenproteste erzwangen 2009 seine Rückkehr. Seither hat Chaudhry dem Kleptokraten Zardari den Kampf angesagt. Dieser ist ein schwacher Gegner mit schmutzigen Händen, doch er hat eine Trumpfkarte.Ein kalter CoupAm 16. Januar verabschiedete das Parlament mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Pro-Demokratie-Resolution. Sie spricht der Regierung volles Vertrauen aus und verlangt von allen staatlichen Institutionen, stets auf dem Boden der Verfassung zu bleiben. Das geht an die Adresse von Justiz und Militär. Premier Gilani fing diesen Rettungsring mit einem Stoßseufzer der Erleichterung auf und bejubelte eine „Sternstunde der Demokratie“. Ob ihm das Votum in den kommenden Wochen mehr als eine moralische Stütze sein wird, bleibt freilich offen. Sollte das Oberste Gericht zum Äußersten entschlossen sein, hat es nach Meinung von Rechtsexperten das Arsenal zu einem „Verfassungsputsch“ in der Hand.Anders als in früheren Zeiten scheinen sich heute in Pakistan alle politischen Spieler in einem Punkte einig zu sein: „Lieber eine schlechte Demokratie als eine gute Diktatur“. Das ist aber nicht das Einzige, was für die amtierende Regierung und den Präsidenten spricht. Die Generäle – obwohl seit Monaten auf hartem Konfrontationskurs – verspüren bisher keine Lust zum Putsch. Sie wollen Zardaris regierender Volkspartei nicht den Gefallen tun, zum Märtyrer zu werden. Ein kalter Coup der Obersten Richter käme ihnen dagegen durchaus gelegen. Und für den Fall, dass die höchsten Juristen ihre Urteile nicht durchsetzen können und das Militär – durchaus im Einklang mit der Verfassung – um Beistand bittet, haben die Generäle bereits ausdrücklich zugesagt.Im Übrigen sitzt eine vereinigte Opposition unter Ex-Premier Nawaz Sharif in den Startlöchern. Sie dringt darauf, dass es unter einer einvernehmlich ernannten Übergangsregierung so schnell wie möglich Neuwahlen gibt. Bis zum regulären Wahltermin im Februar 2013 will Sharif schon deshalb nicht warten, weil er einen gefährlichen Rivalen erstarken sieht, und das ausgerechnet in seiner traditionellen Hochburg Punjab: Der ehemalige Kricket-Star Imran Khan ist vom unbelasteten Außenseiter zum beliebtesten Politiker Pakistans avanciert. Das Geheimnis seines kometenhaften Aufstiegs soll nicht nur die Verzweiflung der Wählerschaft sein, sondern auch die massive Unterstützung durch den Militärgeheimdienst ISI hinter den Kulissen.Auf dem SilbertablettWarum sollten die Generäle putschen, wenn sie Imran Khan haben? Der gilt als zuverlässig kritisch gegenüber den USA und will die strategische Partnerschaft mit Washington – nach dem Angriff von Spezialeinheiten auf pakistanische Grenzposten im November auf Eis gelegt – definitiv aufkündigen. Das scheint ihn als zivilen Wunschpartner der Generalität zu qualifizieren, der es nicht vorrangig um aufgewärmte Korruptionsskandale geht. Die Generäle haben ihre eigene brisante Konfrontationslinie mit der Zardari-Regierung – mit dem Machtkampf um die Kontrolle der nationalen Sicherheitspolitik.Dabei haben die Generäle vor einigen Wochen dem Obersten Gericht einen Strick zugespielt, um Präsident Zardari zu hängen. Es geht um die Affäre Memogate und damit um einen anonymen Hilferuf, den Zardari angeblich im Mai 2011 durch US-Botschafter Haqqani ans Pentagon geschickt hat. Darin ist von einer drohenden Machtübernahme des Militärs und einem Deal die Rede: Sollten die USA die Regierung Zardari „retten“, würde die den Geheimdienst ISI auf dem Silbertablett servieren. Der Präsident bestreitet vehement, in die Angelegenheit verwickelt zu sein. Doch versichern General Kayani und ISI-Chef General Shuja Pasha in eidesstattlichen Erklärungen, sie hätten keinen Zweifel an der Authentizität der Geschichte. Sie nützt der Armee, um sich einer lästigen, an den Schnüren Washingtons laufenden Regierung entledigen zu können.