Durchmarsch der Hardliner

Kommentar Machtgeplänkel in Israel

Es war eine Lappalie, die der Arbeitspartei genügte, sich aus dem Kabinett Sharon abzusetzen: Die Erhöhung der Subsidien für die im Land äußerst ungeliebten Siedler um 0,3 Prozent. Und dabei wollte doch Parteichef Ben-Eliezer seine Partei näher an den Likud heranführen. Nun brauchte er diesen Vorwand, um die Regierung ohne übermäßigen Gesichtsverlust verlassen zu können, denn innerparteilich bläst ihm der Wind nicht gerade sanft ins Gesicht. Gilt der Verteidigungsminister doch inzwischen zusehends als Double Ariel Sharons. Die Knesset-Abgeordneten Haim Ramon und Amram Mitzna, Letzterer zugleich Bürgermeister von Haifa, halten sich öffentlich für die besseren Vorsitzenden. Beide wollen als Tandem führen. Ben-Eliezer und Shimon Peres haben sich kompromittiert, weil sie die brutale Unterdrückung und Strangulierung der Palästinenser bereitwillig mitgetragen haben. Peres fungierte immer nur als Feigenblatt zur Besänftigung der öffentlichen Meinung in Europa und Nordamerika.

Aber nicht nur in der Arbeitspartei, auch im Staat Israel überhaupt muss jetzt das politische Feld neu bestellt werden - und zwar durch vorgezogene Wahlen. Sollte Premier Sharon glauben, den Erpressungsversuchen seines Erzrivalen Netanyahu und des designierten Koalitionärs Avigdor Lieberman von der rechtsradikalen Nationalen Union/Unser Haus Israel anders begegnen zu können, so irrt er gewaltig. Wenn Liebermans Partei unter welchen Umständen auch immer in eine durch rechtsnationalistische Politiker dominierte Regierung gerät, dann sollte sie einen erneuerten Auftrag der Wähler im Rücken haben - oder verzichten. Denn das Programm dieser Gruppierung ist mehr als extremistisch und reicht bis zur Forderung nach einem Transfer, sprich: ethnischer Säuberung, bei den Palästinensern. Die Ernennung des ehemaligen Generalstabschefs Shaul Mofaz zum Interims-Verteidigungsminister wird im Übrigen dieser Radikalisierung Vorschub leisten - er will Arafat aus Palästina hinauswerfen. Sein Verhalten als kommandierender General verdient nur Abscheu, wie Gideon Levy am 3. November in der Zeitung Haaretz schrieb. Er sei für eine "moralische Degeneration" der Armee zuständig - für die Liquidierungen, die Massenverhaftungen, das Verhalten der Soldaten in den besetzten Gebieten. Mofaz wird auch "Prophet der Finsternis" genannt.

Für Ariel Sharon sind die nächsten Wochen zweifellos entscheidend. Dann wählt das Zentralkomitee seiner Likud-Partei den Parteivorsitzenden. Sollte es Netanyahu gelingen, die Führung zu übernehmen, wird er dadurch automatisch Kandidat für den Posten des Premiers. Also muss Sharon seinen Hardliner an der kurzen Leine führen und ihm allzu polarisierende Statements über Arafats Zukunft oder die der Palästinenser vorerst ausreden. Alles andere könnte den Zielen des "Anti-Terrorkrieges" gegen den Irak schaden, und dies mag der kleine Bush nicht.

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