Ein schwuler Vater, zwei lesbische Mütter. Co- Parenting nennt sich das inzwischen
Illustration: Jonas Hasselmann für der Freitag
Früher habe ich gedacht, dass Schwule keine Kinder bekommen können. Also nicht Homosexuelle allgemein, sondern eben Schwule. Lesben haben es da einfacher. Man kann als Frau auch in einer homosexuellen Beziehung schon irgendwie schwanger werden, auch wenn der Staat gefühlt alles dafür tut, dass nur klassische Hetero-Familien Kinder bekommen. Die meisten Reproduktionshilfen sind hierzulande nämlich nicht erlaubt.
Aber dann zeugte ein enger Freund von mir vor etwa drei, vier Jahren mit einem lesbischen Paar ein Kind, und dann noch eins. Und dann folgte ein weiterer Freund mit schwulen Vaterplänen. Dieser nahm mich dann Anfang 2017 zu einem Stammtisch für schwule Väter hier in Berlin mit. Dort hatten manche schon Kinder, manche warteten gerade auf die Geb
uf die Geburt und manche planten noch.Bei dem Stammtisch konnte man sich austauschen und typische Probleme besprechen. Kurz davor hatte es über eine Freundin, die mich ihrer Ex-Freundin und deren Partnerin empfohlen hatte, ein erstes Kennenlernen gegeben. Wir würden bald die Konstellation anstreben, die die meisten Homosexuellen wählen, um sich einen Kinderwunsch zu erfüllen: Ein schwuler Vater, zwei lesbische Mütter. Co-Parenting nennt sich das inzwischen. Früher war ich immer davon ausgegangen, dass ich zwar Kinder wollen kann, aber es dafür keinen praktikablen Weg gibt. Was für andere selbstverständlich ist, war in meiner heteronormativ geprägten Wahrnehmung faktisch nicht möglich. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich mit der Vorstellung angefreundet hatte, schwul zu sein und dennoch Vater werden zu können.Placeholder infobox-1Nach dem ersten Treffen sagte ich den beiden Frauen, dass man sich gern wieder treffen könne. Die beiden sehen das wie ich. Also machten wir alles, um uns kennenzulernen. Wir gingen ins Kino, ins Museum. Wir gingen essen und lernten gegenseitig unsere Freunde kennen, denn wir müssen, wenn das mit dem Kind klappen sollte, natürlich auf lange Sicht miteinander auskommen. Aber eben als Freunde, nicht als Liebende.Dann erzählte ich alles meinen Eltern. Ich war sehr unsicher, wie sie das auffassen würden, da es nun nicht gerade etwas Alltägliches ist. Wenn es von ihrer Seite massive Vorbehalte gegen diese Art der Familienplanung gegeben hätte, hätte ich meinen Plan wahrscheinlich noch einmal überdacht. Aber: Sie freuten sich darauf, dass ihr Sohn endlich Enkelkinder in die Welt setzen wollte. Ob der Weg dahin unkonventionell ist oder nicht – das ist ihnen nicht wichtig. Meine Eltern sicherten mir ihre Unterstützung zu, ihre Vorfreude ist schon groß.Nun wird es konkreter: Die beiden Frauen und ich besprechen ein paar Rahmenbedingungen, etwa wie wir uns die Erziehung vorstellen – denn wie viele, die dieses Familienmodell wählen, werde ich das Kind zur Adoption freigeben. Was für manche befremdlich wirkt oder wie eine leichtfertige Entscheidung, finde ich normal. Ich möchte Kinder, ich will ihnen auch ein Vater sein, indem ich mit ihnen Zeit verbringe, ich möchte sie miterziehen und was man als Elternteil sonst so macht. Aber ich habe keinen stark ausgeprägten Wunsch, dass das Kind oder die Kinder hauptsächlich bei mir leben. Gern regelmäßig, aber nicht immer.In erster Linie ist es eben doch das Kind der Frauen. Durch die Adoptionsfreigabe kann die Partnerin der Mutter das Kind auch als das ihre annehmen. Ich bin vor dem Gesetz dann nicht mehr der Vater. Die Mütter wollen sich damit rechtlich absichern, und ich finde das in Ordnung. Ausgegangen ist alles ja von ihnen und das Kind wird hauptsächlich bei ihnen wohnen. Sie wollen ein Kind, ich will helfen und dabei natürlich Anteil am Kind, aber ich habe nicht vor, dass das Kind bei mir wohnt. Kümmern aber will ich mich, und zwar nicht zu knapp. Auch finanziell, obwohl ich das nach der Adoptionsfreigabe rechtlich gesehen nicht muss.Wir halten deshalb ein paar Grundsätze bezüglich des Kindes notariell fest. Das hat vor Gericht eigentlich kein Gewicht, aber es ist besser, wenn beide Seiten etwas in der Hand halten können. Und schon da merkt man, über wie viele Sachen man sprechen muss. Eine will taufen, der Nächste sagt „aber doch nicht katholisch!“ und wieder eine will es lieber gar nicht. Viele, die das alles schon durch haben, sagen aber, dass das einer der Vorteile am Co-Parenting sei. Man geht nicht davon aus, dass dieses und jenes selbstverständlich so ist, sondern man bespricht alles Mögliche – allein schon deshalb, weil man sich nicht mit rosaroter Brille anschaut, wie das meist bei Hetero-Paaren auf dem Weg zum ersten gemeinsamen Kind der Fall ist.Die BechermethodeEs findet übrigens kein Sex statt, das wollen beide Seiten nachvollziehbarerweise nicht. Die Vorgehensweise nennt sich „Bechermethode“. Diese Form der künstlichen Befruchtung funktioniert – was die Zeugungswahrscheinlichkeiten betrifft – nicht weniger gut als Beischlaf. Ich hoffe aber trotzdem, dass wir bei einem der ersten Versuche Glück haben.Über den Namen des Kindes haben wir bisher noch nicht gesprochen. Ein Bekannter wurde zum Beispiel im Zweitnamen des Kindes verewigt. Was da entsteht, ist eine selbstgewählte Familienform. Schon jetzt passen die einen auf die Kinder der anderen auf. Man plant, in die Nähe voneinander zu ziehen und verspricht sich, die gewählte Stadt als Lebenszentrum beizubehalten, wegen der Kinder. Manche haben auch Wohnungen nebeneinander gekauft und machen einen Durchbruch zwischen beiden in der Küche. Auf der einen Seite wohnt der Vater, vielleicht mit seinem Freund, auf der anderen Seite die Mütter. Mir scheint, in den meisten Fällen ist es ein Vater und zwei Mütter, aber auch Konstellationen mit einem schwulen Vater und einer lesbischen Mutter kommen vor, genauso wie zwei schwule Väter und zwei lesbische Mütter.Aber egal, in welcher Konstellation Kinder aus Regenbogenfamilien genau aufwachsen, das Wichtigste ist – wie in allen Familien –, dass die Eltern ihre Kinder lieben. Ein Kind wundert sich zwar mal, dass bei Klassenkameraden ein Vater zu Hause wohnt und nicht zwei Mütter, aber damit hat vor allem die der Realität hinterherhinkende Gesellschaft ein Problem. Klar kann es auch für das Kind zu Problemen führen, wenn es deshalb gehänselt oder gar gemobbt wird. Aber nur wenn wir neue Wege wagen, können wir die Gesellschaft verändern. Glücklich sind auch die Kinder von heterosexuellen Paaren nur, wenn sie so sehr gewollt werden wie jene von Lesben und Schwulen, denn wir haben eine Menge mehr Hürden hinter uns zu bringen, um unsere Kinderwünsche zu erfüllen. Lieben und aufziehen können wir aber Kinder genau so gut wie jeder andere auch.
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