Im Januar wies der von den Konservativen beherrschte französische Senat ein Gesetz zurück, das per Verfassungsänderung Frauen und Männern gleichen Zugang zu allen politischen Ämtern ermöglichen soll. Im März fällt nun die endgültige Entscheidung. Präsident Chirac, der sich das Thema Frauenförderung auf die Fahnen geschrieben hat und durch die Senatsentscheidung von seinen eigenen Parteifreunden desavouiert wurde, ist in einer klassischen Zwickmühle, aus der er sich nur mit einem Referendum retten könnte.
So groß das Wort »égalité« in der französischen Republik geschrieben wird, so verschwindend klein nimmt sich der Platz aus, der den Französinnen in der Politik dieser Republik bisher eingeräumt wurde. Dies ist um so erstaunlicher, als die Französinnen in bezug auf höhere Bildung, Berufstätigkeit von Frauen oder zivilrechtlicher Gleichstellung in Europa eine Vorreiterrolle einnehmen. Das Stimmrecht dagegen haben sie erst 1944 erhalten, viel später also als etwa die Deutschen, die Russinnen oder Amerikanerinnen. Und seit einem guten halben Jahrhundert ist die weibliche Präsenz in den Parlamenten Frankreichs nicht um einen Zoll vorgerückt.
Institutionelle Eigenheiten des politischen Systems sowie die Funktionsweise der etablierten Parteien verbauen den Frauen noch immer den Weg in die Politik. Die Praxis der Ämterhäufung, die häufige Konzentration der lokalen Macht in wenigen Händen, führt dazu, daß die politische Landschaft immer von denselben Personen dominiert wird und neue Gesichter wenig Chancen haben. Hinzu kommt, daß Frauen - auch wenn sie die Kaderschule der Nation, die ENA, erfolgreich absolviert haben - nur selten in Führungspositionen aufrücken. Vorurteile und gut funktionierende Männerseilschaften wissen das zu verhindern. So finden sich zum Beispiel unter den insgesamt 182 Botschaftern Frankreichs nur zwölf Frauen.
Bei den letzten Wahlen zur Nationalversammlung stellten die bürgerlichen Parteien (UDF und RPR) lediglich 46 Kandidatinnen auf. Angeblich waren trotz großer Anstrengungen kaum kompetente Frauen zu finden. Die Mitglieder dieser von Männern dominierten konservativen Parteien waren mit großer Mehrheit dagegen, das Prinzip der Gleichstellung der parlamentarischen Vertretung von Frauen und Männern in der Verfassung zu verankern und Quoten für weibliche Kandidaten einzuführen. Die Sozialistische Partei hatte sich dagegen immerhin eine Frauenquote von 30 Prozent auferlegt und 161 Kandidatinnen präsentiert. Nur dadurch ist der bisher einmalige Anstieg auf einen Frauenanteil unter den gewählten Abgeordneten von immerhin fast 16 Prozent bei den Regierungsparteien erreicht worden. Zuvor hatte das französische Parlament 50 Jahre lang zu 94 Prozent aus Männern bestanden.
Die derzeit geplante Ergänzung des Artikels 3 der französischen Verfassung, mit dem der gleiche Zugang von Männern und Frauen zu allen Ämtern und Funktionen in der Politik begünstigt werden soll, ist weltweit einzigartig und das Produkt einer spezifisch französischen Geschichte. Denn Versuche, den Frauen durch gesetzliche Quoten eine stärkere Vertretung in der Politik zu ermöglichen, gab es schon früher. Sie scheiterten jedoch 1982, als der Verfassungsrat die positive Diskriminierung, wie er die Reservierung von Wahlmandaten für Frauen umschrieb, für unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung erklärte. Einige Verfechterinnen der Paritätsforderung beschlossen daraufhin, das Urteil des Verfassungsrates zu umgehen und eine Verfassungsänderung zu beantragen.
Unterstützung fand das Reformvorhaben auch auf höchster politischer Ebene. Premierminister Jospin und Präsident Chirac, die sich beide gerne als Modernisierer der französischen Gesellschaft geben, haben sich zu diesem Zweck die Förderung der Frauen auf ihre Fahnen geschrieben. Da beide das Gesetz wollen, ohne damit jedoch ihre jeweilige Anhängerschaft zu verstimmen, mußte ein Kompromiß ausgehandelt werden. Im Vorfeld hatte der Text deshalb einige Modifikationen erfahren. Am 15. Dezember wurde er von 82 der insgesamt 83 anwesenden Abgeordneten angenommen.
Die Einführung der Parität wird zwar von der französischen Bevölkerung mehrheitlich begrüßt, doch stößt sie auch auf Kritik. Die bekannte Philosophin und Autorin Elisabeth Badinter, die vor allem durch ihre kulturwissenschaftliche Studie über die gesellschaftliche Verankerung und Instrumentalisierung der Mutterschaft bekannt wurde, ist pikanterweise eine der prominentesten Kritikerinnen. Sie wendet sich vor allem dagegen, mit der Parität einen biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau festzuschreiben. Aus ihrer Sicht stellt die Verfassungsänderung einen Rückschritt dar, weil sie Frauen unter Bezugnahme auf ihr Geschlecht einen Sonderstatus einräumt und der Mythos vom alles bestimmenden, biologisch bedingten Unterschied mit all seinen Konsequenzen neue Nahrung erhält. Badinter geht sogar so weit, in dieser Betonung der Differenz eine Neuauflage der Geschlechterideologie von Vichy zu sehen. Dagegen halten die Verfechterinnen der Parität: Wer so tue, als gäbe es einen abstrakten Universalismus, blende die Geschichte, die Realität aus.
Daß ein Gesetzestext allein nicht ausreicht, die Frauen stärker am öffentlichen Leben zu beteiligen, wissen alle. Das geplante Gesetz zum Verbot der Ämteranhäufung soll ein erster Schritt zur Verbesserung der Situation von Frauen sein. Doch da man vor allem bei den politischen Parteien selbst ansetzen muß, ist ein weiteres Gesetz geplant, das die Finanzierung der Parteien davon abhängig macht, inwieweit sie Frauen fördern.
Doch vorerst ist dies alles noch Zukunftsmusik, denn am 27. Januar wurde der Gesetzestext von der 2. Kammer, dem Senat, der mehrheitlich von der oppositionellen Rechten bestimmt wird, abgelehnt. Bereits vor 80 Jahren hatte diese Institution der politischen Emanzipation der Frauen einen Riegel vorgeschoben, als sie 1922 das von den Abgeordneten bereits angenommene Wahlrecht für Frauen boykottierte.
Im März nun soll es zu einer endgültigen Entscheidung kommen. Präsident Chirac befindet sich in einer Zwickmühle. Wie wird er sich gegenüber dieser Desavouierung durch seine eigenen Parteifreunde verhalten? Wenn diese ihm in den Rücken fallen, bleibt ihm nur noch die Möglichkeit, eine Entscheidung durch Referendum herbeizuführen. Die Frauen, die immerhin die Hälfte der Wählerschaft stellen, warten jedenfalls auf dieses Zeichen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.