Ehen einer Szene

Kolumne House of Cards: Warum es immer schwerer fällt, nicht paranoid zu werden. Spoiler-Anteil: 67 Prozent
Ausgabe 16/2016
Frank Underwood macht sich gut im Weißen Haus
Frank Underwood macht sich gut im Weißen Haus

Bild: Paul Morigi/ Getty Images for Netflix

Wladimir Putin ist korrupt. Wahrscheinlich. Möglicherweise. Sagen Journalisten, die ein paar Fantastilliarden Byte Daten analysiert haben und sie in der letzten Zeit unter dem eingängigen Namen Panama Papers durch die Zeitungen der Republik reichen. Die Daten sind Geschäftsdokumente einer Anwaltskanzlei in Panama und zeigen unter anderem, dass ein guter Freund Putins Briefkastenfirmen führt. Zwar gibt es in den Datenmengen, die den Journalisten anonym zugespielt wurden, keine einzige direkte Verbindung zu Putin, aber wenn der Taufpate der ersten Tochter des russischen Präsidenten in Geldwäsche involviert ist, dann muss auch der russische Präsident korrupt sein.

Das ist die Logik des Eventjournalismus, der zum Leak auch gleich ein Buch präsentiert. Ich klinge gerade etwas zynisch, aber das liegt nicht an mir, das liegt an House of Cards. Denn spätestens nach der im März angelaufenen vierten Staffel der vom US-amerikanischen Streamingdienst Netflix produzierten Politikserie fällt es schwer, nicht paranoid zu werden, wenn Skandale die Welt erschüttern.

In der vom Serienerfinder Beau Willimon erdachten Welt des US-Politikers Frank Underwood (Kevin Spacey) könnte so was wie die Panama Papers nur vorkommen als von Underwood gezielt gezündete Nebelkerze, um die Aufmerksamkeit von etwas viel Größerem abzuziehen. Einem Foltercamp für einheimische Terrorverdächtige zum Beispiel. Oder dem Start der Marsbesiedlung durch reiche Amerikaner. Oder ein paar Morden an politischen Gegnern des US-Präsidenten Underwood.

In House of Cards wird die Kriegslist der gezielten Erzeugung von Chaos seit Anbeginn der Serie als Mittel der Ablenkung von kriminellen Machenschaften zur Vollendung getrieben. Nicht umsonst wagt Frank Underwood am Ende der 13 neuen Episoden von Staffel vier die ebenso drastische wie wahre Aussage: „Wir beugen uns dem Terror nicht. Wir machen ihn.“

Aber beginnen wir von vorn. Auch Underwood hat mal ein Buch zum Event versprochen. Es sollte in einem Handlungsstrang der dritten Staffel das zu Beginn seiner Präsidentschaft aufgelegte „America Works“-Programm für Vollbeschäftigung mit schillernden biografischen Geschichten begleiten. In Staffel vier hat Underwood nun andere Probleme als ein Buch: seine Ehefrau (Robin Wright). Die hat ihm den Krieg erklärt, die USA streiten sich mal wieder mit den Russen, was eine böse Ölkrise zur Folge hat, und dann ist da noch der Journalist, der nicht aufhört, dem Tod von Zoe Barnes und Peter Russo aus der ersten Staffel auf die Spur zu gehen.

Nein, es ist nicht Lucas Goodwin. Der taucht zwar auch wieder auf, tut sich aber vor allem damit hervor, seine Zellenkollegen im Gefängnis erzählerisch zum Orgasmus bringen zu können – die Macht der Worte trifft auf die Erbärmlichkeit menschlicher Bedürfnisse. Abgesehen von seinem Zeitvertreib als Pornoerzähler kann Goodwin nicht aufhören, Underwoods Verbrechen rächen zu wollen und begeht eine Tat, die US-amerikanische Traumata berührt.

Rache verwandelt den korrupten, aber oft charmanten und zynisch-witzigen Underwood vom Beginn der Serie endgültig in den kranken, paranoiden alten Mann, der am Ende der dritten Staffel Claire buchstäblich an die Gurgel ging, weil sie es gewagt hatte, ihn zu kritisieren. Eine Machtdemonstration, für die sich Claire in Staffel vier mit geringen Mitteln und hoher Effektivität revanchiert: Sie streut der skandalhungrigen Presse anonym dunkle Informationen aus Franks Vergangenheit. Wie zwei Königskobras im Kampf begegnen sich die beiden, und wäre Frank nicht mitten im Kampf um die Wiederwahl, er müsste Claire konsequenterweise seinem Vertrauten Doug Stamper überlassen.

Doch so besinnt sich der Präsident darauf, dass die First Lady in seiner Situation die einzige Verbündete sein kann. Die Ehe der Underwoods ist so alternativlos, wie es die skrupellosen Machenschaften waren, die ihnen den Weg zur Macht erst geebnet haben. Das erkennt Frank und orchestriert mit Claire zusammen das Undenkbare: Am Ende von Staffel vier geht sie zusammen mit ihm als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft in den Wahlkampf.

Wer jetzt stöhnt, wie unrealistisch das alles sei, dem sei empfohlen, sich auf Gestalten wie Sarah Palin oder Donald Trump zu besinnen. Es gab schon seltsamere Kandidaten in der Wahl für das mächtigste Amt der freien Welt als Frank Underwood.

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