Ein Anfang ist gemacht

Syrien-Strategie Der Auftritt von Obama und Putin auf der UN-Vollversammlung ließ ahnen, wie die USA und Russland einander näherkommen könnten
Ausgabe 40/2015
Bemüht um Diplomatie: Wladimir Putin und Barack Obama
Bemüht um Diplomatie: Wladimir Putin und Barack Obama

Foto: Chip Somodevilla/AFP/Getty Images

Trotz beträchtlicher Differenzen: Wladimir Putin hält unbeirrbar fest an seiner Version der Realität, in der Syriens Präsident Baschar al-Assad im Recht ist, Gräueltaten seiner Armee beiseitegewischt werden und allein die syrischen Regierungsstreitkräfte wirklich etwas gegen den „Islamischen Staat“ ausrichten können. Zudem hat Russlands Staatschef mit der Verlegung von Kampfjets und Soldaten nach Syrien ein unmissverständliches Zeichen gesetzt.

Für Barack Obama ist Assad ein Tyrann, mit dem er keine Geschäfte machen will. Doch Obamas Syrien-Strategie kränkelt gewaltig. Die Kampfausbildung der moderaten Opposition ist ein Desaster. Und welche der mehr als ein Dutzend Anti-Assad-Gruppen könnte glaubhaft eine Regierung bilden? Die US-Luftangriffe auf den „Islamischen Staat“ zeigen nur begrenzt Wirkung.

Und dennoch: Der Auftritt von Obama und Putin auf der UN-Vollversammlung ließ ahnen, wie die USA und Russland einander näherkommen könnten. Der Realismus diktiere, dass Kompromisse nötig sein werden, um den Krieg in Syrien zu beenden und den „Islamischen Staat“ zu vernichten, sagte Obama vor der UNO. Realismus erfordere einen „gemanagten Übergang von Assad zu einem neuen Führer“. Das klingt schon etwas anders als seine bisherige Forderung, Assad müsse weg. Putin seinerseits sagte, zur Stärkung der „legitimen Regierung“ in Syrien gehöre ein „positiver Dialog mit der rationalen Opposition“.

Die Auswirkungen des Bürgerkriegs sind entsetzlich. Doch Regierungen lassen sich erfahrungsgemäß nur sehr begrenzt von humanitären Beweggründen leiten. Der Realist Obama weiß sehr wohl, dass US-Interessen in Syrien nicht grundsätzlich auf dem Spiel stehen. Auch deshalb wäre ein größeres militärisches Engagement als die bisherigen Luftangriffe auf IS-Stellungen im Kongress nur schwer durchzusetzen.

Obama stößt auch mit seiner Russland-Politik an Grenzen. Das Isolieren und die Wirtschaftssanktionen haben nicht so recht funktioniert. Das Gegenteil ist der Fall: Irgendwie braucht man Russland doch. Bereits beim Zustandekommen des Nukleardeals mit dem Iran hat sich Russland als unverzichtbarer Mitspieler gezeigt. Insbesondere den US-amerikanischen Putin-Nichtverstehern fällt dessen neue Syrien-Initiative nun ziemlich auf die Nerven. Sie warnen und schimpfen, der russische Präsident wolle sich „rehabilitieren“.

Dabei ist die Sache eigentlich ganz einfach: Putin handelt in russischem Interesse, so wie er es definiert. Regierungen sind nun mal so. Das gilt ebenfalls für die Obama-Administration und für Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich überraschend auch dafür starkgemacht hat, mit Assad zu reden. Ob sich das nun im Rahmen einer internationalen Allianz gegen den „Islamischen Staat“ abspielt oder in kleinen Schritten: Es ist offenkundig, dass sich manche der vielen nationalen und persönlichen Interessen der Konflikt-Teilhaber in Syrien decken. Das gibt Grund zur Hoffnung.

Das US-Außenministerium beschrieb das 90-minütige Gespräch der beiden Staatschefs am Rande der UN-Versammlung als produktiv. Zwar gebe es bei Assad „fundamentale Differenzen“. Die verstärkte russische Militärpräsenz sei aber nicht unbedingt negativ zu werten. Vor allem diese Einschätzung lässt aufhorchen. Sie wäre noch vor kurzem undenkbar gewesen. Das alles zeigt: Ein Anfang ist gemacht. Aber es ist noch ein weiter Weg, bis der Konflikt beendet werden kann.

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