Ein Aufbruch soll es sein

»Freitag« Zur Übernahme durch Jakob Augstein

Liebe Leserinnen und Leser,

in der taz stand nach dem Verkauf des Freitag ein Artikel, der in diesem Satz gipfelte: "Der Freitag war ein politisches Projekt von Redaktion und Eigentümern. Das ist vorbei. Es gibt nun einen richtigen Besitzer."

Einen Besitzer gibt es, das ist richtig. Aber das politische Projekt, das ist natürlich nicht vorbei. Das geht weiter. Jetzt erst recht. Braucht die Bundesrepublik ein Blatt wie den Freitag heute nicht dringender denn je? Politik und Medien drängeln sich in der Mitte und schließen Augen und Ohren vor den Fragen, die sich an den Rändern auftun. An den Rändern der Gesellschaft. Und an den Rändern des Denkens.

Es gibt eine Gleichgültigkeit des Fühlens und eine Eintönigkeit des Denkens, gegen die sich der Freitag bislang gestellt hat und gegen die er sich künftig weiter stellen wird. Was ich als neuer Besitzer vorhabe mit dem Freitag? Ich will ihn stärken und weiterentwickeln, damit er dieser Aufgabe auch künftig gerecht werden kann. Sie haben uns Briefe geschrieben, liebe Leser, in denen Sie uns Glück wünschen und in denen viele unter Ihnen Ihrer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass wir Wesen und Identität des Freitag nicht anrühren werden. Das werden wir nicht. Wir werden den Freitag verändern, um ihn zu erhalten. Verändern soll bei uns erweitern bedeuten: Mehr Umfang, mehr Themen, mehr Autoren. Und vor allem noch mehr Leidenschaft, mehr Freude und mehr Streit. Denn das alles gehört zu einem solchen Aufbruch dazu. Und ein Aufbruch soll es schon sein, was wir hier machen.

Dazu gehört auch, dass das Internet viel wichtiger werden wird als bisher. Das muss nicht jeden Leser, der seit Jahren der Zeitung die Treue hält, kümmern. Papier bleibt Papier und liest sich weiterhin wie eh und je. Aber man darf die Augen nicht davor verschließen, dass viele junge Leute mit Papier immer weniger anzufangen wissen, dem Papier immer weniger vertrauen, mit dem Papier immer weniger in Berührung kommen. Wollen wir die alle aufgeben? Geht es uns um das Papier oder um die Inhalte? Ist es nicht eine großartige Aufgabe, das Wesen und die publizistische Kraft einer Zeitung wie dieser ins Netz zu transportieren und dort Menschen zu erreichen, die den gedruckten Freitag nie in die Hand genommen hätten? Wir wollen im Netz aus Usern Leser machen.

Wie das alles aussehen wird, da gibt es bisher ein paar Ideen. Redaktion und Verlag werden darüber gemeinsam beraten und gemeinsam nach dem Weg suchen, auf dem wir den Freitag stärken und weiterentwickeln können. Es wird eine Weile dauern, bis Sie die Ergebnisse dieser Überlegungen sehen werden. Wir werden Sie Ihnen rechtzeitig mitteilen und Sie nach Ihrer Meinung fragen.

Ja, und dann bleibt natürlich die Frage nach der Politik. Nach der Linie. Nach der Haltung. Ein großer deutscher Publizist hat darauf bekanntlich einmal geantwortet "im Zweifel links". Das gefällt mir. Denn da steckt auch drin, dass Journalisten zwar keine Ideologen sein dürfen, aber doch eine innere Haltung haben müssen. Einer der Herausgeber des Freitag, der wunderbare ungarische Schriftsteller György Dalos, hat es so formuliert: "Ich bin ein Linker in meinen kulturellen Reflexen, möchte jedoch diese Haltung nicht ohne Reflexion über mich ergehen lassen. Dementsprechend muss ich für den GAU gerüstet sein, wenn etwa ein Konservativer plötzlich Recht hat oder ein Vertreter des Fortschritts eine enorme Dummheit präsentiert. Jenseits dieser traditionellen Sicht fühle ich mich jenen Paradiesvögeln verpflichtet, die in einer Frage so, in einer anderen wiederum anders denken. Andersdenken ist für mich nicht nur eine Form der ideologischen Devianz, sondern auch das Recht, über etwas anderes als die Themen des gängigen Diskurses nachzudenken."

Das ist der Freitag, den ich mir wünsche. Unabhängigkeit, Kritik, Überraschung und eine im Kern feste Haltung - das sind die Stärken des Freitag und das werden sie bleiben. Die Redaktion des Freitag und die Gruppe der Alteigentümer um Wilhelm Brüggen haben in den vergangenen Jahren unter sehr schwierigen Bedingungen die Existenz und die Unversehrtheit dieser Zeitung gesichert. Das ist eine bewunderungswürdige Leistung, der mein ganzer Respekt gehört. Sie als engagierte, kritische und gleichzeitig loyale Leser haben dem Blatt das wirtschaftliche Überleben ermöglicht. Dafür haben Sie meine ganze Dankbarkeit.

Bleiben Sie auch weiterhin bei uns. Gehen Sie mit uns den Weg weiter. Vielen Dank.

Ihr Jakob Augstein

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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