Ein Croissant als Dildo

Was läuft „Veep“, „Angie Tribeca“ und das Parodieren von Realpolitik (Spoiler-Anteil: 8%)
Ausgabe 07/2016
Einblicke in die Totalausfälle der Politik hinter den Kulissen: „Veep“
Einblicke in die Totalausfälle der Politik hinter den Kulissen: „Veep“

Foto: Presse

In Zeiten, in denen US-Präsidentschaftskandidaten versprechen, Muslimen pauschal die Einreise in die USA zu verweigern, oder deutsche Politikerinnen dafür werben, an der deutschen Grenze auf Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder zu schießen, erscheint es schwierig, Politik zu karikieren. Die Realität schafft die Satire ab. Doch es gibt eine Hoffnung, und die heißt Selina Meyer. Sie ist die fiktive US-Vizepräsidentin, um die sich Veep dreht, eine Comedy-Serie, die seit 2012 auf dem US-Bezahlfernsehsender HBO läuft.

Einige meiner Freunde sehen der Premiere der vierten Staffel der Serie am 24. April mit einem Gefühl entgegen, als wären sie Kranke, die einen Termin beim Spezialisten bekommen haben: In Veep, hoffen sie, werde die Absurdität der derzeit stattfindenden Vorwahlen in den USA endlich angemessen verwurstet. Sieht man sich an, wie vor einer Debatte der Republikanischen Partei ein Großteil der Kandidaten es nicht mal schaffte, die Bühne zu betreten, stehen die Chancen gut, dass Veep diesen Erwartungen tatsächlich gerecht wird.

Veep zeigt, welche Totalausfälle hinter den Kulissen der real existierenden Politik passieren. Dabei regiert nicht der Blutdurst wie bei House of Cards, sondern blanker Dilettantismus. Etwa wenn bei der Rede zur Lage der Nation der Teleprompter ausfällt, Selina Meyer improvisieren muss und erst mal eine Schweigeminute für den Ex-Präsidenten und seine Frau einlegt – selbstverständlich sind die beiden aber gar nicht tot. Selbst wenn sie es wären: Auch mit tatsächlichen Todesfällen vermag Selina Meyer nicht umzugehen. Sie beauftragt ihre Mitarbeiterin Amy Brookheimer, gespielt von My-Girl-Kinderstar Anna Chlumsky, ihre eigene Unterschrift auf einer Kondolenzkarte für die Frau eines toten Senators zu fälschen. Amy unterschreibt aber als Amy, und die Karte wird zum Präsidenten gebracht, der auch noch unterschreiben soll. Natürlich muss sie abgefangen werden, jedoch erst nachdem Selina Meyer infernalisch ausrastet.

Allein für die minutenlangen Fluchkanonaden, mit denen die von Seinfeld-Star Julia Louis-Dreyfus gespielte Selina Meyer auf ihre Mitarbeiter losgeht, lohnt sich Veep. „Was du gemacht hast, ist so effektiv, wie ein Croissant als Dildo zu benutzen – es funktioniert nicht, und es hinterlässt eine Riesensauerei.“ Oder: „Ich versuche, zwei Feuer zu löschen, nur um herauszufinden, dass du das verdammte Feuerwehrauto angezündet hast.“ Beziehungsweise: „Ich fühle mich, als würde ich einem Huhn die Schwerkraft erklären.“

Der Mann hinter diesen kunstvollen Beleidigungen heißt Armando Iannucci. Er erschuf Veep als US-Antwort auf die ebenfalls von ihm kreierte britische US-Politsatire The Thick of It, die von 2005 bis 2012 von der BBC ausgestrahlt wurde.

Wer den Leiden der politischen Realität entkommen will, ohne noch mehr Politik zu sehen, muss in diesem Frühjahr Angie Tribeca gucken. Die von Steve Carell und seiner Frau Nancy verantwortete Serie läuft seit 24. Januar auf dem US-Sender TBS und wärmt die Herzen derjenigen, die eine ordentliche Dosis Albernheit mögen.

Gleich von Anfang an ist klar, mit wem wir es bei der Titelheldin von Angie Tribeca zu tun haben: der weiblichen Antwort auf Frank Drebin. Der berühmte, von Leslie Nielsen gespielte Polizist aus den Nackte-Kanone-Filmen, der ein Gesicht für die große dramatische Bühne machte, während er vertrottelt eine Spur der Verwüstung hinter sich herzog, kommt als einzig legitimer Vorfahre der neuen Polizistin in Frage. In der Pilotfolge steht die von Rashida Jones gespielte Ermittlerin um 4.45 Uhr auf, um mit Wurfsternen zu trainieren, Luftballons zu kicken und auf ihren Kühlschrank einzutreten. Dann macht sie sich auf zu ihrem Job im knallharten Alltag bei der Polizei von Los Angeles, aber nicht ohne eine Armbrust einzupacken.

Rashida Jones und Steve Carell kennen sich seit der Arbeit an der US-amerikanischen Version der britischen Bürosatire The Office, die von 2003 bis 2012 auf NBC lief. Und sie kalkulieren mit einem Erfolgsfaktor dieser Serie auch bei Angie Tribeca – der absoluten Abwesenheit von Selbstironie bei gleichzeitiger Überzeugung, trotz dauernder Gegenbeweise 1.000-prozentig für den Job geeignet zu sein.

Das wiederum dürfte die Serie interessant machen für Gastauftritte gewisser US-Präsidentschaftskandidaten. Mal sehen, wann Angie Tribeca Donald Trump das Handwerk legt.

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