Mehr Gleichheit ginge doch

Umverteilung Vermögen sind in Deutschland besonders ungerecht verteilt, auch zwischen den Generationen. Der DIW schlägt deshalb ein bedingungsloses Grunderbe für alle zum 18. Geburtstag vor. Charmante Idee. Aber lässt sie sich umsetzen?
Ausgabe 51/2021
Die Reichen könnten das Grunderbe finanzieren
Die Reichen könnten das Grunderbe finanzieren

Foto: Chromorange/Imago

Puh, da wäre ich gern zehn Jahre jünger: In einer neuen Studie fordert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dass jeder in Deutschland zum 18. Geburtstag ein „bedingungsloses Grunderbe“ in Höhe von 20.000 Euro erhalten soll. „Bedingungslos“ in dem Sinne, dass es jeder Einwohner einmalig zum 18. kriegt, egal wie viel Vermögen er auf der hohen Kante hat. Wenn es nach dem DIW-Ökonomen Stefan Bach geht, der die Studie erstellt hat, bekommt jeder Volljährige ein „Startkapital vom Staat“. Aber nicht bar auf die Hand: So soll mit dem Geld zuvörderst eine Ausbildung finanziert, Wohneigentum gekauft oder ein Unternehmen gegründet werden.

Neu ist dieses Konzept nicht: Im SPD-Programm zur Bundestagswahl 2017 lief der Vorschlag eines staatlich finanzierten Weiterbildungsbudgets, das alle 18-Jährigen erhalten, unter dem Label „Chancenkonto“. Klingt toll, wurde aber nie umgesetzt.

Jetzt gibt es eine neue Bundesregierung, die sich als „Fortschrittskoalition“ bezeichnet. Also greift das DIW noch mal an. In Deutschland seien die Vermögen „besonders ungleich verteilt“: Die reichsten zehn Prozent der Privathaushalte besäßen „zwei Drittel des gesamten Vermögens“. Sorry, langweile ich Sie? Als regelmäßiger Freitag-Leser dürften Sie diese Zahlen im Schlaf aufsagen können. Also fragen wir uns lieber, wie sinnvoll es wäre, die 750.000 Leute, die jedes Jahr volljährig werden, mit einem fünfstelligen Geldbetrag zu bewerfen. Zumal der ganze Spaß mit 15 Milliarden Euro jährlich zu Buche schlagen würde.

Laut DIW ist das Problem, dass sich bei anderen Instrumenten, die eine Vermögensbildung bei der breiten Masse fördern sollen (Wohnungsbauprämien, betriebliche Altersvorsorge, Riester-Rente etc.), „ein relevanter Effekt auf die Vermögensverteilung erst nach Jahrzehnten“ einstellt. Was tun, wenn man die Ungleichheit schneller „spürbar reduzieren“ will? Bach glaubt: Ein Grunderbe könnte den Gini-Koeffizienten, der die Ungleichheit eines Landes misst, in Deutschland relativ rasch „um fünf bis sieben Prozent“ senken. Das würde uns in die Top 5 der egalitärsten Nationen der Welt spülen! Das liegt nicht zuletzt daran, dass Deutschland ein vergreistes Land ist, in dem die Alten „lebenszyklusbedingt“ mehr Vermögen angespart haben als die Jüngeren, und ein Grunderbe für mehr Ausgleich zwischen den Generationen sorgen würde.

Und wer soll das bezahlen? Auch darauf gibt Bach eine Antwort: die Reichen! Durch höhere Steuern auf Erbschaften und auf Vermögen ab 20 Millionen Euro. Er macht Vorschläge dafür, wie man die „vermögensbezogenen Steuern anheben“ könnte. Aber weil ich Sie gerade schon fast eingeschläfert habe, verzichte ich auf Details. Wichtig ist nur: Durch Bachs Steuerreformen ließen sich jährlich 22,5 Milliarden Euro – oder 0,6 Prozent des für 2022 geschätzten BIP – mehr einnehmen. Genug Kohle, um neben dem Grunderbe noch weitere „Programme zur Vermögensförderung“ einzuführen. Bach schlägt zum Beispiel einen Staatsfonds vor, dessen Erträge „der Bevölkerung zugutekommen“.

Blöd nur, dass all diese Ideen in der Versenkung verschwinden werden. Dank der FDP sucht man im Ampel-Koalitionsvertrag vergeblich nach Steuererhöhungen für Wohlhabende, mit denen sie finanziert werden könnte. Und die Wiedereinführung der seit 1997 ausgesetzten Vermögenssteuer scheint mit einem Finanzminister Christian Lindner so wahrscheinlich wie, hm ... dass Franziska Giffey ins Bundeskabinett zurückkehrt, die FDP vom Grunderbe überzeugt und das Ganze als „Gutes-Vermögen-Gesetz“ durchs Parlament geht.

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Geschrieben von

Dorian Baganz

Redakteur „Politik“, „Wirtschaft“, „Grünes Wissen“

Dorian Baganz, geboren 1993 in Duisburg, studierte Politik und Geschichte in London, Berlin sowie in Oslo. 2019 war er als Lokalreporter für die Süddeutsche Zeitung im Umland von München tätig. Seit 2022 ist er Redakteur beim Freitag und schreibt dort vornehmlich über Klimathemen und soziale Umbrüche. Gemeinsam mit Pepe Egger baute er ab 2022 das Nachhaltigkeitsressort „Grünes Wissen“ auf. Dort veröffentlicht er längere Reportagen, u.a. über geplante Gasbohrungen vor Borkum oder ein Wasserstoffprojekt in der Nordsee.

Dorian Baganz

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