Porträt Florian Klenk ist der schärfste Enthüllungsjournalist Österreichs. Während andere Zeitungen Panik schüren, deckt er die eigentlichen Skandale auf
Mitte Januar wäre in Wien fast die U-Bahn in die Luft geflogen. IS-Anschlag, das stand so in den Zeitungen: „Wir waren Terrorziel: Attentäter in Wien verhaftet“, titelte die Kronen Zeitung und schob panisch nach: „Blutbad gerade noch verhindert!“. Die Gratis-Zeitung Österreich schrie vom Titelblatt: „U-Bahn-Bomber in Haft!“ Da bekam man es mit der Angst zu tun.
Eine Woche später sitzt Österreichs bekanntester Enthüllungsjournalist Florian Klenk mit verschränkten Armen und vier Kollegen in einem Wiener Kaffeehaus. (Wirklich wahr, die Redakteure der Wiener Wochenzeitung Falter, deren Chefredakteur Klenk ist, treffen sich zur Themenkonferenz in einem Kaffeehaus, wo sie Kleine Braune und Melange trinken.) „Ein junger I
Melange trinken.) „Ein junger Islamist auf der schiefen Bahn, vermutlich nur ein Maulheld, der mit Schwarzpulver und Fernzündern hantiert hat, aber zum Glück zu feig ist für einen richtigen Anschlag“, so beschreibt Klenk den vermeintlichen U-Bahn-Bomber Lorenz K. „Gestern hab ich die Verhörprotokolle zugespielt bekommen, da steht’s so drin.“ Drei Tage später druckt der Falter die Protokolle.Besser gratulierenAm Tag darauf bringt der deutsche Investigativjournalist Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung einen langen Bericht zu dem Vorfall, der WDR sendet den Fall, beide beziehen sich auf die Wiener Stadtzeitung. Weil Lorenz K.s heimlicher Traum, so steht es im Falter: eine Bombe zünden auf dem rheinland-pfälzischen Militärstützpunkt in Ramstein. Keine U-Bahn, kein Wien, keine Panik also!„In Österreich haben wir drei Arten von Journalisten“, erzählt Florian Klenk, 43, so wie er es sonst seinen Publizistik-Studenten an der Universität erzählt. „Die Straßenköter, die Schoßhündchen und die Wachhunde.“ Die Straßenköter, das seien die Terrorangst- und Panikmacher und die, die den Fritzls und Priklopils und ihren Opfern die Türen einrannten, kaum waren die Verbrechen bekannt geworden. Die Schoßhündchen, das seien die, die Politiker großzügig hofierten, weil das in Österreich ein großes Ding sei mit den Regierungs- und Parteiinseraten und da eine Menge Geld dranhinge. Und die Wachhunde? Klenk grinst vielsagend, ihm gefällt seine Metapher. Das könne man sich ja dann denken.Placeholder infobox-1Kann man gut, während er später am Tag angeregt telefonierend in seinem mit knarzenden Dielen ausgelegten, spartanisch eingerichteten „Kammerl“, wie er es halb liebevoll, halb zynisch nennt, auf und ab läuft. Ein bisschen sieht es aus, wie man sich klischeemäßig das Büro eines Investigativjournalisten vorstellt. Wie man das aus Filmen wie Spotlight kennt: ein mit bedruckten DIN-A4-Bögen und Zeitungen vollbepackter Schreibtisch, der so aussieht, als hätte man ihn bei einer Schulhausentrümpelung abgegriffen, irgendwo dazwischen ein Computer. Und an der kargen Gipswand eine Magnettafel, an die Klenk vier Fetzen Papier gehängt hat: Zwei ausgedruckte E-Mails. Von Kanzler Christian Kern, SPÖ, und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, ÖVP, die herzlichst – „in großkoalitionärer Eintracht“, wie Klenk es umschreibt – zur Österreichs-Journalist-des-Jahres-Auszeichnung gratulieren. Daneben ein vom Falter-Karikaturisten Bernd Püribauer gezeichneter Obstkorb, der gleichzeitig einen auf dem Rücken liegenden Käfer – eine Kafka-Anspielung – darstellt. „Aufgedeckt wird“, steht darüber, Klenks journalistisches Motto. Darunter hängt noch ein kleiner, fast unscheinbarer Brief, geschrieben mit blauer Tinte auf Blümchenpapier: „Hr. Florian Klenk, Sie sind wohl das größte Arschloch von Österreich! Mit Ihrer brustschwachen Zeitung verbreiten Sie laufend Unwahrheiten über Ihnen nicht genehme Politiker. Sie sind ein links linker Träumer! Sie werden aber trotzdem den Erfolg der FPÖ nicht verhindern können!! Im Namen von tausenden ÖSTERREICHERN“.Ein bisschen ist die Magnettafel ein Florian-Klenk-Kurzporträt in vier Briefen, das seine Bedeutung in Österreich komprimiert wiedergibt: Da sind die, die es sich nicht mit ihm verscherzen wollen. Lieber gratulieren, vorsichtshalber, denn der Klenk hat ja schon einige unanständige Politikerkollegen hochgehen lassen. Dann gibt es die, die den Aufdecker Klenk offen heraus bewundern. Dafür, dass er das „Licht anknipst, wo’s andere gerne dunkel haben“, wie er stolz sagt. Und dann sind da noch die, die ihre Abneigung, ihren Hass nicht verbergen wollen. Die ihn für einen parteiischen Lügenjournalisten halten und den Falter für ein Fake-News-Medium. Die, die ihm anonyme Briefe schreiben. Auch solche, die aus ihrem Namen gar kein Geheimnis machen und auf Facebook posten, man solle ihn in ein arabisches Strafgefangenenlager stecken oder auch Sachen wie: „Kann den wer anzünden bitte?“ Klenk hat sich dann gleich aufgemacht nach Oberösterreich und dem Möchtegern-Anzünder namens Boris einen Hausbesuch abgestattet und eine Geschichte drüber geschrieben. Damit hatte der im Leben nicht gerechnet.Wahrscheinlich ebenso wenig, wie der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll damit gerechnet hat, dass Klenk Anfang Januar aufdecken würde, wie er sich vom Steuerzahler seine Privatstiftung subventionieren ließ (dass Pröll noch in derselben Woche seinen geplanten Rücktritt nach 27 Jahren im Amt bekannt gab, kommentierte Klenk auf Twitter mit „Touchdown“). Oder so wenig wie der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser erwartet hatte, dass Klenk seine dubiosen Immobiliendeals enthüllen, ihn der Korruption überführen würde, wegen der er sich seit 2016 vor Gericht verantworten muss. So wie zuletzt auch die steinreichen Kunden des Rechtsdienstleistungsunternehmens Mossack Fonseca & Co., die ihre Millionen in Briefkästen in der Karibik parkten, nicht mit den Panama Papers gerechnet hatten. Und das sind jetzt nur einige wenige investigative Scoops, die Florian Klenk in den letzten Jahren gelandet hat oder an denen er beteiligt war.„Wir beim Falter machen einen für Österreich anachronistischen Journalismus“, sagt Florian Klenk. „Es gibt hier eine sehr starke He-said-she-said-Tradition. Darstellung und Gegendarstellung“, erzählt er. „Wir gehen einen Schritt weiter und fragen: Wer ist im Recht? Was ist wahr?“ Überhaupt, wenn Klenk von Recherchen spricht, benutzt er immer die Wir-Form, weil das bescheidener klingt als immer nur Ich und ihm sowieso der Ruf vorauseilt, ein ziemlich großes Ego zu haben. Und wohl auch deshalb, „weil der Falter ohne den Klenk nicht der Falter wäre, und der Klenk ohne den Falter nicht der Klenk“, wie es einer seiner engsten Mitarbeiter beschreibt.Klar, alternativ war der Falter schon immer, das war ja quasi die Idee gewesen von den Hausbesetzern und Theaterwissenschaftsstudenten, die ihn 1977 gründeten. Aber dass er sich als das österreichische Investigativmedium mit internationalem Renommee etablierte, das ist tatsächlich Klenks Verdienst.PR oder: Man kennt sich haltSeit 1997 schreibt Florian Klenk für den Falter – mit zweijähriger Unterbrechung, die er von 2005 bis 2007 im Investigativressort der Zeit in Hamburg verbrachte, seit 2012 ist er Chefredakteur. Er hat wie kein zweiter österreichischer Journalist Quellen in der Polizei, in der österreichischen Justiz, bei den Menschenrechtsorganisationen. Viele der Kontakte hat er noch aus seinem Jurastudium in Wien mitgenommen, andere aus seiner Tätigkeit als Flüchtlingsberater bei einer Wiener NGO während des Bosnien- und des Kosovo-Kriegs. Und dann sind Enthüllungsjournalisten für Whistleblower ein bisschen so wie Briefkastenfirmen für Multimillionäre: Die sehen, da behandelt einer das anvertraute Gut mit höchster Sorgfalt und Respekt und deshalb vertraut man ihm weitere Informationen oder eben noch mehr Geld an. Und irgendwann kommen andere Informanten, andere Multimillionäre und so weiter. „Man kann schon sagen, dass der Florian 95 Prozent der Scoops an Land zieht“, sagt einer von Klenks Kollegen aus der Redaktion.Anachronistisch heißt für Klenk, der sich über das Elend der österreichischen Medienlandschaft beklagt, auch und vor allem: Journalismus zu machen, der den Namen verdient. Ein George-Orwell-Zitat dient da als Definitionshilfe: „Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relation“. Und in Österreich gibt es viel davon. Public Relations, oder wie die Österreicher sagen würden: Man kennt sich halt untereinander.Fragt man Harald Fidler, Redakteur beim Standard und Autor mehrerer Medien-Sachbücher, so nennt er drei Phänomene, die die österreichische Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft deutlich von der deutschen unterscheiden: „Kennzeichnend für die österreichischen Printmedien sind die (Familien-)Konglomerate, der enorme Aufwand von Regierungsinseraten in Höhe von 180 Millionen Euro im Jahr und zuletzt auch das große Angebot die Reichweite von Boulevard und Gratiszeitungen.“ Zur Veranschaulichung: Die Kronen Zeitung verkauft wochentags im Schnitt 750.000 und am Wochenende sogar 1,2 Millionen Exemplare und erreicht täglich 31 Prozent aller Österreicher (Deutschlands auflagenstärkstes Blatt, die Bild, erreicht gerade einmal 14,3 Prozent der Bundesbürger). 50 Prozent der Kronen Zeitung gehören der deutschen Funke-Mediengruppe, 50 Prozent der Verlegerfamilie Dichand. Eva Dichand, die Ehefrau des Krone-Chefredakteurs und -Herausgebers Christoph Dichand, ist wiederum Herausgeberin und Miteigentümerin der Heute. Ein Gratis-Boulevardblatt aus Wien und die zweitstärkste Tageszeitung in Österreich. Wobei 51 Prozent davon wiederum der SPÖ-nahen Privatstiftung Periodika gehören. Finanziert wird das Blatt durch Werbeanzeigen, die zu einem wesentlichen Teil von Regierung und anderen öffentlichen Stellen geschaltet werden.Fast mickrig wirkt im Gegensatz der Falter mit seinen 120.000 Exemplaren, die 1,6 Prozent der Einwohner erreichen. Trotz internationaler Scoops bleibt der Falter in Österreich Nische. Interessiert sich niemand für Investigatives, nur alle für Angstmach-Panik-Boulevard?„Das glaub ich nicht. Der investigative Journalismus muss sich nur kreative Wege suchen, um die Menschen zu erreichen“, verkündet Klenk bei der Blattkonferenz im Kaffeehaus, und er grinst schon wieder wie ein Spitzbub, der einen Schmäh auf Lager hat. Er hat da über die Jahre einen gewissen Ehrgeiz entwickelt, sein Rechercheprodukt kreativ zu vermarkten. Sei es ein Erwin-Pröll-Gedenk-Abo-Angebot nach dem Rücktritt des „Landesfürsten“ in Niederösterreich. Oder eine Lesung im überfüllten Audimax der Universität Wien, bei der er österreichische Kabarettisten die Telefonprotokolle rund um den Karl-Heinz-Grasser-Immobilienskandal vortragen ließ. Oder die Herausforderung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum Koks-Test-Duell im Untersuchungslabor.Ungeschlagen und bisher unangefochten: das Theaterstück zu seiner Recherche über Frauenhandel und Prostitution in Wien, verfasst von keiner Geringeren als der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. „Ich habe ihr einen Umzugskarton voller Akten und Protokolle geschickt, und sie hat sich das angeschaut und daraus ein Theaterstück gemacht.“ Über Tiere hat sie es genannt, 2007 war Premiere am Burgtheater.Der Kaffeehauskellner bringt die Kleinen Braunen und die Melanges heran. Da klingelt Klenks Telefon, er springt auf. „Tschuldige, muss da kurz rangehen, ist wichtig“, wirft sich den dunklen Mantel über und ist verschwunden. Zurück bleiben vier Redakteure und fünf volle Kaffeetassen. Überrascht ist niemand. Einer zuckt mit den Schultern: „Der hupft auf und ist weg.“ Alle müssen schmunzeln. „Der muss halt sau viel arbeiten. Weil in seinem Herzen ist er nicht nur ein Vollblutjournalist, sondern auch ein Reformer, der die Republik schon ein paarmal verändert hat.“
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