Ein eigenwilliger Diplomat

Klima-Sekretär In Kopenhagen sind die nächsten zwei Wochen Yvo de Boers Verhandlungskünste gefragt. Dabei will der Niederländer nicht so recht in die Welt der Diplomatie passen

"Die Augen der Welt blicken nach Kopenhagen." - "Wir haben die reale Chance es zu schaffen." - "Wenn wir später zurückblicken, werden wir stolz sagen können: Dieses Werk ist uns in Kopenhagen gelungen." - Dies sind typische de-Boer-Sätze. Kurz vor Beginn des 15. UN-Klimagipfels in der dänischen Hauptstadt versucht der Chef des UN-Klimasekretariats, mit solchen Worten noch einmal Zuversicht und gute Laune zu verbreiten. Darin ist der Niederländer Meister: Als oberster Dienstherr der UNO in Sachen Klima versteht er es, den Verhandlungsprozess mit Worten zu beeinflussen.

Das heißt aber nicht, dass Yvo de Boer, 55, ein Gute-Laune-Onkel ist: "Ich sehe absolut keine Bewegung von Seiten der Industriestaaten", klingt der schneidende de Boer. "Ohne eine Änderung dieser Haltung werden die Verhandlungen platzen." Wenn Verhandlungen ins Stocken geraten, spricht de Boer solche Worte in Journalistenmikrofone und macht so auf geschickte Weise Druck.

Seit 1994 befasst sich der Niederländer mit Klimaschutz, seit 2006 als Chef des UN-Klimasekretariats. Diese Institution sitzt im beschaulichen Bonn, ist aber direkt beim UN-Generalsekretär angebunden, weshalb de Boer zu Kofi Annan einen kurzen Draht hatte. Zu dessen Nachfolger Ban Ki Moon hat er einen noch kürzeren - als vor zwei Jahren beim vorletzten Klimagipfel der mühsam ausgehandelte Kompromiss zur "Bali Road Map" zu scheitern drohte, die einen Fahrplan für die Verhandlungen bis Kopenhagen enthielt, da soll de Boer kurzerhand Ban Ki Moon angerufen haben. Der UN-Generalsekretär flog daraufhin ein zweites Mal auf der indonesischen Urlaubsinsel ein und beschwor die dort versammelten Regierungsdelegationen. Mit Erfolg. Aber die wirkliche Bewährungsprobe steht nun in Kopenhagen bevor.

Über das Kyoto-Protokoll von 1997 sagt de Boer, es sei ein bisschen wie die Mondlandung - nur umgekehrt: "Ein großer Schritt für die handelnden Akteure, aber nur ein kleiner für die Menschheit." Derlei Vergleiche sind nichts Ungewöhnliches aus dem Mund des gelernten Sozialarbeiters. Kritiker wie Fans bescheinigen de Boer "manchmal eine sehr eigenwillige Linie" - jedenfalls ist er untypisch für die meist so stille Welt der Diplomatie.

So kritisierte er auf dem Klimagipfel 2008 die deutsche Bundesregierung ungewöhnlich scharf: "Ich war sehr beeindruckt, dass sich Deutschland vorgenommen hat, die Kohlendioxidemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren", so de Boers in ein Lob verpackter Angriff, nun aber frage er sich, "wie dieses Ziel erreicht werden soll, wenn die Regierung 25 Kohlekraftwerke bauen lässt." Er legte damit seinen Finger in die Wunde des selbsternannten Klimaweltmeisters Deutschland. Wobei sich auch dahinter wieder gekonntes Taktieren verbarg: Im vergangenen Jahr tagte zeitgleich zum Weltklimagipfel die EU in Brüssel, um über den umkämpften Emissionshandel für Kraftwerke und Industrieanlagen zu verhandeln - lautstark forderten Wirtschaftslobbyisten dabei Ausnahmen für besonders klimaschädliche Branchen. Dass diese letztlich nicht ganz so groß ausfielen, ist wohl auch dieser wohlgesetzten Provokation de Boers zu verdanken.

Manchmal allerdings verliert er tatsächlich die Fassung. Als es in Bali 2007 Spitz auf Knopf stand und der überforderte Konferenzleiter - Indonesiens Umweltminister Rachmat Witoelar - die Bitte der G-77-Staaten auf eine Sitzungsunterbrechung ignorierte, da warfen die der ganzen Veranstaltung und auch de Boer persönlich vor, parteiisch zugunsten der Industriestaaten zu sein. Das traf den Diplomaten so sehr, dass er auf offener Bühne in Tränen ausbrach.

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