Ein Erbe Luthers?

AfD Warum Ost und West sehr unterschiedlich wählen, reicht in der Gechichte weit zurück, meint unser Autor
Ausgabe 36/2016
Symbol deutscher Geschichtsschreibung: die Wartburg
Symbol deutscher Geschichtsschreibung: die Wartburg

Foto: Hulton Archive/Getty Images

In Baden-Württemberg – wir erinnern uns – zogen bei der letzten Landtagswahl die Grünen an der CDU vorbei und stellen jetzt den Ministerpräsidenten. In Mecklenburg-Vorpommern zog jetzt die AfD an der CDU vorbei und die Grünen flogen aus dem Landtag. Deutlicher kann man den Unterschied nicht bezeichnen, der auch noch mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung zwischen Ost und West besteht. Im Westen kann man hoffen, dass die AfD eine kurzlebige Erscheinung am rechten Rand des politischen Spektrums ist – wie zuvor schon die Republikaner. Im Osten sieht das etwas anders aus. Gerade noch rechtzeitig hat Bodo Ramelow die Linkspartei in Thürigen zur führenden Regierungspartei hochgebracht. Heute mutet das fast schon anachronistisch an. Der Osten ist nicht mehr so rot, wie er einmal war.

Ganz weit im Osten, in Vorpommern, hat die AfD ihre Direktmandate erobert. Schlecht geht es den Leuten dort nicht. Eine Frau in Burka kennen die Leute nur aus dem Fernsehen. Die Flüchtlingszahlen sind niedrig. Wie konnte dort die AfD so gut abschneiden? Die Leute haben Angst, lautet eine Antwort. Überzeugend klingt sie nicht. Wovor sollten sie Angst haben? Eher scheint es so zu sein, dass die Leute unwillig sind, so viele Leistungen zur Schaffung von Verhältnissen aufgebracht zu sehen, die sie nicht haben wollen. Eines der Hauptargumente der AfD zur Förderung dieses Unwillens wird mit der Behauptung vorgetragen, Kanzlerin Angela Merkel, die CDU, aber auch die anderen Parteien betrieben einen Austausch der Bevölkerung im Lande: Die Deutschen würden weniger, dafür kämen Menschen aus anderen Kulturkreisen. Das ist töricht, aber wohl gerade deshalb schwer zu kontern.

Im Westen zieht ein solches Argument überhaupt nicht. Dort schafft Erbitterung, dass viele Flüchtlinge rasch mit Sportschuhen herumlaufen, die sich viele einheimische Eltern für ihre Kinder nicht leisten können. Aber junge Kicker von überall her sind in den Fußballvereinen im Westen die Regel. Der Osten will deutsch sein. Das war schon immer so. In der Nähe des alten Limes, rechts oder links davon, war das eher selten ein Thema. Die alte Bundesrepublik lebte von der Achse zwischen Rotterdam und Basel mit Städten wie Köln, Koblenz und Mainz. Diese Welt war dem Osten immer fremd, auch als die Preußen am Rhein standen. Das reicht weit zurück. In den stürmischen Jahrzehnten der Reformation blieb man im Westen mithilfe der Spanier und Italiener katholisch. Luther siegte, indem er mit seinen Fürsten östlich der Elbe die deutsche Karte ausspielte. Sie sticht heute offenbar immer noch.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden