Ein ethisches Problem

Hypokrisie Die „Paradise Papers“ zeigen, dass auch Spitzenuniversitäten wie Cambridge oder Oxford ihr Vermögen mit Offshore-Anlagen gemehrt haben
St John's College in Cambridge
St John's College in Cambridge

Foto: Dan Kitwood/Getty Images

Viel Lärm um wenig, wiegeln abgebrühte Finanzexperten angesichts der unter dem knalligen Namen „Paradise Papers“ vermarkteten Enthüllungen über die Steuerunlust reicher Institutionen und Einzelpersonen ab. Jason Sharman, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Cambridge und Experte für das Thema Steueroasen, erinnert etwa an den Unterschied zwischen illegaler Steuerhinterziehung und legaler, wenngleich verschämt betriebener, Steuervermeidung. Das Klischee tropischer „Paradiese“, in denen illegal erlöstes Geld gewaschen werden könne, sei um 20 Jahre veraltet. Für legale Tricksereien seien Steuerabkommen mit verregnet-kühlen Staaten wie Irland oder den Niederlanden mindestens genauso geeignet. So lange die Politik Schlupflöcher dulde oder gar billige, seien legale Offshore-Geschäft Routine und die Nennung Prominenter nur ein willkommener Anlass, über die Heuchelei eines Bono den Kopf zu schütteln.

Da Sharman im von seiner Universität produzierten Podcast „Talking Politics“ sprach, wird man sich vielleicht nicht wundern, dass sie nicht in diesem Zusammenhang erwähnt wurde. Doch haben, wie im „Guardian“ zu lesen war, die Universitäten Oxford und Cambridge ebenfalls Millionenbeträge in Offshore-Fonds investiert. Auch hier gilt die Kritik nicht einer ohnehin nicht nachweisbaren Illegalität der Anlagen, sondern der Hypokrisie der Anleger. Denn unter den Anlageobjekten finden sich Erdöl- und Gasfonds. Das ist nicht neu, aber umso umstrittener, nachdem vor einem Monat eine Gruppe von Akademikern um Rowan Williams, den früheren Erzbischof von Canterbury und heutigen Master des Magdalene College in Cambridge, gegen Investitionen in fossile Brennstoffe protestiert hatte.

Die Geschäfte der Universitäten werden seit geraumer Zeit auch von kritischen Studenten beäugt, ob es sich nun um Schokoriegel von Nestlé in der Mensa handelt oder um Anlagen in Rüstungsaktien. Steuerflucht – als gemeinnützige Institutionen sind die britischen Universitäten eigentlich gar nicht steuerpflichtig – ist also weniger das Problem als die Beteiligung an Geschäften, die im Extremfall von Forschenden selbst für schädlich befunden wurden. Dagegen könnte man kaltschnäuzig fragen, wer schon etwas dagegen haben könnte, dass Bildungseinrichtungen aus ihrem Kapital eine möglichst hohe Rendite schlagen, zumal wenn dies ihrem nicht gerade fürstlich entlohnten Personal sowie Forschung und Lehre insgesamt zugutekäme.

Warum diese Ausrede zu kurz greift, zeigt ein Blick über den Atlantik. Die „New York Times“ berichtet, wie führende US-Universitäten – darunter Harvard, Yale, Princeton und Stanford – in den letzten Jahrzehnten ihre Kapitalstöcke auch durch Offshore-Anlagen gemehrt haben. Zwar sei ein Teil des Geldes Studenten aus einkommensschwächeren Familien in Form von Vollstipendien zugutegekommen, zugleich aber würden immer noch viel zu wenige solcher Studenten überhaupt angenommen – jedenfalls weniger, als das Geld hergäbe. Die Gesamtstudentenzahl an privaten Unis sei viel langsamer gewachsen als an staatlichen Hochschulen, darunter so renommierte wie die University of California, Berkeley. Diese allein nehme jedes Jahr mehr einkommensschwache Studenten auf als die acht Universitäten der Ivy League zusammen. Das ethische Problem des Finanzgebarens der Spitzenuniversitäten zeigt sich so an anderer Stelle als zunächst vermutet, sodass es mitunter schwerfällt, ihren Beitrag zum Gemeinwesen vom Raub an eben diesem zu trennen.

Joe Paul Kroll ist Historiker und Lektor. Er hat von 1999 bis 2003 in Cambridge studiert

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